Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
1. die Jonische Naturphilosophie, und die Dorisch-Pythagoräische Schule.
2. die Züge Alexanders nach dem Osten.
3. die Züge der Araber nach Osten und Westen.
4. die Entdeckung von Amerika.
5. die Erfindung neuer Organe zur Naturbeobachtung, d.h. Fernrohr, Wärmemesser, Barometer von 1591 bis 1643.
6. Coock’s [sic!] Weltreisen, die ersten nicht bloß geographischen Entdeckungsreisen, die den Grund legten, zu späteren physikalischen Expeditionen.78
Mögen alle diese als „Hauptmomente der Wissenschaftsgeschichte“ identifizierten Schwellen auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen: Humboldt ging es um Erfahrungen außerhalb des gewohnten Rahmens, um Möglichkeiten der Horizonterweiterung im Großen wie im Kleinen.
Auf der einen Seite hielt Humboldt, selbst obsessiv Reisender, Forschungsreisen – und, obwohl streng antikolonialistisch eingestellt, in diesem Zusammenhang auch imperiale Eroberungszüge – für unverzichtbar, sie würden den Sesshaften mit ihren engen Erfahrungsräumen die Welt öffnen und neue Sichtweisen zugänglich machen. Das rechnete er übrigens auch den griechischen Naturphilosophen an: Sie hatten nicht nur ihre Beobachtungstechniken und Messtechniken erweitert, sondern viele von ihnen auch ihren kognitiven Horizont – im Zuge ihrer Reisen –, und die Elemente aus ihrer Verankerung im Mythos gelöst.
Auf der anderen Seite boten ihm, dem Messfanatiker, die neuen Geräte und Techniken bessere Möglichkeiten der Erschließung bzw. Erweiterung oder Vertiefung des Beobachtungsrahmens und eine gesteigerte Präzisierung der Messergebnisse, sodass Humboldt riesige Datenmengen sammeln konnte. Für ihn gilt, was der Dichter und Ethnograph Hubert Fichte über den großen griechischen Reisenden und Historiker Herodot gesagt hatte: Er beherrsche die „Reiseform des Wissens“: reisen, erfahren, beobachten, aufschreiben.
Auf mehrfache Weise stand Humboldt selbst an einer Schwelle. Ganz der Idee des Natur-Ganzen und dem Kosmos-Gedanken verhaftet und in der Tradition des gesamtheitlichen Goethe’schen Weltbildes, verfasste er seinen fünfbändigen Kosmos noch im Zeichen der wechselseitigen Verankerung des Kulturprozesses mit der Naturgeschichte. Das universale Werk erschien ab 1845 – inzwischen war die Ausdifferenzierung der Naturwissenschaften erfolgt und diese waren nicht mehr auf das Ganze der Natur ausgerichtet. Humboldts selbstverständlich-optimistische Erwartung, dass sich die Intensivierung der Naturwissenschaften natürlich in einem größeren Naturbezug im Menschen niederschlagen müsste, hat sich keineswegs erfüllt und ist heute auch gar nicht mehr nachvollziehbar.79
Exkurs: Der Donnerbrunnen
Aus derselben Zeit stammt ein „Wasser-Objekt“, das eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Nach diesen „Ausflügen zu den Anfängen der Welt“ über das Wort und das Bild, vor allem zum Element Wasser, nach den Begegnungen mit mythischen Figuren (auch allegorischen) und dem Prinzip der Vierheit sei in Verbindung dieser Aspekte der Ausflug ins Untere Belvedere in Wien empfohlen, dort ist im Barockraum der Donnerbrunnen im Original zu besichtigen und die Allegorien der vier Donauzuflüsse Traun, Enns, Ybbs und March.
