Lieblingsplätze Chiemgau. Klaus Bovers

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Название Lieblingsplätze Chiemgau
Автор произведения Klaus Bovers
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783839263846



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      Hier fand der Chiemgau seine Mitte.

Hier fand der Chiemgau seine Mitte

      Der See, die Inseln und die Ufer

      Mit dem See hat der Chiemgau seine Mitte gefunden. Er brauchte nicht lange zu suchen, sie wurde ihm geschenkt, vor etwa 10.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit.

      Mit seinen Inseln und Buchten war er ein Präsent der Natur, und der Mensch nahm das große, fischreiche Gewässer als Geschenk gerne an. Die Kelten besiedelten Ufer und Inseln, die Römer bauten ein Kastell in Seebruck, und missionierende irische Mönche brachten im 7. Jahrhundert neue Gedanken an den See. Eine Weltsicht, die den Frieden betonte und mit dem Erfolg der christlichen Mission den Grundstock für die Klosterkultur im Chiemgau legte. 14 Klöster gab es zu ihrer Blütezeit, die Inselklöster waren dabei immer die wichtigsten.

      Um den See herum fiel die Friedensbotschaft auf fruchtbaren Boden, denn im Chiemgau blieb es immer, selbst in kriegerischen Zeiten, überwiegend friedlich. Der Chiemgauer mag’s nun mal harmonisch, und seine eigene Mitte findet er gerne dann, wenn Arbeit und Feiern im Gleichgewicht sind.

      Apropos Arbeit: Auf beiden Inseln standen schon früh bedeutende Bauwerke. Da ergibt sich die Frage, wie das seinerzeit mit der Logistik war. Für Transport und Fischerei auf dem Chiemsee gab es lange Zeit nur den Einbaum, ein primitives Fahrzeug aus der Vorzeit. Auf manchen Bildern der Chiemseemaler kann man ihn noch bewundern – und bewundern müssen wir auch die Leistung der alten Inselbaumeister.

      Der neue Inselbaumeister Ludwig II. verfügte schon über viel modernere Wasserfahrzeuge, als er Schloss Herrenchiemsee errichten ließ. Schon seit 1846 gab es nämlich auf dem Chiemsee eine Dampfschifffahrt! Das erste Fahrzeug war mehr ein Experiment, aus Fichtenholz gebaut vom Grassauer Zimmermann Wolfgang Schmid. Maschinerie und Dampfkessel kamen aus München, Letzteren fertigte der Kupferschmied Joseph Feßler. Die »Bauernarche« erntete viel Spott, aber dass sie überhaupt schwamm, war eine Sensation und fast wichtiger als die langen Stunden, die sie auf ihrer Jungfernfahrt von der Feldwies zur Fraueninsel brauchte.

      Joseph Feßler witterte trotzdem ein Geschäft, kaufte dem Zimmermann die Arche samt königlicher Lizenz ab und baute den ersten eisernen Dampfer namens Maximilian. Der hatte viele Nachfolger und alle liefen und laufen bis heute unter der Flagge der Familie Feßler. Die nach dem Tod des Märchenkönigs heftig einsetzende Neugier auf sein Inselschloss ließ den Chiemgauern keine Wahl, sie erlernten von da an den Fremdenverkehr.

      Keine Wahl hatten 80 Jahre zuvor auch die beiden Inselklöster, als sie 1803 mit der Säkularisation aufgelöst wurden. Auf der Fraueninsel durften die Nonnen zwar weiter im Kloster wohnen, aber nur, weil sich für die Gebäude kein Käufer fand. Das Kloster der Chorherren von der Herreninsel wurde dagegen verkauft, im barocken Dom wurde 1818 sogar eine Brauerei eingerichtet. Der Münchner Großkaufmann Alois Fleckinger ließ dafür die zwei Türme abreißen. Die Chiemgauer mochten sein Bier überhaupt nicht, und er gab sehr bald auf. Die Nonnen auf Frauenwörth hingegen gaben nicht auf, ihr Kloster ist heute ein spiritueller Leuchtturm.

      Die Chiemseefischer waren bis 1803 gewohnt an klösterliche und kurfürstliche Vorgaben, die neue, ungewohnte Selbstständigkeit war für sie eine große Herausforderung. Aber der See ernährte seine Fischer weiter, Renken und Brachsen wurden schließlich immer gebraucht. Zur Zeit gibt es 16 Fischer am Chiemsee, sechs davon auf der Fraueninsel, manche seit Generationen. An schönen Sommertagen, wenn sich die Fischer den See mit einem Dutzend Dampfer und Hunderten Seglern teilen, kommt es trotzdem nie zu Konflikten. In der Mitte des Chiemgaus mit seiner paradiesischen Szenerie findet jeder sehr rasch seine ganz persönliche Mitte, und sei es nur für einen Tag auf dem See.

