Название | Elf Meter |
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Автор произведения | Ben Lyttleton |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730701850 |
2.Lege dir eine Misserfolgsstrategie zurecht.
Den schlechtesten Vortrag, den er je gehalten habe, erinnerte sich Jordet immer noch beschämt, war der an der Universitätsklinik Groningen zum Thema Leistung unter Druck. Er hatte eine Woche in der Klinik verbracht, um sich ein Bild von dem Druck zu machen, dem Chirurgen ausgesetzt sind. Er erfuhr, was passiert, wenn sie Fehler machen, und wie sie mit dem Scheitern umgehen und es bewältigen. Jordet wollte zeigen, was Chirurgen von Fußballern lernen könnten, aber als es so weit war, seine Erkenntnisse vorzutragen, wurde ihm klar, dass es genau umgekehrt war: Fußballer konnten vielmehr von Chirurgen lernen. Er hatte es vermasselt. Der Vortrag war ein Reinfall. Es kann jedem passieren, selbst den Experten.
Jordet lernte aus der Erfahrung und fand heraus, dass Fußballern nie erklärt wurde, wie sie mit Fehlern umgehen sollten. Das galt zumindest für diejenigen, mit denen er gearbeitet hatte. Als Beispiel führte er das Elfmeterschießen zwischen Schweden und Holland bei der EM 2004 an. Es gibt ein Bild von Mellberg, wie er nach seinem Fehlversuch zu seinen Teamkollegen geht. Sie stehen zu neunt an der Mittellinie, Arm in Arm, wie eine undurchdringliche gelbe Wand. Mellberg kommt näher, den Blick zu Boden gerichtet, sichtlich mitgenommen. Die Wand rührt sich nicht. Die Wand ist kein einladender Ort.
Jordets Anleitung zum „Fehlermanagement“, das er aus seiner Fallstudie in der Klinik ableitete, war einfach:
1.Akzeptiere deine Fehler.
2.Erfolg führt zu Selbstzufriedenheit.
3.Antizipiere kleine Fehler, bevor sie passieren.
„Es gab keinerlei spezielle Betreuung, keinen Plan für den Fall einer Niederlage, also stellte ich vor der U21-EM einen Plan auf“, sagte er. Jordet hatte festgestellt, dass die meisten Mannschaften sich während des Elfmeterschießens an oder hinter der Mittellinie aufhielten. Er riet den Holländern, sich vorne im Mittelkreis aufzustellen, Arm in Arm. Traf ein Mannschaftskollege, sollten sie ausgelassen jubeln, um das Selbstvertrauen innerhalb der Gruppe zu stärken. Noch wichtiger aber war die Anweisung, wie sie sich verhalten sollten, wenn ein Mitspieler vergab. Er riet den Spielern, dem Kollegen entgegenzugehen und ihn wieder in die Gruppe aufzunehmen. Laut Regeln haben sich die Mitspieler während des Elfmeterschießens im Mittelkreis aufzuhalten, und Jordet ermahnte sie, „den Schiedsrichter zu respektieren“, aber der entscheidende Punkt war, auf den Spieler zuzugehen, um ihn gleich wieder in die Gruppe zu integrieren. Das sollte nicht nur den Spieler, der verschossen hatte, trösten, sondern auch dem nächsten Schützen signalisieren, dass es für den Fall, dass auch er scheiterte, einen bestimmten Umgang miteinander gab. Dadurch sollte ihm etwas von seiner Nervosität genommen werden.
In der neunten Runde, als Kruiswijk die erste Chance für die Holländer, das Elfmeterschießen zu gewinnen, vergab, reagierten die Spieler verärgert, bevor ihnen schnell wieder Jordets Anweisung einfiel. Dann gingen sie dem Kollegen entgegen, um ihn wieder in die Gruppe aufzunehmen. Holland gewann letztlich das Turnier. Nach den Feierlichkeiten stellte Jordet einen Studenten ein, um mit jedem einzelnen Spieler über die Erfahrung zu sprechen. Er zeigte mir eine Auswahl ihrer Aussagen.
