Lieblingsplätze Vogelsberg und Wetterau. Andrea Reidt

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Название Lieblingsplätze Vogelsberg und Wetterau
Автор произведения Andrea Reidt
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783839263785



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nur Berufspendler und Schüler unterwegs waren, sondern erstmals auch Wandergruppen des Vogelsberger Höhen-Clubs – die Geburtsstunde des Vogelsbergtourismus. Später wurden Dieselloks und Schienenbusse eingesetzt, allerdings war es bald vorbei mit der fast flächendeckenden Reiseseligkeit auf Schienen. Die Bahn machte im Vogelsberg Minus und stellte den Personenverkehr 1975 ein, den Gütertransport 1994. Der Vulkanradweg entstand in den Jahren zwischen 2000 und 2007. An den Wochenenden von Mai bis Oktober picken Busse auf sechs Vulkan-Express-Linien Radfahrer auf.

      Teilstrecken des Vulkanradwegs eignen sich auch für Inliner. Die Abfahrt von Hartmannshain nach Gedern (neun Kilometer) ist die bei Longboardern populärste »schiefe Bahn« Deutschlands.

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      Vulkanradweg

      Startpunkt: Bahnhof Altenstadt-Höchst

      Bahnhofstraße 19

      63674 Altenstadt-Höchst

       www.vulkanradweg.de

      Gemeindeverwaltung Altenstadt

      Frankfurter Straße 11

      63674 Altenstadt

      06047 80000

       www.altenstadt.de

      Glauburg: Keltenwelt am Glauberg

      Es war eine Sensation in der archäologischen Szene: Das Foto der 1,86 Meter hohen, 2.500 Jahre alten Sandsteinfigur ging 1994 um die Welt. Eine fast intakte eisenzeitliche Skulptur! Nur die Füße fehlen dem Keltenherrscher mit der eigenartigen Kopfbedeckung – eine Blattkrone, sagen die Fachleute. In Europa hat man nichts Vergleichbares entdeckt. Auf die Wetterauer Menschen übte der seit der Jungsteinzeit (4.500 Jahre v. Chr.) besiedelte Glauberg immer schon eine besondere Faszination aus. Deshalb verwundert es nicht, dass man in der Region dafür kämpfte, den aus seinem Grabhügel befreiten Keltenfürsten und weitere Sandstein-Fragmente aus den Restaurationswerkstätten und Labors zurückzubekommen. Zum Schatz gehörten außerdem Gold- und Korallenschmuck, bronzene Accessoires, Waffen und gut erhaltene organische Stoffe aus Leder, Textilien und Holz. Eine Röhrenkanne mit einem fantasievoll ziselierten Deckel offenbart die hohe Handwerkskunst der ansonsten bäuerlichen Keltenkultur.

      An musealen Bewerbern zur Beherbergung des Keltenschatzes fehlte es nicht. Schließlich besann sich die hessische Landesregierung: Der Keltenfürst kehrte heim, und es entstand ein gigantisches Museumsprojekt, verbunden mit einem eisenzeitlichen Forschungszentrum. Der mehrfach preisgekrönte quaderförmige Guckkastenbau, der wie ein geducktes Riesentier vorsichtig aus dem Berg herauszukriechen scheint, verfügt über ein gebäudebreites Panoramafenster. Von hier aus blickt man auf den rekonstruierten Grabhügel Nummer eins, den frei zugänglichen Archäologischen Park und die selbst an einem nieselgrauen Novembertag faszinierende Wetterau-Landschaft mit aufsteigenden Nebelschwaden, hinter denen eine blasse Sonne sich kaum bemerkbar macht.

      Der Glauberg ist ein bedeutendes Ausflugsziel in der Region. Vom Bahnhof in Glauburg aus führen Rad- und Fußwege auf den »heiligen Berg« der Kelten.

