1904 Geschichten. Группа авторов

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Название 1904 Geschichten
Автор произведения Группа авторов
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338281



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im UEFA-Cup gegen CD Teneriffa auf dem Plan. Beim Gang über Parkplatz A hörte ich hinter mir auf einmal: „ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!!“ Als ich mich umdrehte, liefen hinter mir drei mir unbekannte Jungs, denen ich in Hamburg aufgefallen sein musste, und schmetterten mein Lied.

      Selbst neun Jahre später wurde ich noch nach dem Spiel in der verbotenen Stadt von ’nem Pärchen angesprochen: „Du bist dat doch, der da vor Jahren in Hamburg mit angefangen hat, oder?“

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      Ins Licht

      image ENRICO SCHALK

      Noch wenige Tage bis Weihnachten. Die Liga ist schon in der Winterpause, doch Schalke darf noch einmal ran. Viertelfinale im DFB-Pokal, hier in Magdeburg. Morgen sollte es so weit sein. Und ich sitze abends in meiner Studierstube und gucke so über die Dächer der Umgebung. Was ist denn das? Ein Lichtkegel? Das Stadion in der Ferne? Flutlicht um diese Zeit? Ich halte es vor Neugierde nicht mehr aus, ziehe mich warm an und gehe dem hellen Schein entgegen. Nicht wirklich, denn auf Erden ist nichts vom Lichtkegel zu sehen. Aber mich zieht es in Richtung Stadion. Dabei erinnere ich mich an einen Spruch, der uns Schalkern immer nachgesagt wird: Wenn unter der Woche das Flutlicht im Parkstadion angeknipst wird, kommen 20.000 Leute und gucken erst einmal, was dort los ist (oder so ähnlich). Mir geht es jetzt genauso.

      Tatsächlich ist das Flutlicht vom Stadion an. Einige Leute vom Fernsehen sind draußen mit der Technik beschäftigt. Ich schleiche mich durch das Marathon-Tor in den Innenraum und stehe dann im Gästeblock. Stille. Niemand ist auf dem Platz bzw. im Stadion. Nur ich. Morgen werden es 26.000 Blaue sein – Anhänger aus Magdeburg und die Gäste aus Gelsenkirchen. Und jetzt? Keine Schalker hier. Schade. Training um diese Zeit hätte ich aber auch nicht wirklich erwartet.

      Das Flutlicht ist nur zu einem Drittel angeschaltet, und im weiten Rund herrscht eine ebenso schauderhafte wie schöne Atmosphäre. Herrlich. Dieser Moment hat was. Ich genieße das leere Stadion, die Stille, die Dunstschwaden, die Kälte – einfach alles im seichten Schein des Flutlichtes. Einfach magisch das Ganze. Vorfreude auf das morgige Spiel.

      Leere Stadien fand ich schon immer irgendwie anziehend. Man kann so schön träumen und sich vorstellen, wie es ist, dort Schalke 04 spielen zu sehen. Man kann hoffen, dass wir als Sieger vom Platz gehen, und sich ausmalen, wie die Leute dann auf den Rängen tanzen und toben.

      Einfach wunderbar.

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      Mitten in das Schalker Herz

      image KEES JARATZ

      In den Siebzigern, als Jugendlicher, ging ich mit Freunden zusammen zu den Heimspielen ins Wedaustadion. Auch zu einzelnen Auswärtsspielen machten wir uns auf, doch so eine Fahrt in der Clique blieb auf die engere Region um Duisburg beschränkt. Der Besuch der Spiele in Düsseldorf, Uerdingen und Essen war keine Frage für uns. Nach Schalke, Dortmund, Bochum oder Köln fuhren wir schon nicht mehr so selbstverständlich. Wenn aber Erwachsene oder große Brüder sich zur Fahrt mit dem Auto bereit erklärten, nutzten wir auch einzeln die Chance, selbst wenn nicht alle aus dem Freundeskreis mitfahren konnten oder wollten.

      Am ersten Samstag im Dezember 1977 fand das Auswärtsspiel gegen den FC Schalke 04 statt. Es war das letzte Spiel der Hinrunde, und allzu viel erhoffte ich mir nach den Ergebnissen der Vorjahre nicht. Bei den drei Niederlagen in den Spielzeiten zuvor war der MSV zweimal mit fünf Gegentoren nach Hause gefahren. Andererseits lag eines der beeindruckendsten Spiele der MSV-Geschichte gerade knapp einen Monat zurück. Das war jener legendäre MSV-Heimsieg gegen den FC Bayern München, bei dem Bernard Dietz den MSV nach zweimaligen Rückstand in der 78. Minute mit 4:3 in Führung brachte und als bis dahin einziger und damit viermaliger Torschütze des MSV für die Möglichkeit des Sieges sorgte. Fünf Minuten später brachte ein Tor von „Ronnie“ Worm die endgültige Entscheidung. Das 6:3 von Norbert Stolzenburg war dann noch das Sahnehäubchen in diesem Spiel.

