The Walking Dead: Taifun. Wesley Chu

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Название The Walking Dead: Taifun
Автор произведения Wesley Chu
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966580458



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Ränge irgendwie auffüllen müssen, deshalb hatte Wangfa eine zweite Chance bekommen und seinen Dienst wieder aufnehmen dürfen.

      Sie hatten die Schlucht fast verlassen und die Ebene erreicht, als der schmale Pfad endete. Den Rest des Weges mussten sie mit Seilen und Haken bewältigen, die Hengyen bei einem früheren Ausflug dort angebracht hatte. Er hörte das Murmeln der jiāngshī, die auf der anderen Seite der Felsformation vorbeizogen. Vor zwei Monaten hatte es auf dieser Seite der Schlucht so gut wie keine jiāngshī gegeben. Doch das hatte sich geändert. Hengyen kam als Erster oben an und zog Wangfa hoch. Auf dem Bauch krochen sie zum Rand der Felsformation und blickten ins Tal hinab. Wangfa keuchte, doch Hengyen brachte keinen Laut hervor, sondern atmete nur stumm durch zusammengebissene Zähne aus.

      Die jiāngshī drängten sich nicht nur auf der Ebene unter ihnen. Sie bedeckten das ganze Land bis zum Horizont. Es waren mehr, als Hengyen sich in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Und was noch schlimmer war, sie schlurften auf die Straße und die Brücke, die über die Schlucht führte, zu.

      »Das müssen Hunderttausende sein. Oder eine Million«, flüsterte er und ein Schaudern überkam ihn. Zum ersten Mal seit den Anfängen dieses Krieges gegen die jiāngshī krampfte Hoffnungslosigkeit seinen Magen und sein Herz zusammen.

      Gegen eine solch gewaltige Versammlung der Toten würde jede Streitmacht verlieren. Das Ende des Lichtblicks war gekommen.

      In den Monaten seit Kriegsausbruch hatte Hengyen so gut wie alles erlebt und getan. Er hatte oft vor schier unüberwindlichen Hürden und unvorstellbaren Entscheidungen gestanden. In den ersten Tagen der Epidemie hatte er es gewagt, einen Soldatentrupp aus Changsha zu retten. Dann hatte er einen Luftangriff befohlen, obwohl er wusste, dass sich noch Zivilisten in der Stadt aufhielten. Er hatte alle verletzten Soldaten in einem Militärkrankenhaus zum Tode verurteilt, weil die jiāngshī die Barrikaden durchbrochen und sie keine Zeit für eine Evakuierung gehabt hatten. Hengyen hatte nie gezweifelt oder gezögert. Nur die Revolution der Lebenden zählte. Er wusste, wofür er kämpfte.

      »Diese Straße führt zum Lichtblick«, sagte Wangfa leise. »Das sind so viele jiāngshī, sie werden alles, was ihnen im Weg steht, zerstören.«

      »Wir müssen sie irgendwie ablenken.«

      »Wie denn, Windmeister?«

      »Ich weiß es nicht, aber wir werden einen Weg finden. Der Lichtblick und die Revolution der Lebenden hängen davon ab.«

      Ein lauter, aus der Schlucht kommender Ruf erregte die Aufmerksamkeit der beiden Männer. Sie krochen zur anderen Seite der Felsformation und sahen, dass Linnang ihnen hektisch zuwinkte. Ein Blick in die Schlucht verriet ihnen, was los war. Über dreißig jiāngshī stolperten dort unten auf Hengyens Team zu. Wenn sie nicht sofort nach unten kletterten, würden sie hier oben in der Falle sitzen.

      Er nahm das Seil in beide Hände und schwang die Beine über die Felskante. »Wir müssen weg.«

      Hengyen seilte sich innerhalb von Sekunden zum Pfad ab, aber der Rest des Weges ließ sich nicht beschleunigen. Ruhig sah er zu, wie die Welle der Toten unter ihm durch die Schlucht rollte.

      Die ersten jiāngshī wurden problemlos erledigt, aber die ersten machten einem selten Probleme. Hengyen und Wangfa hatten erst die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als das Gros der Toten den Pfad erreichte. Stöhnend und um sich schnappend wie ein sich windender, aus unzähligen Gliedmaßen bestehender Dämon stolperten sie den Pfad hinauf. Stolz überkam Hengyen, als er sah, wie sein Windteam mit seinen primitiven Waffen gegen sie kämpfte. Seine Leute ließen ihn nicht im Stich.

