Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Siebentes Kapitel
Wenige Tage nach diesen Ereignissen finden wir zu Ravenna in dem Gemach des Gesandten von Byzanz eine Anzahl von vornehmen Römern geistlichen und weltlichen Standes versammelt: auch die Bischöfe Hypatius und Demetrius aus dem Ostreich weilten bei ihm.
Große Aufregung, aus Zorn und Furcht gemischt, sprach aus allen Gesichtern, als der gewandte Rhetor seine Ansprache mit folgenden Worten schloß: «Deshalb, ihr ehrwürdigen Bischöfe des Westreichs und des Ostreichs und ihr edeln Römer, hab’ ich euch hierher beschieden. Laut und feierlich lege ich vor euch im Namen meines Kaiser Verwahrung ein gegen alle Taten der Arglist und Gewalt, die im geheimen gegen die hohe Frau verübt werden mögen.
Seit neun Tagen ist sie verschwunden aus Ravenna: wohl mit Gewalt hinweggeführt aus eurer Mitte: sie, die von jeher die Freundin, die Beschützerin der Italier gewesen. Verschwunden ist am gleichen Tage die Königin, ihre grimmige Feindin. Ich habe Eilboten ausgesandt, nach allen Richtungen, noch bin ich ohne Nachricht; aber wehe, wenn…»
Er konnte nicht vollenden.
Dumpfes Geräusch scholl von dem Forum des Herkules herauf, bald hörte man hastige Schritte im Vestibulum, der Vorhang ward zurückgeschlagen, und ins Gemach eilte staubbedeckt einer der byzantischen Sklaven des Gesandten: «Herr», rief er, «sie ist tot! Sie ist ermordet!»
«Ermordet!» scholl es in der Runde.
«Durch wen?» fragte Petros.
«Von Gothelindis auf der Villa im Bolsener See.»
«Wo ist die Leiche? Wo ist die Mörderin?»
«Gothelindis gibt vor, die Fürstin sei im Bad ertrunken, unkundig mit den Wasserkünsten spielend. Aber man weiß, daß sie ihrem Opfer von hier auf dem Fuße nachgefolgt. Römer und Goten eilen zu Hunderten nach der Villa, die Leiche in feierlichem Zuge hierher zu geleiten. Die Königin floh vor der Rache des Volks in das feste Schloß von Feretri.»
«Genug», rief Petros entrüstet, «ich eile zum König und fordre euch auf, ihr edeln Männer, mir zu folgen. Auf euer Zeugnis will ich mich berufen vor Kaiser Justinian.» Und sofort eilte er an der Spitze der Versammelten nach dem Palast.
Sie fanden auf den Straßen eine Menge Volks in Bestürzung und Entrüstung hin und her wogend: die Nachricht war in die Stadt gedrungen und flog von Haus zu Haus.
Als man den Gesandten des Kaisers und die Vornehmen der Stadt erkannte, öffnete sich die Menge vor ihnen, schloß sich aber dicht hinter ihnen wieder und flutete nach auf dem Wege in den Palast, von dessen Toren sie kaum abgehalten wurde. Von Minute zu Minute stieg die Zahl und der Lärm des Volkes: auf dem Forum des Honorius drängten sich die Ravennaten zusammen, die mit der Trauer um ihre Beschützerin schon die Hoffnung vereinten, bei diesem Anlaß die Barbarenherrschaft fallen zu sehen: das Erscheinen des kaiserlichen Gesandten steigerte diese Hoffnung, und der Auflauf vor dem Palast nahm mehr und mehr eine Richtung, die keineswegs bloß Theodahad und Gothelindis bedrohte.
Inzwischen eilte Petros mit seiner Begleitung in das Gemach des hilflosen Königs, den mit seiner Gattin alle Kraft des Widerstandes verlassen hatte: er verzagte vor der Aufregung der unten wogenden Menge und hatte nach Petros gesendet, von ihm Rat und Hilfe zu erlangen, da ja dieser es gewesen, der mit Gothelindis den Untergang der Fürstin beschlossen und die Art der Ausführung beraten hatte. Er sollte ihm jetzt auch die Folgen der Tat tragen helfen. Als daher der Byzantiner auf der Schwelle erschien, eilte er, beide Arme ausbreitend, auf ihn zu; aber erstaunt blieb er plötzlich stehen, erstaunt über die Begleitung, noch mehr erstaunt über die finster drohende Miene des Gesandten.
