Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Название Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman)
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788026866886



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entfernte er sich.

      Der Baron versuchte, möglichst unbefangen zu erscheinen. Er brannte sich eine Cigarre an, warf sich auf das Fauteuil und fragte:

      »Ich hoffe, daß ich nun den Grund Ihrer Aufmerksamkeit vernehmen werde, meine Herren?«

      »Augenblicklich noch nicht, Herr Baron. Der Gegenstand, den wir Ihnen vorzutragen haben, erfordert unbedingt die Anwesenheit auch Ihrer Frau Gemahlin!«

      »Meine Frau? Die Baronin soll kommen?« fragte er, mehr erstaunt, als erzürnrt.

      »Wir bitten darum!«

      »Ah! Das ist stark! Früh fünf Uhr eine Audienz! Und dazu soll die Baronin von Helfenstein geweckt werden!«

      »Wir müssen leider auf unserem Wunsche bestehen!«

      »Bestehen? Ah, ich dächte, hier könnte nur von einer Bitte die Rede sein, meine Herren!«

      »Wir sind nicht Supplikanten, sondern Beamte!«

      »Alle Teufel! Das klingt ja wie eine Drohung!«

      »Hören Sie wirklich eine solche heraus? Ich will Ihnen nicht widersprechen.«

      Der Baron stand auf. Er war leichenblaß geworden. Er trat auf den Fürsten zu und sagte:

      »Herr, wer sind Sie, daß Sie es wagen, in einem solchen Tone zu mir zu sprechen?«

      »Ich habe mich als Beamter der Polizei legitimirt!«

      »Aber welchen Grad begleiten Sie? Uebrigens kann ein solches Legitimationszeichen auch in die Hände eines Spitzbuben gelangen. Ich verlange, daß Sie sich genügender legitimiren.«

      Der Fürst hatte einen Todtfeind vor sich, den Mörder seines Glückes und seiner Jugendhoffnungen. Dennoch ließ er sich nicht vom Zorne hinreißen, sondern er antwortete ruhig:

      »Ich ersuche Sie um Ihretwillen, keine andere Legitimation zu verlangen. Ich gestehe Ihnen offen, daß mein Besuch bei Ihnen jetzt noch ein privater ist. Bestehen Sie aber auf Ihrem Verlangen, nun, dann werden Sie die Folgen tragen!«

      Der Baron wußte nicht, was er sagen sollte. Sein Gewissen klagte ihn zwar an; aber sein Stolz bäumte sich gegen das Auftreten dieser drei Männer auf.

      »Sie bestehen also darauf, meine Frau zu sprechen?« fragte er.

      »Ja.«

      »Gut! Warten Sie! Ich werde sie selbst wecken. Aber ich sage Ihnen zugleich, daß ich mich nur Ihrem amtlichen Character beuge und daß ich mir noch im Laufe des heutigen Tages Satisfaction verschaffen werde. Ich würde Sie unbedingt fortweisen, wenn dies nicht als Widerstand gegen die Staatsgewalt strafbare wäre.«

      »Wir sind Ihnen zu jeder Satisfaction bereit, bitten Sie aber nochmals, uns die Gegenwart der Frau Baronin zu ermöglichen, da wir auf dieselbe nicht verzichten dürfen.«

      »Warten Sie!«

      Er ging.

      Ella von Helfenstein hatte sich eingeschlossen. Sie erwachte, als sie klopfen hörte. Als der Baron seinen Namen nannte, war sie gar nicht verwundert, daß er sie weckte. Sie nahm an, daß sein Unternehmen geglückt sei, und die Freude darüber sollte sie nun nicht verschlafen, sondern mit ihm theilen.

      Ihr Nachtlicht brannte. Sie warf schnell ein Neggligée über und öffnete. Sie war reizend; er beachtete es gar nicht.

      »Nun? Gelungen?« fragte sie.

      »Ja, vollständig!«

      »Gott sei Dank!«

      »Unsinn! Dankt diese Frau Gott für einen gelungenen Einbruch! Wer sollte das für möglich halten. Also, es ist gelungen, und die Schätze befinden sich in Sicherheit. Aber nun – denke Dir! – Ich komme aus dem Casino heim und finde am Thore drei Polizisten, welche mich erwartet haben, weil sie mit mir und Dir zu sprechen wünschen!«

      Ihre Augen wurden größer als vorher.

