Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.. Werner Skrentny

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Название Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.
Автор произведения Werner Skrentny
Жанр Сделай Сам
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Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338595



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vom lokalen „Hamburger Abendblatt“ proklamierten „Weltstadt“ an Alster und Elbe zollte man seinerzeit „Karlsruhes Fußballverhältnissen“ Respekt.

      In den „Mitteilungen des SC Germania“ (Hamburg), einem Vorläufer des Hamburger SV, berichtet stud. mach. Alfred Lohse im März 1912: „Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass die badische Hauptstadt eine so hervorragende Stellung in dem deutschen Fußballwesen einnimmt. Karlsruhe ist trotz seiner 130.000 Einwohner eine Spießbürgerstadt in des Wortes wahrster Bedeutung. Nach einigem Suchen findet man da zwei größere Café, aber ohne Konzert. In Hamburg ist das Caféleben jetzt meist unzertrennlich vom Fußballspiel geworden.“

      Dass der Fußball in der badischen Residenz eine dominierende Rolle spiele, liege am „fast gänzlichen Fehlen weiterer Sportsarten“. Auch gebe es „kein charakterloses Hin- und Herlaufen der Mitglieder zwischen den einzelnen Vereinen. Pekuniär stehen diese dank der großen Zuschauermengen tadellos da.“ „Die Vereine in K.“, die „nach Art studentischer Korporationen“ auftreten würden, „führen dem Publikum wirklich einwandfreies und faires Spiel vor und besitzen fußballerzogene junge Leute und nicht eine Horde halbgebildeter Schüler, oder, was noch schlimmer, eine Reihe gänzlich ungebildeter Schlag- und Faustballspieler.“

      Vor allem Studenten würden beim Karlsruher FV, dem Stammverein von Julius Hirsch, und Phönix spielen, FV Beiertheim („rüde Kampfesnaturen“) und FC Mühlburg – ebenso wie Phönix ein Gründungsverein des heutigen Karlsruher SC – sich dagegen aus den gleichnamigen Arbeitervierteln zusammen setzen. Für KFV und Phönix spreche auch die Möglichkeit, dort den Tennissport zu pflegen.

      Noch 1924 preist die Zeitschrift „Fußball“ geradezu hymnisch das Auftreten des Karlsruher FV: „ein einfach feiner Dress, schwarze Hosen, weißes bauschiges Hemd und mit einem Vereinswappen über dem Herzen. Dicke, graue Wollstümpfe, die oben in die schwarzroten KFV-Farben ausliefen und dort zu dicken Wulsten umgedreht wurden.“ Elegante Kleidung, ungewöhnliche Intelligenz und Eigenart hätten die Spieler ausgezeichnet, die „im gesellschaftlichen und beruflichen Leben erste Posten“ innegehabt hätten.

       Die Sportzeitung aus der Amalienstraße

      Es passt ins Bild, dass Karlsruhe sogar eine eigene Fachzeitschrift für den Fußballsport besaß. Es war die „Süddeutsche Sportzeitung“, verlegt von Karl Bonning in der Amalienstraße 55. Leider sind von dieser Zeitschrift heute nur wenige Jahrgänge überliefert. Auf die erhältlichen Exemplare musste der Autor lange Monate warten, denn zu Recht waren sie beim Buchbinder in Behandlung. 1907 jedenfalls meldete diese Karlsruher „Illustrierte Wochenschrift für die Gesamtinteressen aller sportlichen Spiele. Fußball, Lawn-Tennis, Athletik, Hockey etc. Alleiniges amtliches Organ des Verbandes Süddeutscher Fußball-Vereine. Offizielles Organ des Deutschen Fußball-Bundes“ bereits den dritten Jahrgang.

      Obwohl als Lehrer in England ansässig, war auch in diesem Blatt der umtriebige einstige Karlsruher Fußball-Pionier Walther Bensemann mit ausführlichen Beiträgen präsent. 1907 verhinderte er sogar die Abspaltung des bedeutenden Verbandes Süddeutscher Fußball-Vereine vom DFB. Den entsprechenden Dringlichkeitsantrag des Karlsruher FV, der mit 247 gegen 189 Stimmen positiv ausging, hatte er initiiert und dabei auch gleich den VSFV-Vorstand gestürzt. Dem neuen Vorstand gehörte Bensemann als Verbindungsmann zum DFB an („Bundesbevollmächtigter“). Allerdings nicht lange, denn er hatte nun mal seine Prinzipien.

      Hier nun kommt – Fußball-Hochburg Karlsruhe eben – ein anderer Pionier ins Spiel, zuständig für die Sportpresse und bislang genauso wenig gewürdigt wie andere seiner Kollegen aus jenen frühen Jahren. Eugen Seybold hieß er, sein Name steht für die heute nicht mehr existente langjährige Fachzeitschrift „Der Fußball“ aus München.

      Über Sport schreiben und den Sport auch betreiben, das war damals oft eins. Der Stuttgarter Kaufmann Seybold siedelte 1901 ins bayerische Landau in der Pfalz über, begründete im März 1902 die Landauer Fußballgesellschaft (LFG), deren Vorsitzender er war, und 1903 den Verband Pfälzer Vereine für Bewegungsspiele (erster Fußballmeister: FC 1900 Kaiserslautern). Es wären jetzt noch mehr seiner Meriten aufzuzählen, und natürlich war Eugen Seybold auch Fußballer und Leichtathlet.

