Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Da waren ernste Senatoren und Dekurionen, ergraut in dem Rat ihrer Städte, deren Häupter ihre Ahnen seit Jahrhunderten gewesen: kluge Kaufleute, breitschultrige Gutsherrn, rechthaberische Juristen, spöttische Rhetoren: und namentlich eine große Anzahl von Geistlichen jeden Ranges und jeden Alters: die einzige fest organisierte Macht und Silverius unbedingt gehorsam.
Wie Cethegus, noch hinter der Mündung des schmalen Ganges verborgen, die Massen in dem Halbrund der Grotte übersah, konnte er sich eines verächtlichen Lächelns nicht erwehren, das aber in einen Seufzer auslief Außer der allgemeinen Abneigung gegen die Barbaren, die doch bei weitem nicht stark genug war, schwere politische Pläne mit Opfern und Entsagungen zu tragen – welch verschiedene und oft welch kleine Motive hatten die Verschworenen hier zusammengeführt!
Cethegus kannte die Beweggründe der einzelnen genau: hatte er sie doch durch Bearbeitung ihrer schwächsten Seiten beherrschen gelernt. Und er mußte zuletzt noch froh darum sein: echte Römer hätte er nie, wie diese Verschworenen, so völlig unter seinen Einfluß gebracht.
Aber wenn er sie nun hier alle beisammen sah, diese Patrioten, und bedachte, wie den einen die Hoffnung auf einen Titel von Byzanz, den andern plumpe Bestechung, einen dritten Rachsucht wegen irgendeiner Beleidigung oder auch nur die Langeweile oder Schulden oder ein schlechter Streich unter die Unzufriedenen geführt: und wenn er sich nun vorstellte, daß er mit solchen Bundesgenossen den gotischen Heermännern entgegentreten sollte – da erschrak er fast über die Vermessenheit seines Planes.
Und eine Erquickung war es ihm, als die helle Stimme des Lucius Licinius seinen Blick auf die Schar der jungen «Ritter» lenkte, denen wirklich kriegerischer Mut und nationale Begeisterung aus den Augen sprühte: so hatte er doch einige zuverlässige Waffen. –
«Gegrüßt, Lucius Licinius», sprach er, aus dem Dunkel des Ganges hervortretend. «Ei, du bist ja gerüstet und gewaffnet, als ging es von hier gegen die Barbaren.»
«Kaum bezwing’ ich das Herz in der Brust vor Haß und vor Freude», sagte der schöne Jüngling. «Sieh, alle diese hier hab’ ich für dich, für das Vaterland geworben.»
Cethegus blickte grüßend umher:
«Auch du hier, Kallistratos – du heitrer Sohn des Friedens?»
«Hellas wird ihre Schwester Italia nicht verlassen in der Stunde der Gefahr», sagte der Hellene und legte die weiße Hand auf das zierliche Schwert mit dem Griff von Elfenbein. Und Cethegus nickte ihm zu und wandte sich zu den andern: Marcus Licinius, Piso, Massurius, Balbus, die seit den Floralien ganz von dem Präfekten gewonnen, ihre Brüder, Vettern, Freunde mitgebracht hatten. Prüfend flog sein Blick über die Gruppe, er schien einen aus diesem Kreise zu vermissen. Lucius Licinius erriet seine Gedanken: «Du suchst den schwarzen Korsen, Furius Ahalla?
Auf den kannst du nicht zählen. Ich holte ihn von weitem aus, aber er sprach: ‹Ich bin ein Korse, kein Italier: mein Handel blüht unter gotischem Schutz: laßt mich aus eurem Spiel.› Und als ich weiter in ihn drang – denn ich gewönne gern sein kühnes Herz und die vielen Tausende von Armen, über die er gebeut – sprach er kurz abweisend: ‹Ich fechte nicht gegen Totila.›»
«Die Götter mögen wissen, was den tigerwilden Korsen an jenen Milchbart bindet», meinte Piso.
Cethegus lächelte, aber er furchte die Stirn. «Ich denke, wir Römer genügen», sprach er laut, und das Herz der Jünglinge schlug.
«Eröffne die Versammlung», mahnte Scävola unwillig den Archidiakon, «du siehst, wie er die jungen Leute beschwatzt; er wird sie alle gewinnen. Unterbrich ihn: rede.»
«Sogleich. Bist du gewiß, daß Albinius kommt?»
