1904 Geschichten. Группа авторов

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Название 1904 Geschichten
Автор произведения Группа авторов
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338281



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      und für alle, die’s wirklich waren!

      Vorwort

      Im Sommer 2010 saß ich in Österreich im Schatten einer Stadiontribüne, hörte die Geräusche des Trainingsbetriebes der Schalker Profis, durchblätterte nebenbei, wie das früher undenkbar gewesen wäre, auf dem Telefon meine aktuell eingegangenen Mitteilungen und las dabei von einer großartigen Veranstaltung im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010 auf der gesperrten A40. Kees Jaratz schrieb in seinem „Zebrastreifenblog“ davon, wie er sich am Mittelstreifen von MSV-Fans Geschichten von früher erzählen ließ, und da fiel mir das Buch von Tom Watt wieder ein, der schon fast 20 Jahre zuvor einmal kurze und lange Erinnerungen von Fans seiner „Gunners“ gesammelt und veröffentlicht hatte.

      Leise Melancholie überkam mich bei dem Gedanken, dass es da draußen so viele erzählenswerte Geschichten über den Fußball im Allgemeinen und über den FC Schalke 04 im Besonderen gab, die vielleicht niemals aufgeschrieben werden würden und die deshalb nach und nach dem Vergessen anheim fallen müssten. Schon jetzt war man für vieles zu spät, würde wohl kaum noch aus erster Hand etwas aus den ganz frühen Zeiten erfahren.

      Aber die Menge der Abenteuer – erst recht die, die sich rund um einen Verein mit über 100-jähriger Tradition ereigneten – ist unendlich, und so entstand der Plan, einfach mit dem Sammeln zu beginnen, um irgendwann einmal 1904 Geschichten zusammenzubekommen. Geschichten, die wahr sein mussten, selbst erlebt, die Gefühle oder Ereignisse, profane Einzelheiten oder das „große Ganze“ beschreiben sollten und die in der Summe ein Bild von dem vermitteln würden, was Schalke 04 ausmacht, so unterschiedlich es auch von jedem erlebt worden sein mag.

      Im Oktober 2010 wurde dieser Plan im „Auswärtssieg!“-Blog vorgestellt, und ich bat um Einsendung von Geschichten, Geschichten geschrieben von Fans, von Schalkern und von anderen, von Lesern des Blogs, von jedem, der mochte. Geschichten, die dann in unregelmäßigen Abständen dort auch veröffentlicht wurden. Von Anfang an gehörte zu der Idee auch das Vorhaben, diese Sammlung einmal in Buchform zu veröffentlichen, und die Leser beteiligten sich auch hier mit Vorschlägen zum Coverdesign, dem Titel, der Struktur des Inhalts und vielem mehr.

      Hier also ist es nun, dieses Buch. Es enthält eine Auswahl der Beiträge, die im ersten halben Jahr des Sammelns zusammenkamen und die bis auf wenige Ausnahmen noch nicht in der „1904 Geschichten“-Serie im Internet veröffentlicht wurden.

      Noch ist die „magische Zahl“ an aufgeschriebenen Abenteuern bei Weitem nicht erreicht, es wird also weiterhin gesammelt (einfach den Text per E-Mail an [email protected] senden) – und somit hoffentlich einmal eine Fortsetzung dieses Bandes geben.

      So, genug der Vorrede – es wird Zeit für Königsblau: Vorhang auf!

      Matthias Berghöfer, Sommer 2011

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      Meinem Vater

      image HENNING MANN

      Auf Schalke gehe ich jetzt seit über 21 Jahren, genauer gesagt seit dem Heimspiel 1989 gegen Blau-Weiß 90 Berlin, als uns der Sieg den Verbleib in der zweiten Liga sicherte. Über 66.000 Zuschauer waren aufgrund ermäßigter Eintrittspreise ins Parkstadion gekommen und erlebten die Rettung und den Start in eine neue, erfolgreichere Zukunft.

      Das konnte damals natürlich noch keiner wissen. Am wenigsten wohl ich, doch das wäre mir in diesem Augenblick auch völlig egal gewesen. Ich habe noch heute das Bild von den Massen vor Augen, die sich in den Kurven sowie auf der Gegengeraden breitmachten. Ich bin heute noch im Besitz der Eintrittskarte: Haupttribüne, Block C, Vater-und-Sohn-Ticket, 10 DM, das stelle man sich heute mal vor. Ich weiß noch, wie fasziniert ich war von den Anfeuerungen aus der Nordkurve, von den blau-weißen Schals und Fahnen und von der tollen Stimmung, die natürlich aufgrund des Klassenerhaltes in Euphorie und Ekstase endete.