      Seine Laufb ahn als Schrift-leiter der „Süddeutschen Sportzeitung“ in Karlsruhe endete mit dem 12. August 1907. Uneins mit dem Verleger Karl Bonning, trat er zurück (oder wurde entlassen). Sein „erster Versuch zur Schaff ung einer Zeitung, die dem süddeutschen Sport bereits einige Dienste geleistet hat“, war gescheitert. Dass als Seybolds Nachfolger der Vorsitzende des Verbandes Süddeutscher Fußball-Vereine, Max Dettinger vom 1. FC Pforzheim, inthronisiert wurde, wollte Bensemann nicht akzeptieren: Funktionär und gleichzeitig Redakteur, hier lag ein Interessenkonflikt vor. Bensemann trat zurück und opponierte z. B. in der „Berliner Zeitung“ heftig gegen die Karlsruher Verhältnisse, was auf vielen Seiten der „Süddeutschen Sportzeitung“ nachzulesen ist.

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      Zum „Fest-Kommers“ für den Deutschen Fußball-Meister Karlsruher FV lud der Verein am Samstag, 25. Juni 1910, in den Festsaal des „Hotel Friedrichshof“ (Karl-Friedrich-Str. 28) der Brauerei Sinner Grünwinkel in Karlsruhe.

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      Großer Andrang auf dem KFV-Platz, der in der damaligen Fußballhochburg Karlsruhe auch eine Tribüne besaß.

      Bei dieser „Süddeutschen Sportzeitung“ aus Karlsruhe hatte Bensemann aber auch Einiges gelernt, was ihm später als Herausgeber des „kicker“ zugute kommen sollte. Der Vertrieb der „Sportzeitung“ war sehr professionell organisiert: Am Mittwoch erschien sie, erhältlich in den Karlsruher Kiosken an der Hauptpost, am Karlstor und bei der Germania. Ausgelegt war sie zudem – eine kleine Karlsruher Lokalkunde – im „Café Bauer“, „Hotel Erbprinz“, „Restaurant Prinz Karl“, „Restaurant zum Moninger“ (das Stammlokal des KFV), „Reformrestaurant Richard Kirsten“, „Hotel Tannhäuser“, „Restaurant zum Goldenen Kreuz“, „Wiener Café Zentral“, „Gasthof zur Rose“ und „Restauration zur Tanne“.

      Als Walther Bensemann am 14. Juli 1920 die „Illustrierte Fussball-Wochenschrift für Deutschland und die Schweiz“ unter dem Namen „Der Kicker“ (genau der!) erstmals herausgab, schmückten den Titel zwei Mannschaftsbilder „Aus Karlsruhe’s Glanzzeit“: die Karlsruher Kickers von 1894 (mit Bensemann) und der KFV von 1899. Blättert man die Seite um, kommt auch der Phönix von 1909 bildlich zu Ehren.

      Karlsruher Inserenten begleiteten den Start der seinerzeit in Konstanz erscheinenden Fachzeitschrift: die Buchdruckerei Leo Wetzel (Amalienstraße 55, wo die „Süddeutsche Sportzeitung“ erschien), Café Odeon, Import Export W. Kaier (Nuitsstraße 14), Photo/Sport-Ausrüstungen Alb. Glock (Kaiserstraße 89), Sport Beier (Kaiserstraße 174 – Artur Beier, „der Sportsmann kauft beim Sportsmann“, diesem Fußballpionier von Phönix widmete Bensemann oft wohlwollende Zeilen), Druckerei Friedrich Pampel (Viktoriastraße 17).

      Auch Eugen Seybold, der ehemalige Schriftleiter der „Süddeutschen Sportzeitung“, hat die Karlsruher Jahre nie vergessen. Im Oktober 1911 legte er eine „Probenummer“ von „Der Fußball. Wochenschrift zur Förderung des Rasensports“ auf, woraus eine langjährige Erfolgsgeschichte werden sollte. Es geschah in München-Schwabing, dort, wo auch der FC Bayern entstand. Sucht man heute die damalige „Fußball“-Adresse Kaulbachstraße 88 auf, so findet man tatsächlich noch das ehemalige Verlagsgebäude (heute Privatwohnungen) samt Gewerbehof vor. Eine kleine und erfolgreiche „Fußball-Archäologie“…

      Aus der Kaulbachstraße in München-Schwabing kam 1911 auch die Analyse deutschen Fußballspiels inklusive einer Bensemann-Würdigung, denn Letzterer war aus alter Karlsruher Verbundenheit mit Herausgeber Seybold ein wesentlicher Mitarbeiter des „Fußball“:

      „In Karlsruhe hat man dank des opferfreudigen Wirkens eines Walther Bensemann schon sehr frühe (Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts) wirklich gute Spiele gesehen. Als Bensemann damals gemeinsam mit Schulkameraden das Associationsspiel einführte, ermöglichte er (neben der