Название | Der Kamin |
---|---|
Автор произведения | Martina Schäfer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959593038 |
„Oh, ein Wasser.“
Die meisten jüngeren Menschen sind heutzutage überwiegend schwarz gekleidet, so dass ich nicht zu erkennen vermochte, ob die schwarze, kurze Weste, die dunkelgraue Bluse darunter, der halb lange, anthrazitfarbene Rock sowie die schwarze Strumpfhose zu ihrem normalen Outfit gehörten oder ihre Stimmung widerspiegelten und die traurige Situation.
„Meine Mutter war ihre Schwester“, wandte sich Maggi nun erklärend zu mir und ich nickte zustimmend. „Aber wisst ihr, sie tut, als habe Vera das Verbrechen begangen und nicht dieser Kerl – wer immer das auch war. Friedrich sagte, es wäre gar nicht diese Jugendbande gewesen?“
„Rosi Kramer deutete das gestern Abend auch an.“ Beide Frauen schauten zu mir, als wäre ich gewissermaßen mit von der Polizeipartie, nur weil ich mit der wunderbaren Polizeifotografin Tisch und Bett teilte.
„Ach ja, dein Vortrag am selben Abend. Schade, vielleicht hätte Tante Vera auch mal so einen Kurs mitmachen sollen, dann wäre ihr das vielleicht nicht passiert.“
„Wen-Do hilft Frauen, sich gegen Anmache, sexuelle Gewalt, Übergriffe zu wehren. Ich weiß nicht, ob er hilft, wenn einer wirklich vorhat, jemanden umzubringen.“
„Hältst du noch einmal einen Vortrag? Oder einen Kurs für Frauen bei uns? Wir konnten halt vorgestern nicht, das Kino war schon Wochen vorher abgemacht, Peter hat Susi und mich in diesen alten, russischen Film eingeladen mit der Kommissarin aus der Roten Armee, die ein Kind bekommt. Es sind gerade russische Filmtage im ‚Aki’!“
„Aki“ ist das Alternative Kino, das schon mehr als fünfzehn Jahre dank einer starken grünen Fraktion im Rathaus überlebte.
„Johannes war total fertig, als wir heimkamen, der hatte es gerade am Telefon erfahren und wartete nur auf uns, um zur Polizei zu fahren.“
Jetzt zog sie wirklich ein wenig die Nase hoch und ich sah, dass Maggi nahe daran war zu weinen. Lilo legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm.
„Wenn ich daran denke: Ihr hört deinen Vortrag über Gewalt, wir sehen uns diesen Film an über eine superstarke Frau, gerade so wie Tante Vera, und während wir im Kneipenkino mit andern Leuten noch eins trinken gehen, schlägt ihr irgendein Verbrecher den Schädel ein. Und wir haben nichts gemerkt!“
„Wie hättet ihr auch?“, wandte ich ein und Maggi schaute mich groß an.
„Ich habe sie doch so gerne gehabt! Man spürt doch, wenn eine Freundin in Gefahr ist, oder?“
„Nicht unbedingt. Ich denke, nur, wenn man das Gefühl hat, dass sowieso etwas im Busche ist.“
Lilo nickte bestätigend vor sich hin. Sie wollte einfach verhindern, dass sich zu Maggis Trauer noch so eine Art diffuses Schuldgefühl gesellte, wie es Hinterbliebene häufig nach Gewalttaten oder Unfällen verspürten.
„Hattet ihr denn das Gefühl?“ Ich schaute Maggi fragend an, doch die schüttelte den Kopf und trank ein Schluck aus ihrem Glas.
„Sie war so eine total tolle Frau. Alle mochten sie, sie hatte doch keine Feinde. Und sie hat so vielen Leuten geholfen, auch uns. Ohne ihr Geld wären wir alle noch beim Arbeitsamt!“
„Hat deine Tante euch ein großes Darlehen gegeben?“
„Fünfzigtausend, zinslos! Eine Bürgschaft für die Bank hätte vielleicht auch gereicht, aber mit den Rückzahlungszinsen wären wir ewig nicht auf einen grünen Zweig gekommen.“
„Was ist mit euren Eltern ...?“
„Meine?“ Sie schaute mich an, als spräche ich von grünen Männlein aus einer anderen Galaxis.
