Lieblingsplätze Vogelsberg und Wetterau. Andrea Reidt

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Название Lieblingsplätze Vogelsberg und Wetterau
Автор произведения Andrea Reidt
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783839263785



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Kupfer (grün und rot), Eisenfeilspäne (gelb), Kobalt (blau). Noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert »herrschte die einfache Irdenware in den Küchen vor«, berichtet Elisabeth Johann – Schüsseln, Siebe, Tiegel, Wasser- und Ölkrüge, Kannen, Teller, Becher. An einem Haken über dem offenen Herdfeuer hing der eiserne Kessel, Tontöpfe aber »hatten häufig drei Beine, um Glut darunter zu schieben«. Manche Tongefäße waren reich verziert mit Maiglöckchen, Vögeln, Blättern, Fingertupfenleisten, Monogrammen und Inschriften. Außerdem bauten die Töpfer Kachelöfen. Ungefähr 200 Jahre florierte dieses Handwerk in Altenstadt, Oberau, Höchst, Rommelshausen. 67 Töpferfamilien, die ihr Handwerk über viele Generationen weitergaben, fand die Keramikforscherin in den Kirchenbüchern dieser Orte. Die Vermarktung besorgten meist andere: Allein das Gewerberegister von Oberau nennt 22 Personen, die zwischen 1844 und 1860 mit Tongeschirr handelten. Schon bald darauf aber kam industriell gefertigtes Emaille-Geschirr in Mode – das Töpfern ernährte keine Familie mehr.

      Die Tradition der »Dippemess« überlebte unter diesem Namen nur in Frankfurt. Keramik- und Töpfermärkte finden in Hessen zwischen April und Oktober statt.

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      Heuson-Museum im Historischen Rathaus

      Rathausgasse 6

      63654 Büdingen

      06042 950032

       www.heuson-museum.de

      Büdingen: Sandrosenmuseum im Jerusalemtor

      Ob diese formschönen Rosensteine im Naturschutzgebiet Hölle von Rockenberg gefunden wurden – das möchte Lothar Keil, Betreiber des Büdinger Sandrosenmuseums im Jerusalemer Tor, nicht verraten. Zu viel Raubbau wurde in der Vergangenheit in Rockenberg betrieben – dem einzigen Fundort von Barytrosen in Europa. Bevor das Areal 1994 zum Naturschutzgebiet erklärt und jegliche Kraxelei an der steilen Sandwand unterbunden wurde, waren die Tertiärquarzite beliebte Sammelstücke, die Vorgärten und Fensterbänke zierten. Heute sind fast alle Rockenberger Fundstellen außerhalb des Naturschutzgebietes abgeräumt, häufig mit Bauschutt verschlossen. Wer die gelb, rot, schwarz, weiß oder violett schimmernden Kristalle, die bis zu 30 Zentimeter Durchmesser haben können, aus der Nähe betrachten möchte, sollte sich nach Büdingen begeben und die einmalige Sandrosen-Sammlung besichtigen.

      Die Kristalle basieren auf einer chemischen Verbindung von Schwerspat (Bariumsulfat), Sand und einer kleinen Menge von Eisen- und Manganoxid. Aus hochmineralisierten Lösungen kristallisiert Schwerspat und schließt die Quarzkörner des umgebenden Sandes ein – ein Wachstum, das 25 Millionen Jahre dauert. Lothar Keil besitzt Tausende von geologischen Exponaten, darunter Dutzende von Sandrosen. Lebenslang wollte der Mittsiebziger wissen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«, mit der Schippe und Schaufel erspürte der Mann die Erdgeschichte nördlich des Mains zwischen Vogelsberg und Taunus.

      Der Naturschutz in der 13 Hektar großen Sandabbaufläche Rockenberg soll Tiere und Pflanzen auf Mager- und Heiderasen und im sumpfigen Flachwasser behüten. Nachzüchtungen der hochgradig gefährdeten Sumpfschildkröten aus dem Frankfurter Zoo wurden hier erfolgreich ausgewildert.

