Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Da hat er recht gesagt», sprach die Kleine, «was brauchst du da rot zu werden? Ist’s doch so! Nun aber weiter! Was tatest du?»
«Ich schlich auf mein Lager und weinte, weinte Tränen der Trauer, der Wonne, der Liebe, alles durcheinander. In jener Nacht stieg eine Welt, ein Himmel in mir auf: er war mir gut, das fühlte ich, und er nannte mich schön. Ja, jetzt wußte ich es: ich war schön, und ich war selig darüber. Ich wollte schön sein: für ihn! O wie glücklich war ich! Seine Begegnung brachte Glanz in mein Dunkel, Segen in mein Leben. Ich wußte jetzt, man konnte mir gut sein, man konnte mich lieben! Sorglich pflegte ich des Leibes, den er gelobt. Die süße Macht in meinem Herzen breitete eine milde Wärme über mein ganzes Wesen: ich ward weicher und inniger, und selbst der Mutter strenger Sinn ward jetzt liebevoller gegen mich, seit ich nur sanfte Liebe ihrer Härte entgegengab. Und täglich wurden alle Herzen gütiger gegen mich, wie ich weicher gegen alle.
Und all das dankte ich ihm. Er hatte mir die Flucht in Schmach und Elend erspart und mir eine ganze Welt von Liebe gewonnen. Seitdem lebte ich nur für ihn.» Und sie hielt inne und legte die Linke auf die wogende Brust.
«Aber, Herrin, wann hast du ihn wiedergesehen? Gesprochen? Lebt deine Liebe von so karger Kost?»
«Gesprochen nie mehr, gesehen nur einmal noch: am Todestage Theoderichs befehligte er die Palastwache, da sagte Athalarich seinen Namen, denn nie hätte ich gewagt, nach ihm zu forschen, aus Furcht, meine Flucht, ach, mein Geheimnis zu verraten. Er war nicht am Hof: und wann er dort erscheinen mochte, war ich auf den Villen.»
«So weißt du weiter gar nichts von ihm, von seinem Leben, von seiner Vergangenheit.»
«Wie hätt’ ich forschen können! Glühende Scham hätte mich verraten! Lieb’ ist des Schweigens Tochter und der Sehnsucht. Aber von seiner, von unsrer Zukunft weiß ich.»
«Von eurer Zukunft?» lächelte Aspa.
«An den Hof kam alle Sonnenwende die alte Radrun und erhielt von König Theoderich fremde Kräuter und Wurzeln, die er ihr aus Asien bringen ließ und vom Nil. Das hatte sie sich ausbedungen zum einzigen Lohn dafür, daß sie ihm als Knaben sein ganzes Schicksal geweissagt hatte, und war alles eingetroffen aufs Haar. Sie braute Salben und mischte Tränke: ‹das Waldweib› nannte man sie laut, aber leise: ‹die Wala, das Zauberweib.› Und wir alle am Hof wußten – außer den Priestern, die hätten es gewehrt –, daß jede Sommersonnenwende, wann sie kam, der König sich das Jahr vorhersagen ließ. Und kam sie von ihm heraus, so riefen sie, das wußte ich, meine Mutter und Theodahad und Gothelindis und fragten aus, und nie blieb noch aus, was sie verkündet.
Da, in der nächsten Sonnenwende, faßte auch ich mir ein Herz, lauerte der Alten auf und lockte sie, wie ich sie allein fand, in mein Gemach und bot ihr Gold und lichte Steine, wenn sie mir weissagen wollte.
Aber sie lachte und zog ein Fläschchen von Bernstein hervor und sprach: ‹Nicht um Gold! Aber um Blut! Um mächtig Blut einem reinen Königskind.›
Und sie ritzte mir eine Ader im linken Arm und fing den Strahl in ihrem Bernstein. Dann sah sie forschend in meine beiden Hände und sang endlich tonlos: ‹Den du hältst im Herzen hoch, der gibt dir größten Glanz und größtes Glück, schafft dir allerschärfsten Schmerz, wird dein Gemahl, dein Gatte nicht.› Und damit war sie hinaus.»
«Das ist wenig tröstlich, – soviel ich’s fasse.»
«Du kennst der Alten Sprüche nicht: sie sind alle so dämmmer-dunkel. Sie fügt jeder Verheißung eine Drohung bei, für alle Fälle. Ich aber halte mich an das Helle, nicht an das Dunkle. Weissagung erfüllt sich, wie man sie faßt. Ich weiß: er wird mein und bringt mir Glanz und Glück, den Schmerz daneben will ich tragen: Schmerz um ihn ist Wonne.»
«Ich bewundre dich, Herrin, und deinen Glauben. Und auf den Spruch der Hexe hin hast du ausgeschlagen all die Könige und Fürsten, vom Vandalen-und Westgoten-, Franken-und Burgunderland, die um dich freiten? Selbst Germanus, den edeln, den kaiserlichen Prinzen von Byzanz, und harrst auf ihn?»