Abbildung 18: Die allegorischen Figuren am Donnerbrunnen in Wien (Fotos: privat)
Der Fluss TRAUN ist eine jugendliche männliche Figur, die die ins Wasser schaut, wo sie mit einem Dreizack auf einen Fisch im Becken zielt. | Der Fluss ENNS wird durch einen alten, ernsten Fährmann dargestellt, der mit einem Ruder an einem Felsen, der die Alpen symbolisiert, lehnt. | Die YBBS wird durch eine ruhende Mädchengestalt repräsentiert. Aus der Amphore, die sie in Händen hält, ergießt sich Wasser in das Becken. | Die MARCH ist eine weibliche Figur, die sich an ein Relief lehnt, auf dem eine Schlacht dargestellt ist, was die Bedeutung der March als Grenzfluss betont.80 |
Dieser, auch „Providentiabrunnen“ genannt (weil in der Mitte des Brunnens auf einem Sockel die Providentia, Symbol für die göttliche Vorsehung, sitzt – mit den Zügen einer schönen jungen Lebzelterin, in die sich Raphael Donner verliebt hatte), war für den Neuen Markt in Wien bestimmt. Er wurde in den Jahren 1737–1739 vom Bildhauer Georg Raphael Donner im Auftrag der Gemeinde Wien geschaffen und war damit das erste solche profane Kunstwerk auf einem öffentlichen Platz in Wien. Am Beckenrand haben vier mächtige Figuren Platz genommen, allesamt aus Blei gegossen. Es handelt sich um Allegorien der Flüsse Traun (Jüngling), Enns (Greis), March und Ybbs (Frauengestalten). Ihre nur spärlich verdeckte Nacktheit war der Anlass, dass Maria Theresia die Figuren 1770 entfernen ließ. Der mit dem Einschmelzen der Figuren beauftragte Bildhauser Johann Martin Fischer erkannte ihren Wert, unterließ dies und veranlasste das Gegenteil: Er ließ sie restaurieren und erwirkte im Jahr 1801 ihre Wiedermontage am Brunnen, im Jahr 1873 wurden sie durch Bronzegüsse ersetzt.81
Epilog
Unbezweifelbar ist das Wasser als Landschaft und als Sinnbild eins der ältesten, großen, archetypischen Bilder der Dichtung überhaupt. Mircea Eliade82
Vom Anfang der Welt hat sich der Mensch als „das sinnbedürftige Wesen schlechthin“83 seit jeher ein Bild gemacht oder eine Geschichte erzählt, um das Unerklärbare fasslich zu machen. In Kosmogonien (griech. kosmogonía, „Weltentstehung“) beschreibt er das Werden der ihn umgebenden Welt und seiner Lebensbedingungen – sie variieren daher ihrem kultur- und zeitgeschichtlichen Bezug entsprechend erheblich. Die jeweilige Kultur und ihr signifikantes Landschaftsbild stellen das zentrale Motiv dar, gleichzeitig werden diese in einen weltweiten Zusammenhang gestellt – und damit zu integralen Bestandteilen von Kosmologien (griech. kosmología, „Lehre von dem Weltganzen“).84
Im Äußeren (Strukturellen) wie im Inneren (Inhaltlichen) offenbaren sich frappante Wasser-Bezüge:
Einerseits folgen diese alten mythischen Erzählungen von der Weltwerdung von Vornherein keinem geraden Verlauf, und dann entfalten und wandeln sie sich überdies in der mündlichen Überlieferung und zyklischen Wiederholung: Sie können gemächlich dahinfließen, mäandern und Rinnsale entstehen lassen, während sie woanders reißend strömen und Wasserfälle oder gefährliche Wirbel bilden.
Andererseits ist das Wasser in seinen vielfältigen Erscheinungsformen und allen mit ihm in Verbindung stehenden Schauplätzen (Ufern, Inseln, Schiffen …), Ereignissen (Flutwellen, Schiffsbrüchen …), aber auch Lebewesen (Schiffsleuten, Seehelden wie Odysseus, Fischern, Wassermännern, Nixen, Fischen und anderen Wasserwesen) und in seiner Ubiquität (genauso wie sein Gegenbild, das fehlende Wasser und damit die Wüste) geeignet, als Metapher oder archetypisches Bild die polaren Gegensätzlichkeiten und den Doppelaspekt des menschlichen Lebens auszuleuchten: Es erscheint da als Lebensquell und dort als tödliche Flut – Segen und Fluch. Wasser ist, in welcher Form auch immer, in höchstem Maße symbolträchtig und symbolkräftig sowie allegorietauglich,