      »Ist das möglich?« sagte sie.

      »Man sollte es nicht denken! Früh fünf Uhr!«

      »Du hast sie doch abgewiesen?«

      »Ich versuchte es, aber es gelang mir nicht. Sie befinden sich jetzt in meinem Zimmer.«

      »Das ist mir völlig unverständlich!«

      »Mir ebenso!«

      »Wie treten sie denn auf?«

      »Sie bitten nicht sondern sie fordern auch Deine Gegenwart.«

      »Mein Gott! Sollte man eine Ahnung haben, daß Du –«

      »Papperlapapp! Damit hat dieser Besuch nichts zu schaffen. Der Streich ist gelungen. Jedenfalls weiß nicht einmal der Fürst, daß er bestohlen ist. Es handelt sich um etwas ganz Anderes.«

      »Aber hast Du denn eine Idee, wovon?«

      »Nein. Du?«

      »Auch nicht.«

      »Nun, so werden wir es wohl erfahren. Aber wehe diesen drei Burschen, wenn sie sich etwa erlaubt haben, über die Grenzen ihrer Amtsgewalt hinauszugehen! Dann soll sie der Teufel holen! Dafür werde ich schon sorgen!«

      »Also ich soll mit ihnen sprechen?«

      »Wie es scheint, wird Dir dies nicht erspart bleiben!«

      »Aber wo?«

      »Bei mir. Das wird das Vortheilhafteste sein!«

      »So werde ich das Mädchen wecken, mich anzukleiden.«

      »Thue das. Aber laß mich mit diesen Menschen nicht allzu lange allein. Es möchte mir sonst die Galle überlaufen.«

      »Wir müssen uns immer darauf vorbereiten, daß man von Eurem Einbruche spricht. Hoffentlich bist Du Herr Deines Gesichts.«

      »Bleibe Du nur Herrin des Deinigen! Und jetzt beeile Dich!«

      Er ging, und sie klingelte der Zofe, welche sich nicht wenig wunderte, daß ihre Herrin sich bereits zu so früher Tagesstunde anzukleiden wünschte. Die Morgentoilette nahm nicht viel Zeit in Anspruch: dann begab sie sich zum Baron.

      Dieser saß halb abgewendet auf der Ottomane, während die Drei auf Stühlen Platz genommen hatten. Sie erhoben sich höflich beim Eintritte der Dame.

      »Meine Frau!« sagte der Baron in arrogantem Tone. »Dies sind die Herren, Ella, welche glauben, daß ein Baron von Helfenstein gezwungen sei, bereits früh fünf Uhr Audienz zu gewähren.«

      Sie warf einen hochmüthigen, verächtlichen Blick auf sie und antwortete, die Schultern zusammenziehend:

      »Warum hast Du sie nicht abgewiesen? Bereits am Tage sucht man sich die Personen aus, mit denen man zu sprechen beliebt; in der Nacht darf man wohl noch wählerischer sein! Du bist zu nachsichtig!«

      Sie ließ sich in der Haltung einer Königin in den Sessel fallen.

      »Ja, wir geben zu, daß Baron Franz von Helfenstein nachsichtig ist,« sagte da der Fürst. »Wer sich von der Schwester eines als Schmuggler erschossenen Bauern, die einst Kammermädchen war, vorschreiben läßt, mit wem er sprechen darf, der ist entweder ganz ungeheuer nachsichtig, oder – ein Waschlappen.«

      Diese Worte wirkten wie ein Funke in's Pulver. Ella sprang auf; ihre Züge verzerrten sich; aber sie brachte vor Grimm kein Wort hervor. Auch der Baron war aufgesprungen. Sein Gesicht war leichenblaß; aber seine Augen flammten in glühendem Lichte.

      »Was war das?« fragte er. »Was wagt Ihr?«

      In seiner Rechten hielt er einen Revolver, den er aus der Tasche gezogen hatte. Aber zu gleicher Zeit waren auch die Läufe der drei Polizisten auf ihn gerichtet.

      »Was das war?« fragte der Fürst. »Es war die wohlverdiente Zurückweisung einer Provocation. Doch behalten wir Platz! Legen Sie Ihre Waffe weg, Herr von Helfenstein! Sie sehen, daß Sie uns gegenüber im Nachtheile sind!«

      »Ja,«