      Er wollte unbedingt zu seinem Team zurückkehren, hatte es jedoch zu eilig und rutschte aus. Er fiel zur Seite und kopfüber dem Boden entgegen. Er konnte sich mit drei Fingern an der Felskante festhalten, doch dann verlor er den Halt und stürzte zwei Stockwerke tief hinab. Der Boden raste auf ihn zu und er spürte, wie etwas an einer Seite seines Körpers heftig knirschte. In seinen Ohren rauschte es dumpf und sein Bewusstsein setzte einen Moment wegen der Schmerzen aus. Die Welt stotterte, schien beinahe anzuhalten und beschleunigte dann, um die Realität einzuholen. Wangfa trat neben ihn und zog ihn hoch. Dann platzte das Rauschen wie ein Ballon und er wurde von einer wahren Kakophonie getroffen. Er gewann die Kontrolle über seine Sinne zurück und sah, dass um ihn herum ein Kampf tobte, durch den Wangfa ihn in Sicherheit zerren wollte. Hengyen schüttelte seinen Stellvertreter ab und übernahm das Kommando. »Die jiāngshī sind ungeschickt. Nutzt das Gelände. Lasst sie zu euch kommen.«

      Er bellte noch einige Befehle, um sein Team zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. Weizhen und Haihong mussten sich zurückziehen und der Rest des Teams rückte zusammen. Das unebene Gelände und die herumliegenden Felsbrocken und Abfälle behinderten die jiāngshī. Und es waren so viele, dass sie sich gegenseitig in die Quere kamen, als sie sich gierig auf die Menschen stürzen wollten und stattdessen zusammenprallten. Solange alle gelassen blieben und sich an ihre Befehle hielten, sollte es ihnen gelingen, die Gruppe nach und nach zu dezimieren. Die Hälfte der jiāngshī hatten sie bereits getötet.

      Aus dem Augenwinkel sah Hengyen, wie Linnang zurückfiel und seine Stellung verließ. Das neueste Teammitglied brüllte etwas Unzusammenhängendes, während sich die jiāngshī um ihn versammelten.

      »Ihr Leichen seid nichts! Nur Haut und Knochen.« Er schlug seine Axt in einen Schädel. »Das ist für meinen .« Er schlug nach einem anderen jiāngshī und riss seinen Kiefer auf. »Das ist für meinen . Das ist für meine Freundin und meinen Scooter. Und meine Universität. Zwei Tage vor dem dämlichen Ausbruch bin ich in Fudan angenommen worden. Ich habe sechs Monate für die Aufnahmeprüfung gelernt!« Er setzte seine lange Beschwerdeliste fort.

      »Linnang«, bellte Hengyen. »Reiß dich zusammen und zieh dich zurück.«

      Linnang war so sehr in seinem Blutrausch gefangen, dass er die ihn langsam umzingelnden jiāngshī gar nicht bemerkte. Er fuhr einfach mit seinen Beschwerden fort, während er weiter um sich schlug. Blut und Gedärme durchnässten sein Hemd und bedeckten seine Arme. Er schwang seine Axt, holte weit aus und grub sie einem jiāngshī so tief in den Bauch, dass der beinahe in zwei Hälften gespalten worden wäre. Als Linnang die Axt zurückziehen wollte, blieb die Klinge im Knochen stecken. Der Stiel rutschte ihm aus der Hand und er stolperte zurück. Er wollte erneut danach greifen.

      »Lass sie stecken!«, rief Hengyen, während er seine zwei Dolche in der Brust eines besonders fetten und widerstandsfähigen jiāngshī versenkte.

      Linnang erkannte endlich die Gefahr, in der er schwebte. Die jiāngshī wandten sich nun vom Rest des Teams ab und näherten sich dem Nachzügler. Er hätte immer noch fliehen und die zwei, drei jiāngshī, die ihm den Weg versperrten, zur Seite stoßen können. Stattdessen geriet er in Panik und zog seine Pistole.

      »Nein!«, schrie Hengyen. Er rannte auf den Jugendlichen zu, aber es war zu spät. Linnang feuerte die Pistole ein halbes Dutzend Mal ab und tötete mit jedem Schuss einen der jiāngshī, die ihn umzingelten. Die beiden Männer erstarrten, als der Lärm der Schüsse durch die Schlucht hallte. Hengyen suchte mit Blicken die Felskante über ihnen ab, während das Echo verklang. Nichts. Kein jiāngshī, noch nicht einmal eine Staubwolke. Anscheinend hatten sie Glück gehabt.

      Hengyen stürmte zu Linnang und riss ihm die Pistole aus der Hand. »Was habe ich über das Abfeuern deiner Waffe gesagt, vor allem, wenn eine ganze Armee von denen in der Nähe ist?«

      Linnangs Hände zitterten. Er kicherte nervös. »Es tut mir leid, Windmeister. Ich habe gesehen, dass ihr alle weiter vorn wart. Da bin ich in Panik geraten.«

      Hengyen atmete erleichtert durch und tippte ihm mit dem Finger auf die Stirn. »Benutz nächstes Mal deinen Kopf. Zum Glück ist dieses Mal alles gut gegangen, aber …« Er ließ den Satz unvollendet. Ein dumpfes Dröhnen hallte durch die Schlucht, in das sich Stöhnen und Zischen mischte. Die Geräusche wurden immer lauter.

      Aus dem Augenwinkel sah Hengyen, wie etwas von Himmel fiel. Er fuhr herum und sah gerade noch, wie nur wenige Meter von ihm entfernt ein Körper