Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Heute?» fragte Julius. – «Heute sind alle Landleute ausgeblieben, die sonst täglich von Regium hier durch nach Colum gehen. Auch ein Reiter, den ich auf Kundschaft nach Regium schickte, ist nicht zurückgekommen.» – «Beweist noch immer nichts», sprach Valerius eigensinnig. – Sein Herz sträube sich gegen den Gedanken einer Landung der Verhaßten solang als möglich – «oft schon hat die Brandung die Straße gesperrt.»
«Aber als ich selbst soeben auf der Straße nach Regium vorging und das Ohr auf die Erde legte, hörte ich die Erde zittern unter dem Hufschlag von vielen Rossen, die in rasender Eile nahen. Ihr müßt fliehn.»
Jetzt griffen Valerius und Julius zu den Waffen, die an den Pfeilern des Gemaches hingen, Valeria legte schwer atmend die Hand aufs Herz: «Was ist zu tun» fragte sie.
«Besetzt den Engpaß von Jugum», befahl Valerius, «in den die Straße längs der Küste verläuft: er ist schmal; er ist lange zu halten.» – «Er ist schon besetzt von acht meiner Goten, ich fliege hin, sobald ihr zu Pferde sitzt, die Hälfte meiner Schar deckt eure Reise: eilt.»
Aber ehe sie das Gemach verlassen konnten, stürzte ein gotischer Krieger, mit Schlamm und Blut bedeckt, herein: «Flieht», rief er, «sie sind da!» – «Wer ist da, Gelaris?» fragte Thorismuth. – «Die Griechen! Belisar, der Teufel!» – «Rede», befahl Thorismuth. – «Ich kam bis zum Pinienwald von Regium, ohne etwas Verdächtiges zu spüren, freilich auch ohne einer Seele auf der Straße zu begegnen. Als ich an einem dicken Baumstamm vorbeireite, eifrig vorwärts spähend, fühle ich einen Ruck am Halse, als risse mir ein Blitz den Kopf von den Schultern, und im Nu lag ich unter meinem Tier am Boden…»
«Schlecht gesessen, o Gelaris!» schalt Thorismuth. – «Jawohl, eine Roßhaarschlinge ums Genick und eine Bleikugel an den Kopf geschnellt, da fällt auch ein besserer Reitersmann als Gelaris, Genzos Sohn. Zwei Unholde – Waldschraten oder Alraunen acht’ ich sie ähnlich – setzten aus dem Busch über den Graben, banden mich auf mein Pferd, nahmen mich zwischen ihre kleinen, zottigen Gäule – und hui…»
«Das sind die Hunnen Belisars!» rief Valerius.
«Jagten sie mit mir davon. Als ich wieder ganz zu mir gekommen, war ich in Regium, mitten unter den Feinden, doch erfuhr ich denn alles. Die Regentin ist ermordet, der Krieg ist erklärt, die Feinde haben Sizilien überrascht, die ganze Insel ist zum Kaiser abgefallen – –»
«Und das feste Panormus?»
«Fiel durch die Flotte, die in den Hafen drang. Die Mastkörbe waren höher als die Mauern der Stadt: von den Masten schossen und sprangen sie herab.» – «Und Syrakusä?» fragte Valerius. «Fiel durch den Verrat der Sizilianer – die Goten der Besatzung sind ermordet: in Syrakusä ist Belisarius eingeritten unter einem Blumenregen, als scheidender Konsul des Jahres – denn es war am letzten Tage seines Konsulats – Goldmünzen streuend, unter Händeklatschen alles Volks.» – «Und wo ist der Seegraf? Wo ist Totila?» – «Zwei seiner Schiffe sind in den Grund gebohrt vom Schnabelstoße der Trieren. Sein Schiff und noch eins: er sprang ins Meer mit voller Rüstung – und ist – noch nicht – aufgefischt.»
Da sank Valeria schweigend auf das Lager.
«Der Griechenfeldherr», fuhr der Bote fort, «landete gestern in dunkler stürmischer Nacht bei Regium: die Stadt hat ihn mit Jubel aufgenommen; er ordnet nun sein Heer, dann soll’s im Fluge nach Neapolis gehen. Seine Vorhut, die gelbhäutigen Reiter, die mich eingebracht, mußten sogleich wieder umkehren und den Paß gewinnen. Ich sollte ihnen Führer dahin sein. Ich führte sie weit ab – nach Westen – in den Meeressumpf – und – entsprang ihnen im Dunkel – des Abends aber – sie schickten mir – Pfeile nach – und einer traf – ich kann nicht mehr.» – Und klirrend stürzte der Mann zu Boden.