      Die »Hölle von Rockenberg« darf zwar nicht betreten werden, ist aber von einem Aussichtspunkt aus einsehbar (www.rockenberg.de/natur-umwelt/)

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      Sandrosenmuseum Lothar Keil

      Jerusalemertor/Untertor

      63654 Büdingen

       www.buedingen.info

      Altenstadt: Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal

      Ich stehe auf einer Anhöhe in der südlichen Wetterau. In der Ferne brummt ein Traktor, in der Nähe ertönt Pferdegetrappel. In der Senke ruft Glockengeläut zu Vesper und Abendlob in die barocke Klosterkirche der Abtei Kloster Engelthal. Ein Tal, durch das Engel schweben, abgeschieden und doch mittendrin: 30 Kilometer nordöstlich des dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiets liegt seit 750 Jahren malerisch am Waldrand ein Frauenkloster. In der 1962 nach 159 Jahren Pause von Benediktinerinnen wiederbelebten Abtei Engelthal leben heute 16 Nonnen.

      Neben Gebet, Gottesdienst und Fürbitte ist das oberste Lebensziel der Benediktinerinnen die Pflege der Gemeinschaft und der Gastfreundschaft. Ihren Unterhalt verdienen sie mit zwei Gästehäusern, in denen etwa 6.000 Besucher jährlich logieren. Jeder und jede, die für eine Weile der Rushhour des Lebens entkommen möchte, ist willkommen. Mit offenen Armen werden vor allem junge Frauen empfangen, die sich für die spirituelle Lebensweise der Benediktinerinnen interessieren.

      In einer professionellen Werkstatt haben sich einige Nonnen darauf spezialisiert, Gemälde und Skulpturen zu restaurieren, vorrangig Objekte aus dem Mainzer Dom- und Diözesanmuseum. Eine wahre Fundgrube stellt die Buch- und Kunsthandlung gleich hinter dem Eingang zum Geviert der Klostergebäude dar. Dort gibt es keineswegs nur geistlich-geistigen Lesestoff, sondern auch Devotionalien, Kerzen, handgemachte Seifen, Keramik, Goldschmiedekunst, allerlei Teesorten, Dinkelkissen, Marmeladen, Wein, Ringelblumensalbe und sogar Honigbärchen.

      Ein friedvoller Ort. Das war nicht immer so: Archäologen fanden in einer barocken Schuttgrube 800 Jahre alte Glasfensterscherben – Reste von Plünderung und Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg.

      Für ihr modernes Ökologiekonzept erhielten die Nonnen den Umweltpreis des Bistums Mainz. Sie heizen mit Holzpellets, nutzen Regenwasser und Sonnenlicht, und ein »Maximum-Wächter« kappt schon mal den Strom.

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      Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal

      Klosterstraße 2

      63674 Altenstadt

      06047 96360

       www.abtei-kloster-engelthal.de

      Altenstadt: Vulkanradweg ab Höchst

      Eine der beschaulichsten Fahrradstrecken Hessens führt von Höchst an der Nidder in der Wetterau bis Schlitz im Vogelsberg: der 96 Kilometer lange Vulkanradweg. Wer der Trasse der ehemaligen Oberwaldbahn auf Feinasphalt folgt, trampelt an der Nidder entlang bis zum mit 585 Metern höchsten Punkt der Strecke in Hartmannshain. Doch keine Sorge: Steigung und Gefälle betragen lediglich bis zu drei Prozent, sind also bedingt schweißtreibend.

      Nur 100 Jahre ist es her, dass Dampflokomotiven den Vogelsberg zum ersten Mal durchquerten und der Landbevölkerung das Tor zur weiten Welt öffneten. Das Großherzogtum Hessen war spät dran mit Anschlüssen an das Eisenbahnnetz. Immerhin wurde die Kreisstadt Lauterbach 1870 an die Bahnstrecke Gießen–Fulda angebunden. Auch die befestigte Staatsstraße für Kutschen von Lauterbach nach Friedberg, die heutige Bundesstraße 275, war erst 13 Jahre zuvor vollendet worden.

      Erst ab 1906 konnte man lückenlos auf Schienen von Lauterbach bis Stockheim mit Anschluss nach Bad Vilbel und Frankfurt fahren – damals noch mit einer vierten (Steh-)Klasse versehen,