Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
---|---|
Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Der Wagen fuhr schneller. Er kam an den Stadtbefestigungen vorbei. Du Roy sah vor sich auf dem Himmel einen roten Schimmer, gleich dem Feuerschein, einer ungeheuren Esse. Er vernahm ein verworrenes gewaltiges, ununterbrochenes Getöse, das sich aus unzähligen, verschiedenartigen Geräuschen zusammensetzte, ein dumpfes Brausen, das bald näher, bald weiter klang, ein unbestimmtes, ungeheueres Vibrieren des Lebens, den Atem von Paris, das in dieser Sommernacht wie ein müder und erschöpfter Koloß keuchte.
Georges dachte: »Ich wäre ja schön dumm, wenn ich mich ärgern würde. Jeder für sich. Der Sieg gehört dem Mutigen. Alles ist nur Egoismus. Der Egoismus und der Ehrgeiz, vorwärts zu kommen und sich ein Vermögen zu erwerben, ist mehr wert als der Ehrgeiz, eine Frau zu besitzen und zu lieben.«
Am Eingange der Stadt wurde der Triumphbogen mit seinen beiden Riesenschenkeln sichtbar. Er glich einem gewaltigen Ungeheuer, das sich in Bewegung setzen wollte, um die breite Avenue hinabzuschreiten. Georges und Madeleine fuhren nun wieder in der langen Reihe der heimkehrenden Wagen, die die leidenschaftlichen und stummen Liebespaare nach Hause führten. Ihm war, als ob die ganze Menschheit, berauscht von Liebe, Lust und Glück, an ihm vorüberfuhr.
Die junge Frau schien zu ahnen, was im Inneren ihres Mannes vorging, und sie fragte ihn mit sanfter Stimme: »Woran denkst du, mein Freund? Seit einer halben Stunde hast du nicht ein Wort gesprochen.«
Er erwiderte etwas höhnisch:
»Ich denke an alle diese Dummköpfe, die sich umarmen und küssen, und ich meine, man hat im Leben wirklich Besseres und Wichtigeres zu tun.«
»Nun ja,« murmelte sie, »aber manchmal ist es doch sehr schön.«
»Wenn man nichts anderes zu tun hat, dann ja, natürlich ist es schön.«
Georges Gedanken waren von Wut und Bosheit erfüllt, und er bemühte sich, sein Leben jeglicher Poesie zu entkleiden. »Ich bin nicht so dumm,« dachte er, »um Rücksichten zu nehmen und auf irgendetwas zu verzichten, mir Sorgen und Ärger zu bereiten, wie ich es seit einiger Zeit tue.« Der Gedanke an Forestier flog ihm noch einmal durch den Kopf, ohne in ihm eine Erregung auszulösen. Es war ihm, als hätten sie sich wieder ausgesöhnt, als wären sie wieder Freunde geworden. Er hatte Lust, ihm zuzurufen: »Guten Abend, alter Freund.«
Madeleine schien dieses Schweigen zu bedrücken und sie fragte:
»Wollen wir, ehe wir nach Hause fahren, bei Tortoni ein Eis essen?« Er blickte sie von der Seite an. Das helle Licht einer Gasgirlande vor einem Café-Chantant fiel auf ihr feingeschnittenes blondes Profil; er dachte: »Sie ist doch hübsch. Umso besser! Wie du mir, so ich dir, meine schöne Gefährtin; aber dass ich mir deinetwegen Sorgen mache — nein, eher glüht der Nordpol vor Hitze!« Und laut antwortete er:
»Sehr gern, mein Liebling.«
Damit sie nichts merken sollte, küsste er sie. Doch der jungen Frau erschienen die Lippen ihres Mannes eiskalt.
Trotzdem lächelte er ihr wie gewöhnlich zu und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen aus dem Wagen zu helfen.
III.
Als Du Roy am nächsten Morgen auf die Redaktion kam, ging er sofort zu Boisrenard.
»Mein lieber Freund,« sagte er, »ich muss dich um eine Gefälligkeit bitten. Seit einiger Zeit findet man Spaß daran, mich Forestier zu nennen. Mir wird es allmählich zu dumm, und ich bitte dich daher, deinen Kollegen in aller Freundschaft mitzuteilen, ich würde jeden, der sich noch einmal den Scherz erlaubt, ohrfeigen. Sie mögen sich selbst überlegen, ob die Albernheit einen Degenstich wert ist. Ich wende mich an dich, weil du ein ruhiger Mensch bist, der ärgerliche Verwicklungen verhindern kann und außerdem, weil du bei meinem Duell sekundiert hast.«
Boisrenard versprach den Auftrag auszuführen. Du Roy verließ die Redaktion, um ein paar Besorgungen zu machen und kam nach einer Stunde wieder. Niemand nannte ihn mehr Forestier.
Als er nach Hause kam, hörte er Frauenstimmen im Salon.
»Wer ist da?« fragte er.
»Madame Walter und Madame de Marelle«, antwortete der Diener.
Sein Herz begann zu klopfen, dann sagte er sich: »Halt, ich will mal sehen«, und er öffnete die Tür.
Clotilde saß in der Ecke am Kamin. Ein Sonnenstrahl, der vom Fenster kam, beleuchtete sie. Es kam Georges vor, als würde sie bei seinem Anblick ein wenig blasser. Er begrüßte zuerst Frau Walter und ihre beiden Töchter, die wie zwei Schildwachen neben der Mutter saßen, dann wandte er sich zu seiner früheren Geliebten. Sie reichte ihm die Hand, er ergriff sie und drückte sie kräftig, als ob er sagen wollte: »Ich liebe Sie noch immer.« Sie erwiderte seinen Druck. Er fragte:
»Ist es Ihnen gut ergangen, seit der Ewigkeit, wo wir uns nicht mehr gesehen haben?«
»Sehr gut, und Ihnen, Bel-Ami?«
Dann wandte er sich an Madeleine und fügte hinzu:
»Du gestattest doch, dass ich ihn noch immer Bel-Ami nenne?«
»Selbstverständlich, liebste Clotilde, ich erlaube dir alles, was du willst.«
Eine leichte Ironie schien durch diese Worte hindurch zuklingen. Madame Walter sprach von einem Fest, das Jacques Rival in seiner Junggesellenwohnung geben wollte, einer großen Festvorstellung, zu der auch die Damen der Gesellschaft eingeladen werden sollten.
Sie sagte: »Das wird sehr interessant werden, aber ich bin verzweifelt, denn wir haben niemanden, der uns begleiten könnte, und mein Mann muss ausgerechnet an diesem Tage verreisen.«
Du Roy stellte sich sofort zur Verfügung, und sie nahm sein Anerbieten an.
»Meine Töchter und ich werden Ihnen sehr dankbar sein.«
Er betrachtete die jüngere der beiden Fräulein Walter und dachte: »Sie ist nicht schlecht, die kleine Suzanne, wahrhaftig nicht!«
Sie sah wie ein zartes, blondes Püppchen aus. Ein bisschen zu mager, aber sehr zierlich, mit schlanker Taille, entwickeltem Busen und Hüften, mit einem ganz feinen Gesichtchen, mit blaugrauen Emailleaugen, die wie mit dem Pinsel eines hervorragenden Miniaturmalers gemalt zu sein schienen. Sie hatte eine etwas zu weiße, zu glatte und gleichmäßige Haut, ihr Haar war gut frisiert und bildete eine künstlich gekräuselte