„In fast jedem Elfmeterschießen gibt es einen Fehlversuch.“
„Es ist ganz normal, hin und wieder einen Elfmeter zu verschießen.“
„Niemand vergibt absichtlich einen Elfmeter.“
Aber die hilfreichste Lektion, die Jordet ihnen erteilt hatte, da waren sich alle einig, war diese: „Wir hatten einen Plan für den Fall, dass einer scheitert.“ Ich bohrte weiter. Unabhängig davon, ob er bereits für sie tätig war oder nicht, was würde er tun, um die Probleme der Engländer zu lösen? „Ich würde das Gegenteil von dem tun, was derzeit getan wird“, antwortete er. „Wie jede Mannschaft versuchen sie, ihre Probleme zu verdrängen, statt sich ihnen zu stellen. Auch die Trainer gehen der Sache lieber aus dem Weg: Sie wollen nicht darüber reden, sie wollen nicht richtig trainieren und beschäftigen sich erst dann mit dem Thema oder messen ihm Bedeutung bei, wenn es akut wird. Ich würde den Spielern bewährte Strategien an die Hand geben, um ihre Erfolgsaussichten zu verbessern. Außerdem würde ich sie aufs Scheitern vorbereiten, so dass sie wissen, was zu tun ist, wenn ein Spieler verschießt. Sie müssen darauf achten, ihre Elfmeter nicht überhastet auszuführen. Und sie müssen den Unterschied begreifen zwischen Elfmeter trainieren und sich auf Elfmeter vorzubereiten.“
Er zeigte mir eine Aufnahme, die während einer Trainingseinheit der Engländer bei der WM 2006 entstand. Steven Gerrard führt einen Elfmeter aus, alle anderen Spieler stehen um den Strafraum herum und warten, dass sie an der Reihe sind. „Elfmeter zu trainieren, ist sinnlos, wenn es planlos geschieht“, kommentierte Jordet. „Das Bild sieht einfach falsch aus. Das ist kein Elfmeterschießen. Man schießt keine Elfmeter, während alle anderen um einen herumstehen. Etwas unter Bedingungen zu trainieren, die viel einfacher sind als im tatsächlichen Wettkampf, hat mit guter Vorbereitung nichts zu tun. Natürlich haben die Spieler beim Gang zum Elfmeterpunkt Bammel, wenn sie es nicht vorher im Training geübt haben.“
Vor der EM 2012 nahmen die englischen Spieler nach jedem Training an einem kleinen Elfmeterwettbewerb teil. Sechs Spieler gegen jeden der drei Torhüter, jeder drei Schüsse, und das nach jeder Einheit. Ihre Bilanzen wurden ausgewertet. Aber wurde so etwas wie Matchbedingungen simuliert? Wurde über die Lautsprecher Zuschauerlärm eingespielt, wie es die Tschechoslowaken 1976 taten? Mussten die Spieler vor dem Schuss von einem Elfmeterpunkt zum anderen gehen, so wie es Guus Hiddink bei der WM 2002 die südkoreanischen Spieler machen ließ, einen Tag, bevor sie die Spanier im Elfmeterschießen bezwangen?
Hatte Jordet recht? Mir leuchtete das alles ein, aber andererseits hatte ich in meinem Leben weder für England gespielt noch, abgesehen von meinem brisanten Duell gegen Packie Bonner, einen wichtigen Elfmeter geschossen. Also suchte ich nach Antworten bei dem Spieler, der die beste Elfmeterbilanz in den fünf größten europäischen Ligen aufwies: Rickie Lambert. Zum Zeitpunkt unserer Begegnung hatte der damalige Stürmer des FC Southampton seine letzten 33 Versuche vom Punkt erfolgreich verwandelt.
Lambert kennt sich mit Elfmetern also aus. Lebhaft erzählte er von Beispielen aus der Vergangenheit: wie Dida vom AC Milan den Schuss von John Arne Riise im Champions-League-Finale 2005 parierte oder wie Pepe Reina als erster Torwart überhaupt einen Elfmeter von Mario Balotelli vereitelte. Er erinnerte sich, wie er mit gerade einmal acht Jahren die Niederlage der Engländer gegen Deutschland bei der WM 1990 am Fernseher verfolgte, und gestand, dass er an der Pleite von 1996 lange zu knabbern hatte. Verständlicherweise wollte er das Geheimnis seiner erstaunlichen Elfmeterbilanz nicht preisgeben, war aber gespannt auf Jordets Erkenntnisse. Diese kommentierte er wie folgt:
1.Die Last der Geschichte: Je mehr Elfmeterschießen in der Vergangenheit verloren wurden, desto wahrscheinlicher ist es, einen Elfmeter zu verschießen.
„Ich werde die Zahlen nicht anfechten, aber für mich würde ich das ausschließen. Wenn man mit neuen Spielern in ein Turnier geht, sollte die Vergangenheit keine Rolle spielen. Ich kann verstehen, warum es manchen Spielern dennoch so geht, aber bei mir wäre das nicht der Fall.“
2.Abwendung vom Torhüter als Vermeidungsstrategie.
„Wenn ich den Ball zurechtgelegt habe, gehe ich rückwärts eine bestimmte Zahl von Schritten zu meinem Anlaufpunkt. Sich abzuwenden, ist durchaus ein Zeichen von Nervosität, würde ich sagen. Vielleicht möchte der Schütze den Blickkontakt mit dem Keeper vermeiden, falls der auf Psychospielchen aus ist. Das könnte ich durchaus nachvollziehen.“
3.Reaktionszeit nach der Freigabe durch den Schiedsrichter.
„Das ist definitiv eine Frage der Nerven. Das eine oder andere Mal war ich nervös vor einem Elfmeter und habe mich zu sehr beeilt. Ein bisschen aufgeregt ist man immer, es hängt vieles davon ab, wie selbstbewusst man zum jeweiligen Zeitpunkt ist. Ich gehe die Sache wie einen Freistoß aus elf Metern an, und als Profi sollte man in der Lage sein, aus dieser Distanz zehn von zehn Versuchen zu treffen. Wenn man den Ball also gut trifft, sollte alles okay sein. Sobald man anfängt, darüber nachzudenken, wohin der Torwart springen könnte