«Er kommt; er erwartet den Boten am appischen Tor.»
«Wohlan», sagte der Priester. «Gott mit uns!» Und er trat in die Mitte der Rotunde, erhob ein schwarzes Kreuz und begann: «Im Namen des dreieinigen Gottes! Wieder einmal haben wir uns versammelt im Grauen der Nacht zu den Werken des Lichts. Vielleicht zum letztenmal: denn wunderbar hat der Sohn Gottes, dem die Ketzer die Ehre weigern, unsere Mühen zu seiner Verherrlichung, zur Vernichtung seiner Feinde gesegnet. Nächst Gott dem Herrn aber gebührt der höchste Dank dem edeln Kaiser Justinian und seiner frommen Gemahlin, die mit tätigem Mitleid die Seufzer der leidenden Kirche vernehmen: und endlich hier unsrem Freund und Führer, dem Präfekten, der unablässig für unseres Herrn, des Kaisers Sache wirkt…» –
«Halt, Priester!» rief Lucius Licinius dazwischen, «ihr nennt den Kaiser von Byzanz hier unsern Herrn? Wir wollen nicht den Griechen dienen statt den Goten! Frei wollen wir sein!» – «Frei wollen wir sein», wiederholte der Chor seiner Freunde.
«Frei wollen wir werden!» fuhr Silverius fort. «Gewiß. Aber das können wir nicht aus eigner Macht, nur mit des Kaisers Hilfe. Glaubt auch nicht, geliebte Jünglinge, der Mann, den ihr als euren Vorkämpfer verehrt, Cethegus, denke hierin anders. Justinian hat ihm einen köstlichen Ring – sein Bild in Karneol – gesendet, zum Zeichen, daß er billige, was der Präfekt für ihn, den Kaiser, tue, und der Präfekt hat den Ring angenommen: sehet hier, er trägt ihn am Finger.»
Betroffen und unwillig sahen die Jünglinge auf Cethegus. Dieser trat schweigend in die Mitte. Eine peinliche Pause entstand.
«Sprich, Feldherr!» rief Lucius, «widerlege sie! Es ist nicht, wie sie sagen mit dem Ring.»
Aber Cethegus zog den Ring kopfnickend ab: «Es ist, wie sie sagen: der Ring ist vom Kaiser, und ich hab’ ihn angenommen.»
Lucius Licinius trat einen Schritt zurück.
«Zum Zeichen?» fragte Silverius.
«Zum Zeichen», sprach Cethegus mit drohender Stimme, «daß ich der herrschsüchtige Selbstling nicht bin, für den mich einige halten, zum Zeichen, daß ich Italien mehr liebe als meinen Ehrgeiz. Ja, ich baute auf Byzanz und wollte dem mächtigen Kaiser die Führerstelle abtreten – darum nahm ich diesen Ring. Ich baue nicht mehr auf Byzanz, das ewig zögert: deshalb hab’ ich diesen Ring heute mitgebracht, ihn dem Kaiser zurückzustellen. Du, Silverius, hast dich als Vertreter von Byzanz erwiesen: hier, gib deinem Herrn sein Pfand zurück: er säumt zu lang; sag’ ihm, Italien hilft sich selbst.»
«Italien hilft sich selbst!» jubelten die jungen Ritter.
«Bedenket, was ihr tut!» warnte mit verhaltnem Zorn der Priester. «Den heißen Mut der Jünglinge begreif’ ich – aber daß meines Freundes, des gereiften Mannes Hand nach dem Unerreichbaren greift – befremdet mich. Bedenket die Zahl und die wilde Kraft der Barbaren! Bedenket, wie die Männer Italiens seit langem des Schwertes entwöhnt, wie alle Zwingburgen des Landes in der Hand…» –
«Schweig, Priester», donnerte Cethegus, «das verstehst du nicht! Wo es die Psalmen zu erklären gilt und die Seele nach dem Himmelreich zu lenken, da rede du: denn solches ist dein Amt; wo’s aber Krieg und Kampf der Männer gilt, laß jene reden, die den Krieg verstehen. Wir lassen dir den ganzen Himmel – laß uns nur die Erde. Ihr römischen Jünglinge, ihr habt die Wahl. Wollt ihr abwarten, bis dieses wohlbedächtige Byzanz sich doch vielleicht Italiens noch erbarmt? Ihr könnt müde Greise werden bis dahin – oder wollt ihr, nach alter Römer Art, die Freiheit