1 Großer Wurf auf engem Raum

      Herrenchiemsee: Altes Schloss auf der Herreninsel

      Hauptsteg der Herreninsel gegen Mittag, das Schiff hat gerade seine Touristenladung entlassen. Die Dame an der Kasse fragt nach: »Nur das Alte Schloss?« Ja, ich bestehe darauf, dass ich nicht zum Kini will. Sie muss jetzt ungewohnte Prospekte zusammenstellen und ist verwirrt. Wir einigen uns auf den niedrigeren Eintrittspreis.

      Seit Langem versucht die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung mit viel Aufwand, das Alte Schloss auf der Herreninsel zu einer gleichwertigen Attraktion zu machen. Auch die Dauerausstellung zum Verfassungskonvent soll dabei helfen. Doch der Kini ist Pflicht, wie ferngelenkt strömen die Besucher zum unvollendeten, aber prächtigen Versailles-Nachbau vom Märchenkönig.

      Eher schlicht hatten es die »Väter des Grundgesetzes« im Sommer 1948, als sie in Vertretung der 11 Westländer und Berlins den Entwurf für eine neue deutsche Verfassung formulieren sollten. Der Konvent tagte im ersten Stock des ehemaligen Klosters, in einem Eckzimmer von 45 Quadratmetern, mit vier deckenhohen Fenstern und einer imitierten Holzverkleidung. Für die 23 Ländervertreter und zwei Stenografen war es eng, man drängte sich in zwei Reihen um einen Hufeisentisch. Komfort war Nebensache, wichtig war das Ergebnis. Das kann sich als Grundgesetz bis heute sehen lassen.

      Besucher lassen sich am historischen Ort dagegen wenige sehen, ungestört kann ich die ausgestellten Dokumente studieren: Kurz nach der Währungsreform gab es keine Touristen, nur ein paar Reporter und Schwärme von Mücken störten die Gespräche auf den Spaziergängen während der Inselklausur. Die Bedienung im Schlosshotel sprach von einem »lausigen Konvent«, wohl wegen der knappen Trinkgelder. Nach den braunen Bonzen war mit Männern wie Carlo Schmid und Theodor Maunz auch die Bescheidenheit mal wieder zu Gast. Für wie lange? Auch darüber kann man hier gut nachdenken.

      Einmal im Alten Schloss sollten Sie es nicht versäumen, den von Johann Baptist Zimmermann gestalteten barocken Bibliothekssaal anzuschauen.

      1

      Hier wurde 1948 unser Grundgesetz entworfen

      Altes Schloss

      Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee

      Altes Schloss 3

      83209 Herrenchiemsee

      08051 68870

       herrenchiemsee.de

2 Traumeiland ohne Hotel und Marina

      Übersee am Chiemsee: Krautinsel

      Schon ihr Name ist so anspruchslos wie kaum etwas anderes im Chiemgau. Sie duckt sich zwischen zwei weit berühmtere Chiemsee-Inseln, sodass sie der Dampferpassagier vor lauter grüner Bescheidenheit kaum wahrnimmt. Dabei ist ihre Lage höchst exklusiv, mit allen Attributen eines Geheimtipps, der Gott sei Dank niemals einen Tourismus-Baulöwen in Versuchung führen kann. Unbesiedelt und grün, das war sie schon immer und das wird sie bleiben.

      Viele Jahrhunderte diente der halbe Quadratkilometer Wildnis den Bewohnern der Fraueninsel und ihrem Kloster als Gemüsegarten und Viehweide. Heute stehen auf der Krautinsel noch ein paar Bootsschuppen, manche mit alten Betonstegen oder rostigen Geleisen, die ins Wasser führen. Im Sommer weiden unbehütet kleine Gruppen von Schafen im Schatten himmelhoher, uralter Weiden. Ansonsten gehören die Kiesufer den Genießern, die sich mit ihren eigenen oder ausgeliehenen Schifferln dort für einen Sommertag ansiedeln. Die wenigen Naturschutz-Schilder werden respektiert. Zwischen der sonnigen Hügelweide im Zentrum und dem schattigen Ufer herrscht ein stiller Frieden, der seltsam paradiesisch wirkt. Selbst an Hochsommertagen, wenn