      Ich hatte bis zu jenem Dezember also eigentlich eine der besseren MSV-Spielzeiten meines noch nicht ganz so langen Fan-Daseins gesehen. Warum mein Stiefvater mir anbot, nach Gelsenkirchen zu fahren, weiß ich nicht mehr. Seine Heimat war Oberhausen, und am MSV-Geschehen nahm er erst Anteil durch meine Mutter und mich. Ich weiß nicht einmal, ob er vor diesem Samstag überhaupt je ein Spiel des MSV Duisburg in einem Stadion gesehen hatte. Jedenfalls stand am Samstagmorgen plötzlich die Frage im Raum: Sollen wir nach Gelsenkirchen fahren? Da sagte ich nicht nein.

      Mein Stiefvater wusste, dass immer wieder bei Heimspielen des FC Schalke 04 auf der A 42 vor der Abfahrt zum Parkstadion ein Stau entstand. Auch für diesen Samstag befürchtete er ihn, und so brachen wir in Meiderich schon sehr früh auf. Viel zu früh. Problemlos kamen wir auf den Parkplatz, wo sich noch kaum Autos befanden, und nur vereinzelt schlenderten Zuschauer zusammen mit uns zum Stadion. Dort waren noch nicht einmal sämtliche Kartenkontrolleure an den Eingängen verteilt, und von Weitem sahen wir, wie die Kartenverkäufer in den Kassenhäuschen noch geschäftig allerlei andere Dinge erledigten. Nur wenige waren schon dazu bereit, Eintrittskarten zu verkaufen.

      In der blau-weißen Schalker Umgebung fiel mein weißblauer Duisburg-Schal von etwa zwei Metern Länge nicht weiter unangenehm auf. Ganz im Gegenteil, wie sich herausstellte. Ich wollte in Richtung eines Kassenhauses laufen, als mich ein Mann ansprach. Ob ich mir ein paar Mark verdienen wolle, fragte er. Eintritt für das Spiel müsste ich auch nicht zahlen, fügte er hinzu, und mein Platz befände sich sogar auf der Sitzplatztribüne. Ich müsste nur vor dem Spiel am Eingang die Eintrittskarten der Zuschauer abreißen. Er würde auch dafür sorgen, dass ich auf jeden Fall so früh gehen könne, dass ich zum Anpfiff an meinem Platz sei.

      Ich zögerte. Doch aufmunternde Worte von meinem Stiefvater zusammen mit der Aussicht, das erste Mal einen Sitzplatz einzunehmen, gaben schließlich den Ausschlag für meine Zustimmung. So stand ich kurz danach an einem Eingangstor. Die Schalker Zuschauer freuten sich am vermeintlichen Blau-Weiß des Schals um den Hals des ungewohnt jungen Kartenabreißers. In meinen jugendlichen Augen sahen die anderen Kartenabreißer alle nach Rentnern aus. Aber wahrscheinlich war es damals nicht anders als heute, und auch Männer im mittleren Alter rissen die Karten ab. Nur Sicherheitsunternehmen gab es eben nicht als Subunternehmer, und Fan-Utensilien waren ausschließlich eine Angelegenheit von Jugendlichen. Deshalb fiel der Schal am Stadioneingang besonders auf. Denn erwachsen waren damals nahezu alle Zuschauer ab Anfang 20.

      Richtig wohl fühlte ich mich nicht in meiner Haut. Keineswegs wagte ich all den Männern zu widersprechen, die mir väterlich und erwartungsfroh den Schalke-Sieg verkündeten. Dafür hielt sich der Ansturm in Grenzen, und das eigentliche Entwerten der Eintrittskarten überforderte mich nicht. Kurz vor dem Spiel durfte ich dann mit einer ersten Gruppe von Kontrolleuren zu meinem Tribünenplatz gehen. Er befand sich nahe an einer Kurve, auf dem Oberrang der Tribüne, etwas abseits von den anderen Zuschauern. Unter all den älteren Männern, die sich schon seit Jahren zu kennen schienen, kam ich mir ziemlich einsam vor. Mir dieses Fußballspiel anzusehen, wurde so anders als das Gemeinschaftserlebnis Stadionbesuch, das ich bislang kannte.

      An die erste Halbzeit des Spiels habe ich deshalb auch nur verschwommene Erinnerungen. Ich meine, es war ausgeglichen, und der MSV gestaltete das Spiel offen. Mit dem 0:0 zur Halbzeitpause war ich zufrieden. In der Pause wurde das Geld ausgezahlt. Ich weiß nicht mal mehr, wie groß die Summe gewesen ist. 20 Mark? 15? Ich weiß es nicht mehr.

      Die zweite Halbzeit begann. Ich war wieder auf meinem Platz und wusste allmählich nicht mehr, ob ich vor dem Spiel die richtige Entscheidung getroffen hatte. Auf dem Stehplatz hätte es mir sicher mehr Spaß gemacht, das Spiel zu sehen. Andererseits wusste ich auch: Am Montag in der Schule konnte ich eine gute Geschichte erzählen.

      Und diese Geschichte wurde noch besser. Ob es tatsächlich ganz so gewesen ist, kann ich wieder nicht beschwören, aber in meiner Erinnerung blieb das Spiel zäh, und