Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Ganz leise flüsterte er:
»Ich werde dich sehr liebhaben, meine kleine Made.«
Der zarte Klang der Stimme erregte plötzlich die junge Frau und ein leises Zittern lief über ihre Haut. Sie bot ihm ihre Lippen, indem sie sich über ihn neigte, denn er hatte die Wange auf ihren warmen Busen gelegt.
Es war ein langer, tiefer und stummer Kuss. Dann sprang er auf und riss sie rasch und wild an sich. Es folgte ein keuchendes Ringen und eine heftige und ungeschickte Umarmung. Dann blieben sie Arm in Arm liegen, beide ein wenig enttäuscht, müde und immer noch zärtlich, bis das Pfeifen des Zuges die Nähe des Bahnhofs ankündigte.
Sie glättete mit den Fingerspitzen die zerzausten Haare an den Schläfen und erklärte:
»Es war recht töricht; wir sind wie die kleinen Kinder.«
Aber er küsste ihr hastig und fieberhaft die beiden Hände, eine nach der anderen und erklärte:
»Ich liebe dich über alles, meine kleine Made.«
Bis Rouen saßen sie Wange an Wange gelehnt, fast unbeweglich, und blickten durch das Fenster in die Nacht hinaus, und sahen hin und wieder die Lichter einzelner Häuser vorüberfliegen.
Sie waren zufrieden, so nahe beieinander zu sein und träumten von der inneren Annäherung und Vereinigung, die sie erwarteten.
Sie stiegen in einem Hotel ab, dessen Fenster nach dem Ufer hinausgingen. Nachdem sie abends ein wenig gegessen hatten, gingen sie zur Ruhe.
Das Zimmermädchen weckte sie am nächsten Morgen um acht Uhr und stellte zwei Tassen Tee auf den Nachttisch.
Duroy sah seine Frau an und schloss sie in seine Arme mit stürmischer Freude eines Mannes, der einen kostbaren Schatz gefunden hat, und leise flüsterte er ihr ins Ohr:
»Meine kleine Made, ich fühle, dass ich dich sehr, sehr, sehr liebe!«
Sie lächelte ihm zufrieden und vertrauensvoll zu, erwiderte seine Küsse und murmelte:
»Ich dich auch … vielleicht …«
Der bevorstehende Besuch bei seinen Eltern beunruhigte Duroy. Er hatte seine Frau schon oft gewarnt und auf alles vorbereitet. Jetzt fing er noch einmal an:
»Weißt du, es sind Bauern, richtige Bauern vom Lande, nicht von der komischen Oper.«
Sie lachte: »Ich weiß es doch, du hast mir oft genug das gesagt. Also steh auf, und lass mich auch aufstehen.«
Er sprang aus dem Bett, zog seine Strümpfe an und sagte:
»Wir werden es sehr unbequem haben. In meinem Zimmer steht nur ein Bett mit einem Strohsack. In Canteleu kennt man keine Rosshaarmatratzen.«
Sie schien entzückt zu sein.
»Umso besser. Es wird so herrlich sein, mal schlecht neben … neben dir zu schlafen… und mit dem Hahnenschrei aufzuwachen.«
Sie hatte einen Morgenrock aus weißem Flanell angezogen, den Duroy sofort erkannte. Dieser Anblick war ihm unangenehm. Warum? Er wusste, dass seine Frau ein volles Dutzend solcher Morgenkleider hatte. Sie konnte freilich nicht ihre Aussteuer vernichten, um sich eine neue zu kaufen. Wie es auch sei, es wäre ihm lieber gewesen, dass ihre Wäsche, ihre Nacht- und Leibwäsche nicht die gleiche wäre wie bei dem anderen. Ihm schien, als ob der weiche, warme Stoff etwas von Forestiers Berührung bewahrt haben müsste.
Er ging ans Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Der Anblick des Hafens und des breiten Stromes mit seinen Schiffen und ihren schlanken Masten, mit seinen plumpen Dampfern, deren Ladung von Dampfkränen mit lautem Lärm auf die Kais ausgeladen wurde, — das alles packte ihn, obwohl er es schon lange kannte. Und er rief:
»O Gott, ist das schön!«
Madeleine kam herbei, legte ihre beiden Hände auf seine Schultern, beugte sich in hingebender Haltung zu ihm herab. Sie war gleichfalls hingerissen und entzückt:
»Oh! Das ist herrlich! Oh, wie herrlich! Ich wusste gar nicht, dass es hier so viele Schiffe gibt.«
Eine Stunde später fuhren sie ab; sie wollten bei den Alten zum Frühstück sein, denn sie hatten sie mehrere Tage vorher benachrichtigt.
Eine offene, alte Droschke fuhr sie langsam mit furchtbarem Gerassel zuerst eine ziemlich langweilige Allee entlang, dann fuhren sie über eine Wiese, die ein Fluss durchströmte und stiegen endlich langsam ein hügliges Gelände hinauf.
Madeleine war müde und erhitzt von der frischen Landluft und der wundervollen Frühlingssonne, und schlief in einer Ecke des alten Wagens ein.
Ihr Gatte weckte sie:
»Sieh dir das an!« sagte er.
Sie hatten etwa zwei Drittel der Steigung überwunden und machten an einem berühmten Aussichtspunkt halt, wohin alle Fremden geführt wurden. Man übersah von hier das weite Tal, das der breite Fluss in vielen Windungen durchströmte. Man sah ihn in der Ferne mit seinen vielen Inseln, bis er kurz vor Rouen einen weiten Bogen machte. Weiterhin ragte die Stadt am rechten Ufer etwas verschwommen im Morgennebel, in der Ferne blitzten die Sonnenflecke auf den Dächern und den tausend feinen gotischen Kirchentürmchen, überragt von der hässlichen, seltsamen und unproportionierten Bronzespitze der Kathedrale.
Auf der anderen Flussseite ragten rund und oben ausgebaucht die noch zahlreicheren, dünnen Fabrikschornsteine der großen Vorstadt Saint-Sevère und spien aus den Ziegelsäulen ihren schwarzen Kohlenqualm in den blauen Himmel hinauf.
Der Kutscher wartete geduldig, bis seine Fahrgäste sich hinreichend entzückt hatten. Aus seiner langjährigen Erfahrung wusste er ziemlich genau die Dauer der Bewunderung bei Reisenden jedes Schlages.
Als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte, bemerkte plötzlich Duroy ein paar hundert Schritt von ihm entfernt zwei alte Leute, die ihnen entgegenkamen; er sprang aus dem Wagen und rief:
»Da sind sie; ich erkenne sie.«
Es waren zwei Bauern, ein Mann und eine Frau, die mit unregelmäßigen Schritten daherkamen und sich dann und wann mit den Schultern anstießen. Der Mann war klein, rot und untersetzt, mit etwas dickem Bauch, aber kräftig trotz seines hohen Alters. Die Frau war groß, mager, dürr, etwas gekrümmt und sah mürrisch und vergrämt aus, wie eine richtige Feldarbeiterin,