«Ich fordre Rechenschaft von dir, König der Goten», rief dieser schon an der Türe, «Rechenschaft im Namen von Byzanz für die Tochter Theoderichs. Du weißt, Kaiser Justinian hat sie seines besondern Schutzes versichert: jedes Haar ihres Hauptes ist daher heilig und heilig jeder Tropfen ihres Blutes. Wo ist Amalaswintha?»
Der König sah ihn staunend an. Er bewunderte diese Verstellungskunst. Aber er begriff ihren Zweck nicht. Er schwieg.
«Wo ist Amalaswintha?» wiederholte Petros, drohend vortretend, und sein Anhang folgte ihm einen Schritt.
«Sie ist tot», sagte Theodahad, ängstlich werdend.
«Ermordet ist sie», rief Petros, «so ruft ganz Italien, ermordet von dir und deinem Weibe. Justinian, mein hoher Kaiser, war der Schirmherr dieser Frau, er wird ihr Rächer sein: Krieg künd’ ich dir in seinem Namen an, Krieg gegen euch, ihr blutigen Barbaren, Krieg gegen euch und euer ganz Geschlecht.»
«Krieg gegen euch und euer ganz Geschlecht!» wiederholten die Italier, fortgerissen von der Gewalt des Augenblicks und den alten, langgenährten Haß entzügelnd, und wie eine Woge brausten sie heran auf den zitternden König.
«Petros», stammelte dieser entsetzt, «du wirst gedenken des Vertrages, du wirst doch…»
Aber der Gesandte zog eine Papyrusrolle aus dem Mantel und riß sie mitten durch. «Zerrissen ist jedes Band zwischen meinem Kaiser und deinem blutbefleckten Haus. Ihr selber habt durch eure Greueltat alle Schonung verwirkt, die man euch früher gewährt. Nichts von Verträgen. Krieg!»
«Um Gott», jammerte Theodahad, «nur nicht Krieg und Kampf! Was forderst du, Petros?»
«Unterwerfung! Räumung Italiens! Dich selber und Gothelindis lad’ ich zum Gericht nach Byzanz vor den Thron Justinians, dort… –»
Aber seine Rede unterbrach der schmetternde Ruf des gotischen Kriegshorns, und in das Gemach eilte mit gezogenen Schwertern einen starke Schar gotischer Krieger, von Graf Witichis geführt.
Die gotischen Führer hatten sofort auf die Nachricht von Amalaswinthens Untergang die tüchtigsten Männer ihres Volks in Ravenna zu einer Beratung vor die Porta romana beschieden und dort Maßregeln der Sicherung und der Gerechtigkeit beraten.
Zur rechten Zeit erschienen sie jetzt auf dem Forum des Honorius, wo der Auflauf immer drohender wurde: schon blinkte hier und dort ein Dolch, schon ertönte manchmal der Ruf: «Wehe den Barbaren!»
Diese Zeichen und Stimmen verschwanden und verstummten sofort, als nun die verhaßten Goten in geschlossenem Zug von dem Forum des Herkules her durch die Via palatina anrückten: ohne Widerstand zogen sie quer durch die grollenden Haufen, und indessen Graf Teja und Hildebad die Tore und die Terrasse des Palastes besetzten, waren Graf Witichis und Hildebrand gerade rechtzeitig im Gemache des Königs angelangt, die letzten Worte des Gesandten noch zu hören. Ihr Zug stellte sich in einer Schwenkung rechts vom Thronsitz des Königs, zu dem dieser zurückgewichen war: und Witichis auf sein langes Schwert gestützt, trat hart vor den Griechen hin und sah ihm scharf ins Auge.
Eine erwartungsvolle Pause trat ein.
«Wer wagt es», fragte Witichis ruhig, «hier den Herrn und Meister zu spielen im Königshaus der Goten?»
Von seiner Überraschung sich erholend entgegnete Petros: «Es steht dir übel an, Graf Witichis, Mörder zu beschützen. Ich hab’ ihn nach Byzanz geladen vor Gericht.»
«Und darauf hast du keine Antwort, Amalunge?» rief der alte Hildebrand zornig.
Aber das böse Gewissen band dem König die Stimme.
«So müssen wir statt seiner sprechen», sagte Witichis. «Wisse, Grieche, vernehmt es wohl, ihr falschen und undankbaren Ravennaten: das Volk der Goten ist frei und erkennt auf Erden keinen Herrn und Richter über sich.»
«Auch nicht für Mord und Blutschuld?»
«Wenn schwere Taten unter uns geschehen, richten und strafen wir sie selbst. Den Fremdling geht das nichts an, am wenigsten unsern Feind, den Kaiser in Byzanz.»
«Mein Kaiser wird diese Frau rächen, die er nicht retten