«Er ist verloren!» sprach Valerius, «sie führen vergiftetes Geschoß! Auf, Julius und Thorismuth, ihr geleitet mein Kind auf der Straße gen Neapolis: ich gehe in den Paß und decke euch den Rücken.» Vergebens waren die Bitten Valerias: Gesicht und Haltung des Alten nahmen einen Ausdruck eisernen Entschlusses an. «Gehorcht!» befahl er der Widerstrebenden, «ich bin der Herr dieses Hauses, der Sohn dieses Landes, und ich will die Hunnen Belisars fragen, was sie zu tun haben in meinem Vaterland. Nein, Julius! Dich muß ich bei Valeria wissen – lebet wohl.»
Während Valeria mit ihrer gotischen Bedeckung und mit den meisten Sklaven spornstreichs auf der Straße nach Neapolis hinwegeilte, stürmte Valerius mit Schild und Schwert einem halben Dutzend Sklaven voran, zum Garten der Villa hinaus, nach dem Engpaß zu, der nicht weit vor dem Anfang seiner Besitzungen die Straße nach Regium überwölbte.
Der Felsenbogen zur Linken, im Norden, war unübersteiglich, und zur Rechten, nach Süden, fielen jene Wände senkrecht in das tiefe Meer, dessen Brandung oft die Straße überflutete. Die Mündung des Passes aber war so schmal, daß zwei nebeneinanderstehende Männer sie mit ihren Schilden wie eine Pforte schließen konnten: so durfte Valerius hoffen, den Paß auch gegen große Übermacht lang genug zu decken, um den raschen Pferden der Fliehenden hinlänglichen Vorsprung zu gewähren. Während der Alte den schmalen Pfad, der sich zwischen dem Meere und seinen Weinbergen nach dem Engpaß hinzog, durch die mondlose Nacht vorwärts eilte, bemerkte er zur Rechten, draußen, in ziemlicher Entfernung vom Land, im Meer den hellen Strahl eines kleinen Lichtes, das offenbar von dem Mast eines Schiffes niederleuchtete. Valerius erschrak: sollten die Byzantiner zur See gegen Neapolis vorrücken? Sollten sie Bewaffnete in seinem und des Engpasses Rücken ans Land werfen wollen? Aber würden sich dann nicht mehrere Lichter zeigen? Er wollte die Sklaven fragen, die auf seinen Befehl, aber schon mit sichtlichem Widerwillen, ihm aus der Villa gefolgt waren.
Umsonst: sie waren verschwunden in dem Dunkel der Nacht. Sie waren dem Herrn entwischt, sobald dieser ihrer nicht mehr achtete. So kam Valerius allein an dem Engpaß an, dessen hintere Mündung zwei der gotischen Wachen besetzt hielten, während zwei andere den östlichen, dem Feinde zugekehrten Eingang ausfüllten und die übrigen vier in dem innern Raum hielten. Kaum war Valerius dicht hinter die beiden vordersten Wächter getreten, als man plötzlich ganz nahes Pferdegetrappel vernahm: und alsbald bogen um die letzte Krümmung, welche die Straße vor dem Paß um eine Felsnase machte, zwei Reiter in vollem Trabe. Beide trugen Fackeln in der Rechten: es warfen nur diese Fackeln Licht auf die nächtliche Szene, denn die Goten vermieden alles, was ihre kleine Zahl verraten konnte. «Beim Barte Belisars!» schalt der vorderste Reiter, in Schritt übergehend, «hier wird der Katzensteg so schmal, daß kaum ein ehrlich Roß drauf Platz hat – und da kommt noch ein Hohlweg oder –, halt, was rührt sich da?» Und er hielt sein Pferd an und bog sich, die Fackel weit vor sich streckend, vorsichtig nach vorn, so bot er dicht vor dem Eingang, in dem Licht seiner Kienfackel ein bequemes Ziel.
«Wer ist da?» rief er seinem Begleiter nochmals zu.
Da fuhr ein gotischer Wurfspeer durch die breiten Panzerringe in seine Brust. «Feinde, weh!» schrie der Sterbende und stürzte rücklings aus dem Sattel. «Feinde, Feinde!» rief der Mann hinter ihm, schleuderte die verderbliche Fackel weit von sich ins Meer, warf sein Pferd herum und jagte zurück, während das Tier des Gefallenen ruhig stehenblieb bei der Leiche seines Herrn.
Nichts hörte man jetzt in der Stille der Nacht als den Hufschlag des enteilenden Rosses und, zur Rechten des Passes, den leisen Schlag der Wellen am Fuße der Felswand. Den Männern im Engpaß schlug das Herz in Erwartung. «Jetzt bleibt kalt, ihr Männer», mahnte Valerius, «lasse sich keiner aus dem Passe locken. Ihr in der ersten Reihe schließt die Schilde fest aneinander und streckt die Lanzen vor: wir in der Mitte werfen. Ihr drei im Rücken reicht uns die Speere und habt acht auf alles.»
«Herr», rief der Gote, der hinter dem Passe auf der Straße, stand, «das Licht! Das Schiff nähert sich immer mehr.»
«Habt acht und ruft es an, wenn –»
Aber