      Ich war gefangen, infiziert vom blau-weißen Virus, der mich bis heute nicht losgelassen hat, mich mein ganzes Leben begleiten wird und den ich versuchen werde, auch an meine Tochter weiterzugeben (da bin ich auf einem guten Weg, auch wenn der Kuranyi-Wechsel ein böser Rückschlag dafür war)! Wem habe ich das Ganze zu verdanken? Meinem Vater!

      Meinem Vater, der schon zu Zeiten der Glückauf-Kampfbahn auf Schalke gegangen ist.

      Meinem Vater, der die Meisterschaft 1958, den Pokalsieg 1972, aber auch den Bundesligaskandal und den ersten Abstieg live miterlebte und daher wusste, was Höhen und Tiefen auf Schalke sind.

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      Meinem Vater, der es nicht hinnehmen wollte, dass sein Sohn ein „babyblauer“ (O-Ton meines Vaters zu den Bochumer Nachbarn, hat sich bis heute in unserem Sprachgebrauch total festgesetzt) wird. Dahin war ich nämlich auf dem besten Wege: Mein Onkel war VfL-Fan und nahm mich im Alter von sieben oder acht mal mit zu einem Bundesligaspiel. Das schien ich wohl recht toll gefunden zu haben, die genauere Erinnerung daran fehlt mir aber, von Emotionen und Gefühlen wie oben beschrieben weiß ich auch nichts mehr. Gab wohl keine, weil ich von vornherein die richtigen Gene hatte. Jedenfalls wollte mein Vater damals Schlimmeres verhindern und nahm mich alsbald mit auf Schalke. Mission erfüllt, würde ich heute sagen oder den Satz zitieren, der mal bei einem Spiel gegen den Club als Spruchband gezeigt wurde: „Tradition ist nicht Asche bewahren, sondern die Weitergabe des Feuers!“

      Meinem Vater, der mich mit meiner ersten Schalke-Mütze ausstattete. Ein ganz komisches Ding, solche Mützen gibt es heute gar nicht mehr. S04-Abzeichen in der Mitte, sehr flach und am ehesten noch mit einer Kapitänsmütze vergleichbar, wenngleich ohne eigenen Schirm. Ich kann sie gar nicht genau beschreiben, in den Neunzigern waren die Dinger aber weit verbreitet! Sah wahrscheinlich verboten aus, aber ich war stolz wie Oskar!!

      Meinem Vater, der mir durch lustige und skurrile Geschichten, die er selber mit und bei unseren Blauen erlebt hat, deutlich gemacht hat, dass „auf Schalke gehen“ eben mehr ist als 90 Minuten Fußball zu gucken. Hier jetzt Beispiele zu nennen, würde den Rahmen wohl etwas sprengen, stellvertretend sei der Ordner in Block H des Parkstadions genannt, der „seinen Jungs“ zu jedem Heimspiel selbstgemachte Frikadellen mitbrachte und immer traurig war, wenn mal keiner von denen auftauchte!

      Meinem Vater, den die Liebe zu seinem Verein viel Geld kostete. Da wurden z. B. mal 1000 DM gewettet, dass Schalke bis 1999 Deutscher Meister wird, nur um den stichelnden Kollegen den Wind aus den Segeln zu nehmen (Zeitpunkt der Wette war der erste Abstieg). Es hat nicht geklappt, er hat gezahlt, aber das war es ihm wert!

      Meinem Vater, der nach außen sehr ruhig und emotionslos wirkte, sich aber nirgends so schön ärgern oder freuen konnte wie auf der Tribüne.

      Meinem Vater, der sich persönlich vom Stadiongang immer mehr verabschiedete, da seine Kumpels alle nicht mehr gingen und er ja schließlich den „Job“ an mich weitergegeben hatte.

      Meinem Vater, der am 24. Februar 2010 nach schwerer Krebserkrankung, aber zu diesem Zeitpunkt doch recht plötzlich, verstarb. Etwas über 48 Stunden später sollte Schalke im Derby gegen Lüdenscheid antreten. Ein Spiel, das mich immer schon Tage vorher in seinen Bann zieht und die Vorfreude von Stunde zu Stunde wachsen lässt. Das Spiel des Jahres!

      Diese Vorfreude war natürlich auf einen Schlag weg. Auch wenn der nahende Tod unübersehbar gewesen war, auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten.

      Dennoch stellte ich mir die Frage, ob ich das Spiel besuchen sollte, auch um mich abzulenken und ein wenig aus dem Alltag rauszukommen. Denn auch das ist ja ein Teil von Schalke, dieses Ausbrechen aus dem Alltagstrott! Trikot an heißt „Getz is Schalke“, und da ist dann irgendwie alles anders, auch wenn man immer die gleichen Leute trifft, dieselbe Biersorte trinkt oder am gleichen Stand seine Bratwurst isst. Dieses Gefühl zu beschreiben ist fast