„Abgesehen davon, dass meine Alten so ein alternatives Projekt nie vorfinanziert hätten, ich hätte von denen auch nichts angenommen, das war kein sauberes Geld!“
“Was meinst du denn damit?“ Lilo bat die vorbeischauende Kellnerin um einen Tee und reichte ihr die Kaffeetasse über die Schulter zurück.
„Ich weiß es nicht genau, aber irgendwie hatten sie eine Menge von ihren Eltern geerbt, das heißt, von denen meiner Mutter.“
„Das waren doch auch Vera Mertens Eltern?“
„Ja. Ihre Mutter, also was meine Großmutter ist, die vegetiert immer noch oben im Altenheim vor sich hin.“
„Habt ihr noch mehr Verwandte?“
„Ich glaube, die Oma ist schon ziemlich weggetreten, verstehst du? Sie war Krankenschwester im Krieg und mein Vater bloß bei der Bahn. Trotzdem ist tüchtig Knete in der Familie.“
„Vera Mertens war auch nur Zeitungsverkäuferin?“ Ich ließ meine Frage absichtlich offen über den Gläsern schweben und Maggi hob irritiert den Kopf.
„Was meinst du damit?“
„Nun, wenn du deinen Eltern vorwirfst, wie auch immer unrechtmäßiges Geld geerbt zu haben, woher hatte deine Tante denn das Geld, euch die Kneipe zu finanzieren?“
„Das weiß ich gar nicht so genau. Aber geerbt hat Tante Vera sicherlich nichts. Die war irgendwie out bei ihren Leuten, meine Alten reden auch nie von ihr. Deshalb bin ich eines Tages dann mal zu ihr gefahren und schlussendlich in die gleiche Stadt gezogen. Eine, die meine Mutter abartig fand, an der musste einfach was dran sein.“ Sie zog abermals die Nase hoch und schaute aus dem Fenster in eine leere Welt ohne großherzige Tanten und verständnisvolle Erwachsene.
„Wem müsst ihr denn jetzt das geliehene Geld zurückzahlen?“
Maggi schaute Lilo irritiert an. „Glaubst du, darüber hätten wir nachgedacht? Keine Ahnung, wird sich schon wer melden, oder?“
„Wenn es niemanden in direkter Linie gibt, kann es natürlich sein, dass deine Mutter deine Großmutter nun rechtskräftig vertritt, denn die dürfte den nächsten Anspruch auf das Geld ihrer toten Tochter haben.“
„Ach du dickes Ei!“ Unwillkürlich musste Maggi trotz ihrer Trauer lächeln.
„Du glaubst, meine Mutter rauscht an, die Schulden bei uns einzutreiben?“
Ich nickte, Maggi schüttelte verwirrt den Kopf. „Das wäre dann genau die Situation, die ich immer vermeiden wollte!“
Ein blonder, sehr dünner Mann, dessen lange Haare ganz uneuropäisch zu Rastalocken gedreht waren, die unter einer undefinierbaren Wollmütze hervorwehten, radelte über den Marktplatz, wich den letzten, abfahrenden Lieferantenautos aus und schwang sich vor dem Pannekokenhus vom Fahrrad herab.
„Da kommt Johannes, wir sind verabredet.“ Maggi schaute sich suchend nach der Bedienung um.
„Lass mal, das übernehme ich.“ Lilo bedeutete der Kellnerin, alles auf eine Rechnung zu setzen. „Ich übernehme sowieso Janas Essen, da wir gewissermaßen dienstlich hier sind. Grüß deine Leute von mir. Und viel Kraft, da wird noch einiges auf euch zukommen.“
„Heute Nachmittag gehen Susi und ich zu ‚Brot und Blüten’. Johannes hat die Unterlagen parat und will uns noch einiges erklären. Er ist unser Finanzminister! Tschüss und danke!“
Wir schauten der jungen Frau nach, die draußen am Fahrrad von dem Rastalockigen intensiv in die Arme genommen wurde.
„Nette junge Leute!“
„Wie lange sind sie schon verheiratet?“
„Hm – warte mal, ja, etwa so lange es den ‚Grünen Schwan’ gibt. Vielleicht sogar in Verbindung mit dessen Neugründung.“ Lilo wiegte nachdenklich ihren Kopf. „Glaubst du, dass die ihre Darlehensgeberin umgelegt haben, um die Rückzahlung zu vermeiden? Nein, das traue ich denen nun wirklich nicht zu. Außerdem ist Maggi doch schwanger.“
„Das sollte sie doch nicht von Mord und Totschlag abhalten, Lilo. Haben