«Und harr’ auf ihn! Aber nicht des Spruches allein wegen. In meinem Herzen lebt ein Vögelein, das singt mir alle Tage: ‹er wird dein, er muß dein werden›. Ich weiß es sternengewiß», schloß sie das Auge zum Himmel aufschlagend und in die frühere Träumerei versinkend.
Rasche Schritte tönten von der Villa her. «Ah», rief Aspa, «dein schmucker Freier! Armer Arahad, du verlierst deine Mühe!»
«Ich will dem Spiel ein Ende machen heut’!» sprach Mataswintha, sich erhebend, und auf ihrer Stirn, in ihren Augen lag jetzt eine zornige Strenge, die das Blut der Amaler in ihren Adern bekundete. Es lebte eine seltsame Mischung von lodernder Leidenschaft und hinschmelzender Weichheit in dem Mädchen. Aspa staunte oft über das verhaltne Feuer in ihrer Herrin. «Du bist wie die Götterberge in meiner Heimat», sagte sie: «Schnee auf dem Gipfel: Rosen um den Gürtel: aber im Innern versengendes Feuer, das oft über Schnee und Rosen strömt.»
Indes bog Graf Arahad aus dem buschigen Wege und neigte sich vor dem schönen Weibe mit einem Erröten, das ihm wohl anstand. «Ich komme», sagte er, «Königin…»,
Aber herb unterbrach sie ihn. «Hoffentlich, Graf von Asta, kommst du, endlich diesem schnöden Spiel von Gewalt und Lüge ein Ende zu machen.
Nicht länger will ich’s tragen. Dein kecker Bruder überfällt mich plötzlich, die wehrlose, in die Trauer um ihre Mutter versunkene Waise, in meinen Gemächern, nennt mich in einem Atem seine Königin und seine Gefangene und hält mich wochenlang in unwürdiger Haft. Er bringt mir den Purpur und nimmt mir die Freiheit. Darauf kommst du und verfolgst mich mit deiner eiteln Werbung, die dich nie zum Ziele führt. Ich habe dich verschmäht in der Freiheit: glaubst du, gefangen, in deiner Zwanggewalt, wird dich, du Tor, das Kind der Amaler erhören? Du schwörst, du liebest mich? Wohlan, so achte mich. Ehre meinen Willen, laß mich frei. Oder zittre, wenn mein Befreier naht.» Und drohend trat sie auf den Bestürzten zu, der keine Worte finden konnte.
Da eilte heftigen Schrittes Herzog Guntharis herbei, mit funkelnden Augen.
«Auf, Arahad», rief er, «komm zu Ende. Wir müssen fort, sogleich. Er naht, er dringt mit Macht heran.» – «Wer?» fragte Arahad hastig. – «Er sagt, er kommt sie zu befreien. Er hat gesiegt, der Bauernkönig, und unsre Vorposten geschlagen bei Castrum Sivium.»
«Wer?» fragte jetzt Mataswintha eifrig.
«Nun», antwortete Guntharis zornig, «jetzt magst du’s erfahren: es ist doch nicht mehr zu bergen: Graf Witichis von Fäsulä.»
«Witichis!» hauchte Mataswintha mit leuchtenden Augen und hochaufatmend.
«Ja! Ihn haben die Rebellen von Regeta, das Recht des Adels vergessend, zum König der Goten erhoben.»
«Er! Er mein König!» sprach Mataswintha wie im Traume.
«Ich hätte dir’s gesagt, schon da ich dich als Königin begrüßte; aber in deinem Gemach stand seine Marmorbüste, bekränzt. Das war mir verdächtig. Später sah ich’s: es war ein Zufall, es ist ein Areskopf.»
Mataswintha schwieg und suchte die glühende Röte zu verbergen, die ihr Antlitz überflog.
«Nun», rief Arahad, «was ist zu tun?»
«Wir müssen fort. Wir müssen ihm zuvorkommen in Ravenna. Florentia, die Feste, hält ihn eine Weile auf, indessen gewinnen wir Ravenna, und wenn du Beilager gehalten in der Burg Theoderichs mit dessen Enkelin, ist alles Volk der Goten unser. Auf, Königin! Ich lasse deinen Wagen schirren: in einer Stunde gehst du nach Ravenna in der Mitte unsrer Scharen.» Und die Brüder eilten hinweg.
Blitzenden Auges sah ihnen Mataswintha nach:
«Ja, führt mich fort, gefangen und gebunden; wie der Adler aus der Höhe wird mein König auf euch niederstoßen und mich retten aus eurer Gewalt. Komm, Aspa, der Befreier naht.»
Zehntes Kapitel