Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.. Werner Skrentny

Читать онлайн.
Название Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.
Автор произведения Werner Skrentny
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338595



Скачать книгу

ersten hauptamtlichen Trainer, sondern zählte auch 355 Mitglieder, davon 90 Jugendliche inklusive Julius Hirsch (Stand 1908), hatte Tennisplätze angelegt und den Bau eines Klubhauses beschlossen. Und bereits seit dem ersten Sportfest am 16. September 1906 pflegte der Verein auch die Leichtathletik. Ein vielbeachteter erster Erfolg der Ära Townley war ein Remis an Ostern 1909 gegen die Pirates London, von denen heute gar niemand mehr etwas weiß.

image

      Kastentabelle der „Illustrierten Sportzeitung“ zur Saison 1908/09, in der der KSC-Vorgängerverein Phönix karlsruhe Deutscher Meister wurde.

      Bereits im März 1909, nach einem 8:0 der Karlsruher auf heimischem Terrain gegen den FC Basel, vermutete die „Sport-Illustrierte“ und deren Berichterstatter Robert Imbery: „Es ist zu erwarten, dass Trainer Townley für das Spätjahr eine Mannschaft auf die Beine bringt, die sich den alten Traditionen des Vereins würdig erweist.“

      Als die neue Spielzeit 1909/10 in Süddeutschland beginnt, sind die führenden Vereine auf vier Ligen verteilt:

      image den Südkreis (Karlsruhe 3, Stuttgart 3, Pforzheim, Freiburg und Straßburg je 1 ( das heute französische Strasbourg gehörte seit dem Kriegsende 1870/71 zum Deutschen Reich);

      image den Nordkreis (Frankfurt 7, Wiesbaden 2, Hanau 2, Offenbach 1);

      image den Ostkreis (München 2, Fürth, Nürnberg je 1);

      image den Westkreis (Mannheim 4, Ludwigshafen 3, Darmstadt, Kaiserslautern je 1).

      Von den damaligen Erstligisten sind in der Spielzeit 2011/12 noch in der 1. bis 4. Liga dabei:

      image Bundesliga: FC Bayern München, 1. FC Nürnberg, 1. FC Kaiserslautern (ehem. FVK);

      image 2. Bundesliga: SpVgg Fürth, Karlsruher SC (in der Nachfolge von Phönix), FSV Frankfurt;

      image 3. Liga: Offenbacher Kickers;

      image 4. Liga Stuttgarter Kickers.

      Racing Strasbourg aus Frankreich, mittlerweile in die 5. Liga verdammt, gehört seit 2011/12 nicht mehr in diese Aufstellung.

      Die Südkreis-Liga, in der der KFV antritt, ist hochkarätig besetzt, denn dort starten der amtierende Deutsche Meister und Titelverteidiger Phönix Karlsruhe, der Deutsche Ex-Meister FC Freiburg, die früheren deutschen Vizemeister Stuttgarter Kickers und 1. FC Pforzheim sowie der zweimalige Südmeister FV Straßburg. Mehr geht nicht: Es ist Deutschlands stärkste Liga!

      Der Ruf des KFV ist, obwohl er noch nie die Deutsche Meisterschaft gewann, famos. Die Gastspiele an Weihnachten 1909 beim Berliner F-Kl. Preußen (2:1 gewonnen) und beim Hannover F-Kl. von 1896 mit nur neun Spielern (6:1-Sieg, „ausnahmsweise eine große Zuschauermenge“) werden von den Gegnern als „Ereignis der Saison“ bezeichnet.

      Hirsch war beim Saisonstart im August 1910 beim 4:1 gegen Bayern München wieder am Ball. Das weiß man aus der „Wettspiel-Chronik“ des KFV (http://karlsruher-fv1891.de/1.pdf). Darin wird nach einem 4:0 im Punktspiel beim FV Straßburg berichtet: „Straßburgs Platz ist gänzlich spielunfähig (unebener Boden). Fuchs und Hirsch konnten durch rasche Durchbrüche die Tore erringen.“

      Das Punktspiel der Spielzeit 1909/10 zu Hause gegen die Stuttgarter Kickers – Besucher können jetzt auch auf einer überdachten Tribüne Platz nehmen – wird in der „Illustrierten Sportzeitung“ als „der schönste Kampf unter den vielen interessanten Spielen“ bezeichnet. Hans Trapp, den Vorsitzenden der Stuttgarter Kickers, schmerzt die Niederlage nicht: „Es kommt bei uns nicht so sehr darauf an, offizieller Meister zu sein, als vielmehr gut und fair spielen zu können, denn unser Publikum will vor allem schöne Leistungen sehen.“ Der „Sportzeitung“-Reporter erlebt auch das 5:0 des KFV auf dem gefürchteten Terrain des 1. FC Pforzheim: „Ich habe noch keine bessere kontinentale Mannschaft gesehen. KFV ist zweifellos gegenwärtig die beste süddeutsche Mannschaft. Karlsruhe legte ein Spiel vor, dem beizukommen unmöglich war.“

