Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Endlich war der zierliche Kranz vollendet: mit lachenden Augen drückte sie ihn auf das prachtvolle feuerfarbne Haar der Herrin und bog sich um ihre Schulter, deren Blick zu suchen. Aber diese hatte gar nicht gemerkt, wie die Blumen ihr Haupt berührten. Da ward die Kleine unwillig und rief mit schmollend aufgeworfenen Lippen: «Aber Herrin, bei den Palmenwipfeln des Auras, was denkest du wieder? Bei wem bist du?»
Mataswintha schlug die leuchtenden Augen auf: «Bei ihm!» flüsterte sie. «Weiße Göttin, das trag’ ich nicht mehr!» rief die Kleine aufspringend, «es ist zu arg, die Eifersucht bringt mich um! Nicht mich, deine Gazelle nur, auch die eigne Schönheit vergißt du – über dem unsichtbaren Mann. Schau’ doch nur einmal in die Wellen und sieh, wie reizend dein Haar von den dunkeln Veilchen und weißen Anemonen sich hebt.»
«Dein Kranz ist schön!» sagte Mataswintha, ihn herunterlangend und dann leicht in die Wellen werfend, «welch süße Blumen! Grüßt ihn von mir.»
«Ach, meine armen Blumen!» rief die Sklavin, ihnen nachblickend; aber sie wagte nicht, weiter zu schelten. «Sag’ mir nur», rief sie, sich wieder niederlassend, «wie all dies enden soll? Da sind wir jetzt schon viele Tage, wir wissen nicht recht, Königin oder Gefangene? Jedenfalls in fremder Gewalt, haben den Fuß nicht aus deinem Gemach oder diesem hochummauerten Garten gesetzt und wissen nichts von der ganzen Welt. Du aber bist immer still und selig, als müßte das alles so sein.»
«Es muß auch alles so sein.»
«So? und wie wird es enden?»
«Er wird kommen und wird mich befreien.»
«Nun, Weißlilie! Du hast einen starken Glauben. Wären wir daheim im Mauretanierland, und sähe ich dich nachts zu den Sternen blicken, so sagte ich wohl: du habest das alles in den Sternen gelesen. Aber so! Ich begreife das nicht» – und sie schüttelte die schwarzen Locken – «Ich werde dich nie begreifen.»
«Doch, Aspa, du wirst und sollst», sprach Mataswintha sich aufraffend und zärtlich den weißen Arm um den braunen Nacken schlingend, «deine treue Liebe verdient längst diesen Lohn, den besten, den ich zu spenden habe.»
In der Sklavin dunkles Auge trat eine Träne. «Lohn?» sprach sie. «Aspa ward geraubt von wilden Männern mit roten, fliegenden Locken. Aspa ist eine Sklavin. Alle haben sie gescholten, viele geschlagen. Du hast mich gekauft, wie man eine Blume kauft. Und du streichelst mir Wange und Haar. Und bist so schön wie die Göttin der Sonne und sprichst von Lohn?» Und sie schmiegte das Köpfchen an der Herrin Busen.
«Du bist meine Gazelle!» sagte diese, «und hast ein Herz wie Gold. Du sollst alles wissen, was niemand weiß, außer mir. Höre also: Ich hatte eine Kindheit ohne Freude, ohne Liebe, und doch verlangte meine junge Seele nach Weichheit, nach Liebe. Meine arme Mutter hatte einen Knaben, einen Thronerben heiß gewünscht und sicher erwartet, und mit Widerwillen, mit Kälte und Härte behandelte sie das Mädchen. Als Athalarich geboren war, nahm die Härte ab, aber die Kälte nahm zu, dem Erben der Krone allein ward alle Liebe und Sorge. Ich hätte es nicht empfunden, hätte ich nicht in meinem weichen Vater den Gegensatz gesehen. Ich fühlte, wie auch er litt unter der kalten Härte seiner Gattin, und oft drückte mich der kranke Mann mit Seufzen, mit Tränen an die Brust.
Und als er gestorben und begraben war, da war mir alle Liebe in der Welt erstorben. Wenig sah ich Athalarich, der von andern Lehrern und im andern Teil des Palastes erzogen ward, weniger noch die Mutter, fast nur, wenn sie mich zu strafen hatte. Und doch liebte ich sie so sehr, und doch sah ich, wie meine Wärterinnen und Lehrerinnen ihre eignen Kinder liebten, herzten und küßten: und nach gleicher Wärme verlangte mit aller Macht mein Herz.
So wuchs ich heran, wie eine bleiche Blume ohne Sonnenlicht!
Da war denn mein liebster Ort in der Welt das Grab meines Vaters Eutharich im stillen Königsgarten zu Ravenna. Da suchte ich bei dem Toten die Liebe, die ich bei den Lebenden nicht fand, und sowie ich meinen Wärtern entrinnen konnte, eilte ich dorthin, zu sehnen und zu weinen. Und dies Sehnen wuchs, je älter ich ward: in Gegenwart der Mutter mußte ich all meine Gefühle zusammenpressen, sie verachtete es, wenn ich sie zeigte.
