Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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      VON BRIGITTE GLASER

       1969 – Mondlandung

       Rot die Reben, blau die Partei

      VON CARSTEN SEBASTIAN HENN

       Zimmer mit Mord 5

       Autorennotizen

       Das Personal

      Monsieur Gisbert [məˈsjø ʒɪsˈbɛʁ] ist ein Concierge der alten Schule, ein Mann, der immer da ist und alles organisieren kann, kein eigenes Leben zu haben scheint und den seine Gäste ebenso verehren wie er sie. Ihm gehört das Grand Hotel Bellevue nicht, aber jeder, der ein Problem hat, gleichgültig, ob angestellt oder durchreisend, fragt Monsieur Gisbert. Er ist beleibt, belesen, beliebt. Vorzugsweise raucht er Gauloises ohne Filter, besitzt einen unerschöpflichen Vorrat an Witzen, bei denen er sich niemals wiederholt, und ein Faible für Kriminalgeschichten. Gutes Essen liebt er über die Maßen, dessen Genuss ihm seine alte Freundschaft mit dem Oberkellner erleichtert. Er ist nicht verheiratet und bewahrt über eventuelle Liebschaften Stillschweigen.

      Matthias, der Oberkellner, wird von allen »Monsieur Mathis« genannt; das Bellevue ist ja wahnsinnig französisch. Mathis ist ein außerordentlicher Kenner der französischen Küche, der jedes arrogante Benehmen manch eines Gastes elegant abfedern kann.

      Anna arbeitet als eines von fünf Zimmermädchen. Sie hat ihr Herz am rechten Fleck und besitzt die seltene Gabe vorausschauenden Denkens, wodurch sie die Anweisungen ihrer Herrschaft bereits nach der ersten Hälfte des Satzes vervollständigen kann und diese sofort in die Tat umsetzt.

      Gustav ist der Chauffeur des Hotels, tadellos gekleidet in einer schmucken Uniform, leider aber immer mit einem Ölfleck am linken Unterärmel der Jacke und einem »Trauerrand« unter dem rechten Zeigefingernagel. Mit dem jeweils aktuellen Autotyp holt er die Hotelgäste vom Bahnhof ab und fährt sie auch abends in die Oper der Stadt.

      Baron Konrad von Ascheberg ist Dauergast und entstammt einem uralten westfälischen Adelsgeschlecht. Seine Familie ist seit Generationen verarmt und hat längst den Stammsitz ihres Geschlechts verkaufen müssen. Er hält sich mit dubiosen Tätigkeiten über Wasser, von denen man nichts erfährt.

      Hänschen ist fünfzehn Jahre alt und arbeitet als Liftboy und Kofferträger. Er ist Waisenjunge und irgendwann von Monsieur Gisbert von der Straße aufgelesen worden.

       Zimmer mit Mord

       1.

      Sie sollen alle Selbstmord begangen haben.

      Im zweiten Stock.

      Erhängt.

      Es gibt auch noch andere Geschichten, wie die vom Lehrer Görtz, der 1953 gestorben ist. Wer das ist? Niemand weiß das. Nur seinen Grabstein kennt man. Tauchte eines Tages einfach aus der tiefen Erde auf.

      Es gibt Fotos davon.

      Und da ist auch noch dieser junge Bursche, Edward, der wurde erhängt, weil er die Tochter des Gutsbesitzers geliebt haben soll. Also Mord, kein Selbstmord. Pole soll der gewesen sein, Zwangsarbeiter mitten im Krieg, und ich denke, ist Edward eigentlich ein polnischer Name? Egal. Die Geschichte ist einfach zu tragisch, um sie nicht weiterzuerzählen.

      Als ich an der Neusser Landstraße, kurz vor Fühlingen, am Wegrand halte, frage ich mich, welche von den vielen Geschichten wirklich wahr ist. Die mit den Lichterscheinungen? Die mit den unheimlichen Stimmen? Die mit dem Poltergeist? Der soll einem Kölner erschienen sein, und als der Mann fragte, ob der Geist einen Moment auf ihn warten könne, damit er ihn auch seinem Kumpel zeigen könne, da hat er wohl gesagt: »Ja, klar, kein Thema, ich hab Zeit.« Grinsend schließe ich meinen Wagen mit einem Klick auf die Fernbedienung: Klar, Jung, keen Thema, isch hann Zick!

      Alles Schauermärchen.

      Vermutlich.

      Der Makler ist jedenfalls schon da.

      So ein freundlicher, kleiner, rundlicher Mann mit dichtem, grauen Schnauzer.

      Drückt mir die Hand und sagt: »Schön, dass Sie da sind. Sie werden staunen! Kommen Sie!«

      Wir haben nur ein paar Schritte bis zum Haupttor und tatsächlich: Ich staune. Zwei gewaltige Steinsäulen, dazwischen ein verrostetes, aber kunstvoll geschwungenes Tor aus Eisen.

      Dahinter aber: das Haus!

      Es erhebt sich gegen den dunkelgrauen Himmel; fünf Steinbögen zieren den Haupteingang, darüber eine Balustrade, darauf zwei weitere Stockwerke. Es ist eines von der Sorte, die man aus Gruselschockern kennt: verwunschen, marode, geheimnisvoll, und ich denke, vielleicht ist doch alles wahr, was man sich darüber erzählt: der Lehrer, der Zwangsarbeiter, der Poltergeist, die Selbstmörder, die Stimmen.

      »Es muss einmal wunderschön gewesen sein«, sage ich.

      »Ja, das war es. Das Schönste weit und breit. Ganz herrlich war das!«, bestätigt der Makler und schiebt das geschwungene Tor auf.

      Es quietscht – natürlich. Und zwar so, dass es einem durch Mark und Bein geht.

      Fasziniert sehe ich es an: Es gibt weder Fenster noch Türen, nur schwarze Löcher, die über einen hinwegstarren wie die Augen eines Totenschädels. Alles an diesem Gebäude war einmal herrschaftlich, bedeutend, reich. Jetzt aber ist es vollkommen verfallen.

      Eine Schande, so etwas.

      Wir treten auf den großen Vorplatz.

      Der Makler schließt das Tor.

      Wieder dieses dramatische Quietschen.

      Dann dreht er sich um, lächelt und macht eine präsentierende Geste: »Darf ich vorstellen: das Bellevue

      Erst jetzt sehe ich, dass sich vom Haupthaus Flachbauten wie Arme nach links und rechts strecken, die in zwei Gebäude münden, die wie Wehrtürme wirken. Bäume und Sträucher haben sich fast das gesamte Gebäude geholt. Vermutlich gibt es noch zwei Flügel auf der Rückseite, so dass das ganze Anwesen wie ein riesiges U aussieht.

      »Stimmt es, was man sich über das Gebäude erzählt?«

      Der Makler runzelt die Stirn, als wüsste er nicht, worauf ich anspiele, aber an seinen Augen sehe ich, dass er das ganz genau weiß.

      »Was meinen Sie?«, fragt er vorsichtig.

      »Dass es spukt!«

      Einen Moment starrt er mich an, dann macht er eine wegwerfende Handbewegung: »Ach, das …«

      Einen weiteren Kommentar scheint ihm das nicht wert zu sein, aber ich hake nach: »Und?«

      »Die Leute erzählen viel. Gerade hier in Köln. Sie kommen nicht von hier, oder?«

      Ich schüttele den Kopf: »Hamburg.«

      »Ah, verstehe.«

      »Was verstehen Sie?«

      »Der Norddeutsche redet nicht viel. Der Kölsche schon.«

      Ich seufze.

      Alle glauben, dass die Norddeutschen