      Als am 3. Oktober 1909 in der Punktspielrunde der KFV und Phönix aufeinandertreffen, registriert die „Sportzeitung“ 3.500 Besucher: „Diese Zuschauerzahl spricht für das ungewöhnliche Interesse, das man den Begegnungen dieser beiden Vereine entgegenbringt. Überall, wo in Deutschland Fußball gespielt wird, hat man diesen Wettkampf mit Aufmerksamkeit verfolgt und das Resultat telegraphisch sich melden lassen.“ („Sportzeitung“, 23.10.1909)

       Lehre und Fußball

      Hirsch ist jetzt Stammspieler, beruflich geht er nach dem Abschluss der Obersekunda der Oberrealschule mit der Mittleren Reife und einem Jahr in der Pflichthandelsschule einer kaufmännischen Lehre nach. Dies geschieht seit dem 1. Oktober 1908 für zwei Jahre in der jüdischen Lederhandlung Freund und Strauss. Deren Sitz, ein Backsteingebäude mit grünem gusseisernen Eingangsportal, ist in der Karlsruher Kreuzstraße 31 noch erhalten. Nach Abschluss der Lehre wird Hirsch dort bis zum 22. März 1912 angestellt, ehe der Militärdienst die berufliche Laufbahn unterbricht.

      Es läuft in der Runde 1909/10 auf Karlsruhe gegen Karlsruhe hinaus, denn nach der Punkterunde liegen der Titelverteidiger Phönix und der KFV gleichauf. Die Entscheidung wird an einem neutralen Ort fallen, im 25 km entfernten Pforzheim. Die bekannte Schmuckstadt zählt seinerzeit fast 70.000 Einwohner. Der 1. FC Pforzheim von 1896 hat seinen Platz (noch) an den Weiherwiesen am Ufer der Enz. Die Korrektion des Flusses aus dem Nordschwarzwald wird ihn zum 1913 eröffneten klassischen Fußballstadion im Brötzinger Tal führen, das 2013 einhundert Jahre besteht und damit zu den ältesten deutschen Sportstätten gehört, bei Drucklegung allerdings in seiner Existenz bedroht ist.

      Der 1. FC Pforzheim von 1896 hat 1908 in Arthur Hiller II den ersten Spielführer der Nationalelf gestellt, insgesamt werden es schließlich elf A-Internationale. Just 1910 ist „der Club“, wie er in Stadt und Umland genannt wurde, mit mehreren hundert Mitgliedern Deutschlands größter Fußballverein: „Wer einmal da war, kam das nächste mal fast sicher wieder, und wenn die Leute öfter kommen, so haben sie Interesse und treten dem Klub als unterstützende Mitglieder bei.“ („Illustrierte Sportzeitung“, Nr. 7, 1910)

      Obige Formulierung, dass der Verein „,der Club’ genannt wurde“, ist deshalb angebracht, weil der Traditionsverein 2010 aufgrund seiner Verschuldung ein unrühmliches Ende nahm, als er in einem Fusionsgebilde namens 1. CfR Pforzheim verschwand und auch die blau-weißen Vereinsund Stadtfarben zugunsten der badischen Landesfarben Gelb-Rot aufgab. Dem Autor tat das weh, war doch der „Club-Platz“ im Brötzinger Tal, als er als 15- und 16-Jähriger dort noch Punktspiele (!) gegen Bayern München miterlebte, Teil seiner fußballerischen Sozialisation. Es war eine Zeit, in der ältere Männer im sehr zahlreichen Publikum noch von corner als Eckstoß sprachen und, das möchte der Verfasser jetzt nicht beschwören müssen, von penalty als Strafstoß – eine Überlieferung über Generationen, Tradition eben. Ehe mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, in dem Großbritannien ein Gegner der Deutschen war, diese Begriffe nicht mehr gebräuchlich waren, galten skorer (Torschütze), goal (Torerfolg), backs (Verteidiger), halfbacks (Läufer) und forwards (Stürmer) als gängige Bezeichnungen – man sehe einmal die um 1910 gängigen Sportzeitschriften nach.

      Ausgerechnet die Recherche zu diesem Buch hat den „Schmerz“ des Verfassers keinesfalls gelindert, begegnete er doch ständig dem Pforzheimer „Club“. Und er stieß