Название | Der Eistaucher |
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Автор произведения | Lars Andersson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711504628 |
Draußen über dem undränierten Moor zog der große Brachvogel seine weiten, klagenden Kreise.
Eines Tages tauchte ein anderer alter Kamerad auf, mit einem fünfzehn-, sechzehnjährigen Burschen, dessen Bewährungshelfer, Speziallehrer (oder wie das heißt), er war. Sie sollten im Moor erzieherische Arbeit leisten. Der Typ war schweigsam, mürrisch, mit einem wachsamen und pfiffigen Gesicht. Nach etwa einer Stunde kam er an und fragte nach der Uhrzeit. Man sagte sie ihm.
»Ach, verdammt, da muß ich ja zum Zahnarzt!«
Und schon war er unterwegs zum Waldrand und zur Straße, wie ein Elchkalb über die heidekrautgrauen Moorhöcker hüpfend. Ein Moped heulte auf und verschwand. Er würde wohl kaum in diese Branche zurückkehren.
Auf dem Heimweg gab es eine Stelle, wo man bequem im Svartälven baden konnte. Milchsäure, die geronnen war und sich in Rücken und Schultern gestaut hatte, klärte sich und wurde weggeschwemmt. Ganz in der Nähe lag ein Haus, in dem Eivind eine Wohnung im Auge hatte. Ohne Waschgelegenheit und Klo, doch nah am Wald und am Moor. Was ihn ein wenig zögern ließ, waren die Nachbarn. Auf längere Sicht stimmte ihn das etwas bedenklich. Weniger der Rentner, der jeden Monat pünktlich an dem Tag mit der Ambulanz in die Stadt gefahren wurde, an dem er seine Rente ausbezahlt bekommen und versoffen hatte, auch nicht die Knackis aus Kumla, die sporadisch zu einem genehmigten oder ungenehmigten Urlaub heimkamen. Nein, vielmehr der Spritzmaler war es, der das Zögern verursachte, der Spritzmaler, der dort im Hof hauste und vom Gesundheitsamt aus den Grenzen der Kommune Karlskoga verwiesen worden war . . .
Eivind zeigte mir den Weg zu der Kate. Er hatte viel davon erzählt, doch ich war nie da draußen gewesen. Es ging über staubige Forstwege, meilenweit ohne sichtbare Bebauung, ein Mäusebussard flog lange mit schweren Flügelschlägen dem Auto voran wie eine Art Grenzeskorte. Und einen guten Kilometer in den Wald hinein, über Sümpfe hinweg, lag ein Tümpel, und an seinem Ostufer lag die Kate.
Ich weiß nicht mehr, wer sie gebaut hatte. Nur wenige wußten davon. Sie sorgten für einen Vorrat an frischen Tannenzweigen, Kerzen und Streichhölzern, Klopapier und dergleichen.
Wir saßen eine Weile im Dämmerlicht der Kate. Längs der Wände raschelte es von Waldmäusen. Auf dem grob zusammengezimmerten Tisch lag ein hölzerner Gegenstand. Eivind führte ihn vor: es war eine von den hinterlassenen Arbeiten des Schwanzschnitzers.
Ein ziemlich einsamer Mann. Keiner wußte Genaueres über ihn. Offenbar saß er recht oft allein hier in der Kate und schnitzte Schwänze aus astreinem Holz.
In dem seichten, erwärmten Wasser über einem flachen Stein, der schräg in den Tümpel abfiel, dösten Dutzende oder Hunderte von Kaulquappen. Sie zuckten zusammen und waren weg, wenn man den Fuß hineinstellte, kamen jedoch bald zurück, ließen sich ringsherum nieder, saugten sich an irgendwas auf dem Stein fest, was eßbar aussah.
Lange stand ich still, und schließlich passierte es. Eine, zwei, dann immer mehr Kaulquappen schnupperten nachdenklich an meinem Fußrücken entlang, saugten sich fest, und ihre langen Schwanzflossen flatterten wie Wimpel in einem langsam wandernden Wind.
Das Frühjahr war zu Ende. In einer Woche würde ich wieder in Hedås daheim sein.
Jetzt haben die Dinge im Waschhaus ihren Platz gefunden: eine Reihe von Büchern im Regal, allerlei angefangene Arbeiten auf dem Bord darunter, Stifte und Umschläge, ein nicht angerührtes Bündel Postanweisungen und eine Rolle Tesafilm in den Schubladen des Sekretärs, Schreibmaschinenpapier in normalem und in halbem Format, ein Bogen in der Maschine, ich auf dem Stuhl. Der Wind treibt lange Wellen von ungemähtem Gras den Hang zum Wohnhaus hinauf. Die Butterblumen schwanken wie Antennen. Die Rauchschwalben sind den ganzen Vormittag niedrig über die Weiden geflogen, es ist nur ein leichter Schaum von Wolken da, doch besser läßt man Vorsicht walten.
Hier befehle ich dem Sommer 1984 sich einzuschreiben.