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      Keltenwelt am Glauberg

      Am Glauberg 1

      63695 Glauburg

      06041 823300

       www.keltenwelt-glauberg.de

      Ortenberg: Evangelische Marienkirche

      Das mittelalterliche Städtchen Ortenberg im Niddertal strebt nach Höherem. Nicht dass der Wetterauer Ort besonders hoch läge, aber seine Gassen schmiegen sich in Südhanglage an eine Basaltkuppe. Auf deren Gipfel recken sich drei Türme gen Himmel: der Turm der gotischen Hallenkirche mit vier Giebeln, die Oberpforte – Eckpfeiler der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert – und der runde neuzeitliche Eckturm des Schlosses. Auf der inneren, der Altstadt zugewandten, Seite klafft der Torbau mauerfrei und erinnert an eine Guckkastenbühne. Ursprünglich war er mit Fachwerk und später mit Lehmwänden und Bohlen verkleidet. Außen klebt unterhalb des Daches ein kleiner Balkon, der keineswegs der schönen Aussicht dienen sollte. Diese »Pechnase« ist nach unten offen und bezeugt die Wehrhaftigkeit des Bauwerks.

      Der Kirchturm trägt einen der ältesten Turmdachstühle in Deutschland, auf 1368 datiert. In einem Seitenschiff der Evangelischen Marienkirche befindet sich eine Kopie des prächtigen Ortenberger Altars, des dreiflügeligen Kunstwerks Heilige Sippe von 1430, dessen Original im Landesmuseum Darmstadt aufbewahrt wird. Der Mittelteil des Altars zeigt Die Jungfrau Maria inmitten ihrer Verwandten, ein schimmernder Anblick in Blattgold und Blattsilber. Hat man sich sattgesehen, lohnt ein Augenaufschlag zur Gewölbedecke, die mit freigelegten und fein restaurierten Blumenornamenten verziert ist. Diese »Marienkräuter« inspirierten Ortenberger Pflanzenfans vor einigen Jahren, an der Kirchenmauer einen Marienkräutergarten mit Heilpflanzen anzulegen und diese auf Schiefertäfelchen zu bezeichnen.

      Auch nachts blicken die Ortenberger gern nach oben: Die Stadtlaternen enthalten Scherenschnitte zur Stadtgeschichte von Albert Völkl.

      Der Kalte Markt von Ortenberg mit etwa 400 Marktständen hat einen Ruf als größtes Volksfest Oberhessens. Seit dem 13. Jahrhundert deckt man sich darauf Ende Oktober mit Vorräten für den Winter ein.

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      Evang. Marienkirche

      Schlossplatz 2

      63683 Ortenberg

      06046 800019

       www.ortenberg.net

      Ortenberg: Musikinstrumenten-Museum Lißberg

      Das kleine, aus allen Nähten platzende Museum für Musikinstrumente in einer Sackgasse zu Füßen der Burg Lißberg im gleichnamigen Dorf zeigt die weltgrößte Schau von Drehleiern und Dudelsäcken. Großspender dieses musealen Hotspots mit 2.200 seltenen und originellen Exponaten ist der Frankfurter Grafikdesigner und Drehleierbauer Kurt Reichmann. Aus seiner Schatzkiste stammt ein Großteil der Instrumente, zu denen Raritäten wie ein Nürnberger Geigenwerk, eine Dulzaina (altspanische Oboe), zwei äußerst seltene Orgelleiern und ein Bassanello (venezianische Schalmeienart) gehören sowie zahllose weitere Blasinstrumente aus vielen Kulturen.

      Mit der Drehleier, einem populären alten Streichinstrument, nicht zu verwechseln mit einem Leierkasten, ist die tragische Geschichte der hessischen »Hurdy-Gurdy-Girls« verbunden. In den bitterkalten 1820er-Jahren verlegten sich arme Familien in Wetterau, Vogelsberg, Taunus und Westerwald darauf, Fliegenwedel aus Holzspänen herzustellen, die im Sommer von Hausierern verkauft wurden. Diese Landgänger unterhielten die Bevölkerung auch musikalisch. Oft wurden sie von sehr jungen Mädchen begleitet, die Drehleier spielten und tanzten. Bald schon zogen Seelenverkäufer auf der Suche nach 13-Jährigen von Dorf zu Dorf, häufig ließen die Eltern sie gehen – eine Esserin weniger am Familientisch war Lohn genug. Viele Mädchen landeten in Londoner Animierbars und Bordellen, manche gelangten nach Übersee