Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
Gott führt in Gestalt von Jesus Christus die beiden Stammeseltern einander zu:
Bosch illustriert die Schöpfungsgeschichte und den Fortgang der Menschheit bis zum Inferno, das er auf der dritten, rechten Innentafel in einer bestürzenden Vision einzufängt: Entsprechend den infernalischen Vorstellungen des Mittelalters tummeln sich hier Ausgeburten quälender Fantasie, sie scheinen den letzten Tag anzukündigen. Die Höllenbilder waren also nach wie vor lebendig und schürten die Angst vor der Zucht Gottes wie das Verlangen der Menschen jener Zeit nach Gottgefallen und Heilsversprechen.39
Abbildung 9: Hieronymus Bosch, Der Garten der Lüste (Ausschnitt), (El jadín de las Delicias), Museo del Prado, Madrid40
Exkurs: Der Mythos von der Sintflut
Am meisten fürchtete das „apokalyptische Saeculum“41 – die Endzeitstimmung beherrschte das Zeitalter am Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit – übrigens das Wasser, die Sintflut, die über Jahrzehnte vorausgesagt wurde. Im Jahr 1524 erreichte die Panik ihren Höhepunkt, als die Planeten Jupiter und Saturn42 im Februar in einem regelrechten Sternenkampf im Zeichen des Wassers, im Sternbild der Fische, auftauchten und eine himmlische Katastrophe ankündigten: Der Fisch würde sein Element, das Wasser, zu einer neuen Sintflut auf die Erde schicken, lautete die Prophezeihung, die 1523 auf einem Titelblatt eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde:
Die Darstellung „zeigt Sonne und Mond und vier weitere Sterne als zuätzliche Planeten im Bauch des Tierkreiszeichens Fisch, während sich von links vom Schwanzende her bedrohlich die Verkörperung des Saturn in Gestalt eines alten Mannes nähert. Während der Fisch bereits Wasser läßt und einen Sturzbach auf zwei Gebäude mit zerstörerischer Wucht niederschickt, treten die zugehörigen Kontrahenten, rechts die jupiterhafte Obrigkeit in Form von Kaiser, Papst und kirchlichen Würdenträgern sowie links die saturnischen Bauern, in grimmiger Entschlossenheit in Kampfstellung.“43
Abbildung 10: Leonhard Reynmann, Practica vber die grossen vnd manigfeltigen Coniunction der Planeten, die i[m]m jar M.D.XXiiij. erscheinen … werden. 44
Damit beenden wir die kurze Zeitreise in die Renaissance, die wir auf der Motivebene unternommen haben, und wenden unsere Aufmerksamkeit, wie auch die Künstler und Gelehrten der Renaissance, dem antiken Griechenland zu.
Schöpfungsmythen von Homer bis Hesiod
Homer (seine Lebensdaten können nicht annähernd festgelegt werden, sie changieren zwischen 1200 und 750 v.Chr.) gilt als Dichter der ersten großen griechischen Versepen: Ilias und Odyssee, seine Autorenschaft ist allerdings umstritten, das nährt die „Homerische Frage“.
Bei Homer ist Okeanos der Ursprung der Götter und Ursprung von allem: „Okeanos’ wallende Fluten, jenes Stroms, der allen Geburt verlieh und Erzeugnis“ (Ilias, V, 245–246)45. Er ist der Strom, der die Welt im Kreis umfließt, immer wieder in sich zurückströmend, und sie zugleich abgrenzt vom Jenseits.
Abbildung 11: Homers Weltkarte 46
Abbildung 12: Okeanos und Thetys, Zeugma Mosaic Museum Gaziantep 47
Er ist der Ursprung der Götter sowie aller Flüsse, Meere, Quellen und Brunnen. Im Besitz unerschöpflicher Zeugungskraft hat er mit seiner Gattin, der Meeresgöttin Tethys, dreitau-send Söhne gezeugt, das sind die Flüsse, und genauso viele Töchter, das sind die Okeaniden, Meerwesen ähnlich den Nereiden und Nymphen. Er befindet sich aber nun mit ihr im Streit, sie haben die Zeugung eingestellt – damit wird auch auf dieser Ebene Kreislauf und Begrenzung entsprochen.
Okeanos strömt im Kreis und nährt die Quellen, Flüsse und das Meer.48
Eine ähnliche Erzählung vom Anbeginn der Welt wurde von den Anhängern und Verehrern des Sängers Orpheus im orphischen Kult weitergegeben. „Am Anfang war die Nacht …“, beginnt diese, Nyx genannt und eine der wichtigsten Göttinnen auch bei Homer. Die Urnacht ist ein großer, schwarzer Vogel, dieser legt ein vom Wind befruchtetes Ei. In der oberen Hälfte des Eis gähnt der Himmel (Empedokles schöpft dafür erst später den Begriff „Chaos“), unten befindet sich die Erde. Eros erblickt das Licht der Welt, und über seine Wirkung zeugen die beiden Okeanos und Thetys.49
Vasenmaler sind Erzähler der Götter- und Heldengeschichten, ihre Malereien sind jedoch nie Illustrationen zum Wort, sondern alternative, eigenständige Erzählvarianten.
Wie über das Medium Schrift haben auch die einzelnen Maler jeweils ihren eigenen Erzählstil und Duktus, den zeichnerischen Schriftzug, entwickelt.
Bemalt wurden alle Arten von Gefäßen, sie stellen wichtige Quellen dar und geben Auskunft über Alltagsleben und Mythologie der Griechen und ihre Bildkultur.50
Abbildung 13: Orpheus, Rotfigurige Vasenmalerei, Antikensammlung Berlin, Mitte 5. Jh.v.Chr. 51
Hesiod, neben Homer einer der Begründer der griechischen Literatur, lebte um 700 v.Chr. in Askra in Böotien. In seinem großen Epos Theogonie („Entstehung der Götter“) vereint er in über tausend Hexametern die gesamte Genealogie der griechischen Götterwelt. Mit Homers Ilias und Odyssee gehört es zu den ältesten und wichtigsten Quellen der griechischen Mythologie. Hesiods Theogonie ist eine Schilderung der Abfolge der Göttergenerationen „von Anfang an“ (ex archês), ihr Thema ist die Weltentstehung bis zur Herrschaft des Zeus. Hesiod beginnt mit einer Anrufung der Musen, als Dichter und Sänger bittet er um göttliche Eingabe. Die Wahrheit kann er aufgrund seiner begrenzten menschlichen Sicht nicht garantieren – und Dichtung ist zur Erbauung da.
Damit hat sich auf dem Boden der vorderorientalischen Mythen und noch in mythischer Sprache eine wesentliche Veränderung vollzogen: Hesiod schildert seine Berufung zum Dichter