Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Sie fand scharfe Wendungen und giftige Bosheiten, um den Ministerpräsidenten zu treffen. Sie verquickte, wie es nur eine Frau vermag, spöttische Bemerkungen über sein Gesicht mit denen über seine Politik in so komischer und geistreicher Weise, dass man lachen und zugleich die Richtigkeit und Schärfe ihrer Beobachtung billigen musste. Du Roy setzte zuweilen einige Zeilen hinzu, die die Tragweite und Wirkung des Angriffs vertieften und verschärften. Er verstand sich vortrefflich auf die Kunst, versteckte und zweideutige Bosheiten anzubringen; er hatte es gelernt, als er den Nachrichtenteil redigierte; und wenn eine Tatsache, die Madeleine für unanfechtbar hielt, ihm zweifelhaft oder gefährlich erschien, so ließ er sie nur ahnen und brachte es meisterhaft fertig, sie dem Leser im Geiste noch schärfer einzuprägen, als wenn er etwas Positives behauptet hätte.
Als der Artikel beendet war, las ihn Georges laut und pathetisch vor. Sie fanden ihn beide ausgezeichnet und lächelten sich überrascht und entzückt zu, als hätten sie sich einander offenbart. Bewundernd und zärtlich sahen sie sich in die Augen und dann umarmten sie sich stürmisch, heiß und leidenschaftlich. Du Roy nahm die Lampe:
»Und nun ins Bettchen«, sagte er mit einem glühenden Blick.
Sie antwortete:
»Gehen Sie voran, mein Gebieter, und beleuchten Sie mir den Weg.«
Er ging voran und sie folgte ihm ins Schlafzimmer, dabei kitzelte sie ihn mit den Fingern zwischen Nacken und Kragen, damit er rascher gehen sollte, denn diese Art Liebkosung konnte er nicht vertragen.
Der Artikel erschien mit der Unterschrift »Georges Du Roy de Cantel« und erregte großes Aufsehen. In der Kammer gab es eine stürmische Sitzung. Vater Walter beglückwünschte den Verfasser und übertrug ihm die politische Redaktion der Vie Française. Die Lokalnachrichten übernahm wieder Boisrenard.
Es begann nunmehr in der Zeitung ein geschickter und heftiger Feldzug gegen das zuständige Ministerium. Die Angriffe waren gewandt und schlau geführt und auf Tatsachen aufgebaut, bald ironisch, bald ernst, bald humoristisch, bald giftig; sie trafen scharf und sicher, sodass alle Welt erstaunt war. Die anderen Blätter zitierten fortwährend die Vie Française und druckten ganze Spalten ab, und die einflussreichen, politischen Machthaber erkündigten sich, ob man diesen unbekannten, erbitterten Feind nicht mit Hilfe einer Präfektur zum Schweigen bringen könnte.
In politischen Kreisen wurde Du Roy bald eine vielgenannte Persönlichkeit.
Er spürte seinen wachsenden. Einfluss an den Händedrücken und der Art des Hutabnehmens. Und seine Frau wiederum erfüllte ihn mit Staunen und Bewunderung durch den Scharfsinn ihres Geistes, die Geschicklichkeit ihrer Informationen und die Zahl ihrer Bekanntschaften.
Wenn er nach Hause kam, fand er stets in seinem Salon irgendeinen Senator oder Abgeordneten, einen höheren Staatsbeamten oder General, die mit Madeleine wie mit einer alten Freundin ernst und vertraulich verkehrten. Wo hatte sie alle diese Leute kennengelernt? In der Gesellschaft, meinte sie. Aber wie war es ihr gelungen, ihr Vertrauen und ihre Freundschaft zu gewinnen? Das konnte er nicht begreifen.
»Sie wäre ein schlauer und tüchtiger Diplomat«, dachte er.
Oft kam sie zu spät zum Essen und stürzte dann außer Atem rot und erregt ins Zimmer, und ehe sie noch den Schleier abgelegt hatte, sagte sie:
»Heute habe ich was Interessantes. Denke dir, der Justizminister hat zwei Richter ernannt, die Mitglieder der gemischten Kommission waren. Wir werden ihm eins versetzen, an das er lange denken wird.«
Und der Minister bekam eins versetzt, und am nächsten Tage eins und am übernächsten noch eins. Der Abgeordnete Laroche-Mathieu, der jeden Dienstag in der Rue Fontaine zu Mittag aß — nachdem Graf Vaudrec am Tage vorher den Anfang gemacht hatte —, schüttelte kräftig und energisch der Frau und dem Gatten die Hand und war außer sich vor Freude. Er wiederholte immerfort:
»O Gott, das ist ein richtiger Feldzug. Wenn wir jetzt keinen Erfolg haben …«
Er hoffte sehr, auf diese Weise das Portefeuille des Auswärtigen zu ergattern, auf das er schon lange hinzielte.
Er war einer von diesen Politikern mit mehreren Gesichtern ohne Überzeugung, ohne große Fähigkeiten, ohne Mut und ernstliche Kenntnisse; er war Provinzadvokat und galt in einer Departementhauptstadt als hübscher Mann; er verstand es, durch alle Parteien sich durchzuschlängeln, er war eine Art von republikanischer Jesuit, ein liberaler Pilz von höchst zweifelhaftem Wesen, wie sie zu Hunderten auf dem volkstümlichen Düngerhaufen des allgemeinen Stimmrechts gedeihen. Seine machiavellistische Bauernschlauheit ließ ihn unter seinen Kollegen, unter diesen entgleisten und gescheiterten Existenzen, aus denen Abgeordnete gewählt werden, als stark und gewandt erscheinen. Er war elegant, korrekt, gemütlich und liebenswürdig genug, um Karriere zu machen. In der Gesellschaft hatte er Erfolg, allerdings in der ziemlich wahllos durcheinander gemischten und wenig vornehmen Gesellschaft der heutigen hohen Staatsbeamten.
Man sagte überall von ihm: »Laroche wird einmal Minister.« Und er war genau so fest wie die anderen überzeugt, dass er einmal Minister würde.
Er war Hauptaktionär der Zeitung des Vater Walter und war fast an allen seinen finanziellen Unternehmungen beteiligt.
Du Roy unterstützte ihn vertrauensvoll mit etwas unklaren Hoffnungen für die spätere Zukunft. Übrigens setzte er damit nur das Werk fort, das Forestier begonnen hatte. Diesem hatte Laroche-Mathieu die Ehrenlegion versprochen, sobald der Tag des Sieges gekommen sei. Nun musste der Orden auf die Brust des neuen Gatten von Madeleine übergehen. Das war alles. Sonst hatte sich eigentlich nichts geändert. Man empfand es so deutlich, dass sich nichts geändert hatte, dass Du Roys Kollegen ihn zu necken begannen, was ihm auf die Dauer lästig wurde.
Man nannte ihn nur noch Forestier. Sooft er ins Redaktionsbüro kam, rief jemand: »Sag’ mal, Forestier.«
Er tat so, als ob er nicht hörte und begann, die Briefe aus dem Schubkasten herauszusuchen. Dieselbe Stimme wiederholte noch lauter:
»He, Forestier!«
Und er vernahm ein unterdrücktes Gelächter.
Du Roy ging nach dem Büro des Direktors, und der, welcher ihn eben gerufen hatte, trat ihm in den Weg und sagte:
»Oh,