Und wie ich vom Kind zum Mädchen heranwuchs, merkte ich wohl, daß die Augen der Menschen oft wie bewundernd auf mir ruhten. Aber ich dachte, sie bedauerten mich, und das tat mir weh. Und öfter und öfter flüchtete ich zum Grabe des Vaters, bis es der Mutter gemeldet ward, und ich ward verklagt, daß ich dort weinte und ganz verstört zurückkäme.
Zornig verbot mir die Mutter, ohne sie das Grab wieder zu besuchen, und sprach von verächtlicher Schwäche.
Aber dawider empörte sich mein Herz, und ich besuchte das Grab trotz dem Verbot. Da überraschte sie mich einst daselbst, und schlug mich, und ich war doch kein Kind mehr, und führte mich in den Palast zurück, und schalt mich schwer. Sie drohte, mich zu verstoßen für immer, und fragte im Scheiden zürnend den Himmel, warum er sie mit einem solchen Kinde gestraft.
Das war zuviel.
Namenlos elend beschloß ich, dieser Mutter zu entrinnen, der ich zur Strafe leben sollte, und davonzugehen, wo mich niemand kennte: ich wußte nicht wohin, am liebsten in das Grab zu meinem Vater.
Als es Abend geworden, stahl ich mich aus dem Palast, ich eilte nochmals an das geliebte Grab zu langem, tränenreichen Abschied. Schon gingen die Sterne auf, da huschte ich aus dem Garten, aus dem Palast und eilte durch die dunkeln Straßen der Stadt an das faventinische Tor. Glücklich schlüpfte ich an der Wache vorbei ins Freie und lief nun eine Strecke auf der Straße fort, gradaus in die Nacht, ins Elend.
Aber auf der Straße kam mir entgegen ein Mann im Kriegsgewand. Als ich an ihm vorüber wollte, schritt er plötzlich heran, sah mir ins Antlitz und legte die Hand leicht auf meine Schulter: ‹Wohin, Jungfrau Mataswintha, allein, in so später Nacht?›
Ich erbebte unter seiner Hand, Tränen brachen aus meinen Augen, und schluchzend rief ich: ‹In die Verzweiflung!›
Da faßte der Mann meine beiden Hände und sah mich an, so freundlich, so mild, so besorgt. Dann trocknete er meine Tränen mit seinem Mantel und sprach in weichem Ton der tiefsten Güte: ‹Und warum? Was quält dich so?›
Mir ward so weh und wohl ums Herz beim Klange dieser Stimme. Und wie ich in sein mildes Auge sah, war ich meiner selbst nicht mehr mächtig. ‹Weil mich die eigne Mutter haßt, weil’s keine Liebe für mich gibt auf Erden.› – ‹Kind! Kind! Du bist krank›, sagte er, ‹und redest irr. Komm, komm mit mir zurück! Du? Warte nur! Du wirst noch eine Königin der Liebe werden.›
Ich verstand ihn nicht. Aber ich liebte ihn unendlich für diese Worte, diese Milde. Fragend, staunend, hilflos sah ich ihm ins Auge. Ich bebte und zitterte. Es mußte ihn rühren; oder er dachte, es sei die Kälte.
Er nahm seinen warmen Mantel ab, schlug ihn um meine Schultern und führte mich langsam zurück durchs Tor, auf unbelebten Straßen, durch die Stadt nach dem Palast.
Willenlos, hilflos, wankend wie ein krankes Kind folgte ich ihm, das Haupt, das er mir sorglich verhüllte, an seine Brust gelehnt. Er schwieg und trocknete mir nur manchmal die Augen. Unbemerkt, wie ich glaubte, gelangten wir an die Türe der Palasttreppe. Er öffnete sie, schob mich sanft hinein: dann drückte er mir die Hand. ‹Gut sein›, sagte er, ‹und ruhig. Dein Glück wird dir schon kommen. Und Liebe genug.› Und er legte leise die Hand auf mein Haupt, schloß die Türe hinter mir und stieg die Treppe hinab.
Ich aber lehnte an der halbgeschlossenen Tür und konnte nicht fort. Mein Fuß versagte, mein Herz pochte.
Da hört’ ich, wie eine rauhe Stimme ihn ansprach:
‹Wen schmuggelst du da zur Nachtzeit in das Schloß, mein Freund?› Er aber antwortete: ‹Du bist’s, Hildebrand? Du verrätst sie nicht! Es war das Kind Mataswintha: sie hat sich verirrt in der Nacht, in der Stadt, und fürchtete den Zorn ihrer Mutter.› – ‹Mataswintha!’ sprach der andre, die wird täglich schöner.› Und mein Beschützer sprach» – und sie stockte, und flammend Rot schoß über ihre Wangen… –
«Nun»,