1904 Geschichten. Группа авторов

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Название 1904 Geschichten
Автор произведения Группа авторов
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338281



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dann kann ich in der Nähe meiner Kumpels sitzen.“ „Eigentlich nicht“, dachte ich, „wer weiß, was ich für einen Platz bekomme …“, besann mich aber: Ich musste noch ein gutes Werk tun, denn der Schweizer hatte eigentlich zu viel bezahlt. Der Junge vor mir sagte, er würde auch gern etwas draufzahlen, sein Platz sei schließlich viel weiter weg. „Ich nehme von einem Schalker doch kein Geld, ihr müsst mir nur versprechen, dass wir heute gewinnen.“ Ich gab ihnen die Karte für den Unterrang und stieg hoch hinauf unter das Dach des Westfalenstadions. Wellblechhütte, es geht doch nichts über unser Wohnzimmer.

      Zwei Elfmeter, zwei Rote Karten, der BVB angeschlagen, die schwarzgelben Fans hatten sich bei der Frage „Auspfeifen, Anfeuern oder Schweigen“ für Letzteres entschieden. Quasi Krankenwache.

      89. Minute, immer noch kein Tor. Nein! Nicht schon wieder unentschieden, da passiert noch etwas, ganz sicher, nur auf welcher Seite? Nächster Angriff, Ebbe, 1:0 für uns.

      Ich hatte es mir verdient.

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      A great night out in Meppen

      image THOMAS WINGS

      Wenn ich nach meinen Top-5-Auswärtsfahrten in nunmehr fast 25 Jahren aktiver Auswärtsfahrerei gefragt werde, dann überrascht es auf den ersten Blick ein wenig, wenn neben Valencia 1997, Mailand 1997, Sevilla 2006 und dem ersten Pokalfinale in Berlin der neben diesen Orten verblassende Name „Meppen“ auftaucht. Ist aber so. Die Auswärtsfahrt nach Meppen 1989 gehört zweifelsfrei zu meinen persönlichen Schalke-Highlights.

      Dabei könnte ich heute noch, ohne einen Spielplan bemühen zu müssen, das Datum rekonstruieren. Wichtige Weltereignisse spielten sich rund um diesen 4. Juni 1989 ab: Ayatollah Khomeini, der den Iran in die Revolution führte, starb, und auch das Massaker am Tian‘anmen-Platz in Peking erschauderte die Welt an jenem Wochenende.

      Wir aber, alle gerade kurz vor oder kurz nach dem Abi, fuhren mit zwei vollgepackten Autos schon am Samstagmorgen nach Meppen, wo die Tante eines Schulfreundes uns generöserweise eine ganze Wohnung zur alleinigen Verfügung stellte. Das Spiel wurde am Sonntag darauf angepfiffen. Ich will hoffen, dass der Familienfrieden trotz unseres Aufenthalts noch intakt ist.

      Die Reise nach Meppen war von vornherein nicht ohne sportliche Brisanz. Meppen war quasi das Synonym für die Langeweile in der zweiten Liga, zu der Schalke gerade erst zum Beginn der Saison gestoßen war. Toni Schumacher, im Abstiegsjahr noch unser Keeper, prägte den Satz: „In der zweiten Liga werde ich nie spielen – ich fahre doch nicht nach Meppen.“ Da waren wir arroganten Schalker also nun auf dem Weg in die Niederungen der Provinz. Und zwar im Begriff einer grandiosen Aufoljagd zur Verhinderung des direkten Durchmarsches in Liga drei. Ein paar Tage zuvor hatte es das „Heimspiel“ in Hannover gegen Fortuna Köln gegeben, welches aufgrund von vorhergegangenen Ausschreitungen nicht im Parkstadion stattfinden durfte (und welches auch ganz weit oben in meiner Top-Liste steht). Gewinnen mussten wir in Meppen, ansonsten wären wir drei Spieltage vor Schluss punktgleich mit den Abstiegsplätzen, dem Abgrund, gewesen.

      Und vor diesem Hintergrund machten sich bestimmt 10.000 Schalker auf, das kleine Örtchen heimzusuchen. Wir schon einen Tag vor dem Spiel vor Ort, wunderten uns über die Gastfreundschaft und die „Ehrfurcht“, die uns nahezu ausnahmslos entgegengebracht wurde. Klar, Fußball wurde in Meppen nicht gelebt. Für die Meppener war es das Spiel des Jahres, ach was, der Vereinsgeschichte. Und so freuten sie sich auf ein großes Ereignis und betrachteten die angereisten Schalker wie soeben frisch gelandete Außerirdische mit blauen Devotionalien am Leib.