In der Werkstatt fand ich die Nya Wermlands-Tidningen vom 17. August 1968. Die erste Seite war zu jener Zeit noch für Anzeigen da. Eine landesweite Fahndung nach einem 25 jährigen Mann aus Kristinehamn ist eingeleitet worden, der in Mariestad 16 000 Kronen von einem Sparbuch abgehoben hat, das er im Zug zwischen Göteborg und Hallsberg gestohlen hatte. Dwight E. Eisenhower hat seinen siebten Herzanfall erlitten. Die Leitartikelseite feiert das Gedenken an Leutnant Erik Gustaf Lagerlöfs Geburt vor haargenau einhunderteinundfünfzig Jahren. Bo Högberg ist verhaftet worden, nachdem er beim Prozeß gegen ihn und seine 19jährige Freundin aus Uddevalla entflohen ist; die Hintergründe einer Spanienreise 1965 im Zusammenhang mit einigen Autos werden auf Seite 13 geklärt. Bei einer Tagung der Zentrumspartei soll das Reichstagsmitglied Bertil Jonasson gesagt haben: »Die Kleinbauern werden von der Landwirtschaftspolitik kaputtgemacht.« Im selben Artikel findet sich der folgende rätselhafte Satz: »Der Vorsitzende der Jugendorganisation in Värmland, der Techniker Jan Hyttring aus Skattkärr, äußerte ebenfalls eine Reihe von Gesichtspunkten hinsichtlich unserer interessantesten Wahl, die auch er voll Optimismus für eine bürgerliche Übernahme der Regierungsmacht in diesem Land.«
Auf der Auslandsseite: Aus Athen meldet TT-AFP, daß die griechische Regierung Andreas Papandreou moralisch für den Mordversuch an Premierminister Giorgios Papadopoulos verantwortlich macht, der von Alexis Panagoulis unternommen wurde. König Konstantin hat Papadopoulos ein Telegramm geschickt, in dem er ihm dazu gratuliert, daß er das Attentat unverletzt überstanden hat. Giorgos Papandreou hat sich in einem Brief von den Äußerungen seines Sohnes über das Attentat distanziert und betont, die Zentrumsunion habe nichts mit dieser Sache zu schaffen. Aus Saigon meldet TT-AFP, die FNL habe eine Kampagne gestartet, um die südvietnamesische Opposition in einer Koalitionsregierung zu sammeln, gebildet aus der neugegründeten »nationalen und demokratischen Friedensallianz«. Bei einem Gefecht am Südrand der entmilitarisierten Zone haben amerikanische Superbomber in den letzten vierundzwanzig Stunden nur 15 Kilometer von den eigenen Verbänden entfernt 30 Tonnen Bomben abgeworfen.
Diese beiden Artikel werden von drei Artikeln eingerahmt, in deren Schlagzeilen Prag oder die Tschechoslowakei Vorkommen. In einer Auslandschronik, signiert mit Frederick Scheu, Copyright The Observer und NWT, werden die Erwartungen beschrieben, die Titos Staatsbesuch in Prag bei den Österreichern geweckt hat. Man ist »davon überzeugt, daß Prag, Belgrad und Bukarest ihre Bemühungen fortsetzen werden, einen speziellen ›Donaukommunismus‹ zu schaffen, und »es gibt Österreicher, die mit dem Gedanken an eine Art Donau-Föderation spielen«, bestehend aus diesen drei Staaten sowie Österreich und Ungarn. Die Stimmung unter den Österreichern hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Westdeutschland soll wenig positiv sein, jedoch günstig für die Länder der ehemaligen Doppelmonarchie und ihre Nachbarn.
TT-dpa berichtet aus Prag über die Unterzeichnung eines neuen 20jährigen Freundschafts- und Beistandspakts zwischen der Tschechoslowakei und Rumänien. Präsident Ludvik Swoboda betont, daß »dieser Vertrag nicht nur den Interessen der Tschechoslowakei und Rumäniens dienen soll – er soll ein gemeinsamer Beitrag zur Konsolidierung und Einigkeit des gesamten sozialistischen Lagers sein«.
Dieselbe Nachrichtenagentur berichtet in einem weiteren Artikel aus Prag, daß eine Reihe von Beschlüssen, die die Parteiführung in letzter Zeit hinter den Kulissen gefaßt hat, von politischen Beobachtern als beunruhigende Zeichen dafür gedeutet werden, daß die konservativen Kräfte allmählich wieder ihren Einfluß zurückeroberten. Drei »Erzkonservative« seien kürzlich vom obersten Zeitungschef Oldrich Svesta zu stellvertretenden Chefredakteuren von Rude Pravo ernannt worden, doch dieser selbst werde vermutlich nicht wieder ins Zentralkomitee gewählt werden. Die militärischen Ratgeber des Verteidigungsministeriums beschuldigen General Vaclac Prchlik, Geheimnisse des Warschauer Pakts enthüllt zu haben, während zugleich immer mehr Stimmen fordern, Prchlik beim Parteikongreß ins Zentralkomitee zu wählen. Die öffentlichen Diskussionen im Hyde-Park-Stil auf Straßen und in Parks haben die Behörden zu einigen warnenden Worten veranlaßt, und »die Öffentlichkeit und die Massenmedien verfolgen die Entwicklung der Geschehnisse mit immer größerer Besorgnis«.
Die Schlagzeile der Wettervorhersage: Unveränderlich.