      Das Meppener Nachtleben konnte sich indes durchaus sehen lassen. Die Dorfdisco machte das Geschäft ihres Lebens, ebenso die ansässigen Imbissbetriebe. Kneipiers und Budenbesitzer denken noch heute an dieses für sie so ungewöhnliche Wochenende zurück. Das Ganze begleitet von zwei Tagen wunderbarsten Sonnenscheins und einer herrlich ausgeglichenen Spannung in der Stadt. Kleine verbale Scharmützel, allesamt selbstverständlich friedlich, sorgten für eine durchaus humorvolle Atmosphäre. Ich gehe fest davon aus, dass man sich in dem sich überhaupt nicht langweilig gebenden Meppen gerne an die auch in den folgenden Jahren stattfindenden Besuche der Schalker zurückerinnert.

      Die Stimmung war auch im Stadion phänomenal. Es war ein typisches Amateurstadion der achtziger Jahre ohne jeglichen Komfort. Ausgerichtet war man dort auf die strömenden und biertrinkenden Massen ganz und gar nicht. 10.000 Schalker fanden unter den 15.000 Zuschauern Platz. Wo man hinsah, man sah nur das Königsblau. Dennoch kam es auch im Stadion zu keinerlei Auseinandersetzungen. Kurz nach Spielbeginn hatte man noch Toni Schumachers Aussage im Kopf, als die Meppener schon nach ein paar Minuten in Führung gingen. Was für ein Schock. Was Toni wohl gesagt hätte, wenn er nicht in der Oberliga spielen wollte: „Ich fahre doch nicht nach Horst-Emscher“?

      Aber dazu sollte es nicht kommen. Peter Neururer, einer der lustigsten Trainer, die wir je hatten, kannte kein Halten mehr, als wir nach dem Ausgleich in der 16. Minute und nach Wiederanpfiff in der 56. Minute durch unseren späteren Manager Andreas Müller in Führung gingen. Die Spannung konnte man regelrecht greifen. Der Sieg war so wichtig und stand doch auf des Messers Schneide. Bis, ja bis Ingo Anderbrügge in der letzten Minute zum alle erlösenden 3:1 traf. Es war ein kleines Wunder, dass es danach nicht zum Spielabbruch wegen schier unendlich jubelnder Schalker kam.

      Das Wochenende war also perfekt. Eine schöne Ferienwohnung in einer absurden Stadt, die man ohne Schalke sicher nie besucht hätte. Bestes Wetter, gigantische Stimmung vor, während und nach dem Spiel sowie die wachsende Hoffnung, nicht doch noch den bitteren Gang in die Oberliga, die damalige Liga drei, antreten zu müssen. Für mich ist es eine der wertvollsten Erinnerungen an unseren Verein.

      Auch weil zwei unserer Schalker Reisegruppe dies heute nicht mehr lesen können.

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      Grammatikalische Unzulänglichkeit

      image MARKUS TELGMANN

      Es war der 19. April 1997, Bundesliga-Auswärtsspiel in Hamburg. Wir fuhren morgens gegen 9:30 Uhr mit dem Bus in Münster los. Die Tour stand schnell unter dem Motto: „Wir sind bescheuert, jawoll, und finden Schalke toll!“ Auf jedem Rastplatz grölten wir unser Tourmotto heraus und ernteten von den nicht Fußballbekloppten eher ungläubige Blicke und den einen oder anderen „Scheibenwischer“.

      Nach gefühlten fünf Stunden und einige Staus später rollten wir auf den Parkplatz Volksparkstadion. Noch bevor sich die Türen öffneten, wurde wieder der Mottosong ausgepackt, und ich denke mal, wir waren trotz geschlossener Türen weit über den Parkplatz zu hören. Als die Türen sich öffneten, war ich der Erste, der draußen war, und fing plötzlich an zu singen: „ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!! ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!!“ Keine Ahnung, wie ich auf diese grammatikalische Glanzleistung gekommen war, aber die Mitfahrer aus unserem Bus reihten sich, ohne zu überlegen, in den Gesang mit ein.

      Mit dem ein oder anderen Bier unterm Arm ging es dann gegen 14:30 Uhr Richtung Stadion, und immer wieder wurde nun „mein“ Song angestimmt, wobei es immer mehr in ein Gekrächze überging, da auch die stärksten Stimmbänder irgendwann den Dienst quittierten. Das Spiel ist schnell erzählt: Wir verloren mit 1:0 durch ein Tor des späteren Schalkers Sven Kmetsch.

      Bevor es wieder zurück nach Münster ging, wurden noch mal die Stimmen geölt, und alle Mitfahrer stimmten erst in den Mottosong und dann noch mal minutenlang in die andere Kreation mit ein. Unser Busfahrer erklärte sich dann noch bereit, mit uns nach St. Pauli zu fahren, was dieser Fahrt dann endgültig den Namen „Bescheuerten-Tour 97“ einbrachte. Hallo? Mal ehrlich, wat will man gegen 19 Uhr auf St. Pauli? Irgendwo mit 50 Leuten noch ’ne Kneipe aufgetan und dann gegen 21 Uhr, die einschlägigen Läden öffneten gerade erst ihre Pforten, wieder Richtung Münster aufgebrochen. Gegen 00:30 Uhr erreichten wir müde und stimmenlos die Stammkneipe, die ich