Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1. Martina Meier

Читать онлайн.
Название Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1
Автор произведения Martina Meier
Жанр Книги для детей: прочее
Серия Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783960743323



Скачать книгу

ihre Nasen in die Höhe und gucken sie mit ihren dunklen Knopfaugen neugierig an. „Na ihr Kleinen“, flüstert sie und streichelt ihnen über das samtweiche Fell. Sie schämt sich plötzlich für ihren schrecklichen Ausbruch. Und dabei wollte sie einfach nur konsequent sein. Wenn sie an das Tierheim denkt, schämt sie sich noch mehr. Sie nimmt einen der kleinen Nager in die Hand und drückt sanft ihre Wange in das weiche Fell. Ein Gefühl von Zärtlichkeit durchströmt sie augenblicklich, und sie muss lächeln. „Na, was meinst du, mein Kleiner, sollte man nicht einfach mal über seinen Schatten springen und aus dem Herzen heraus handeln?“ Sie lacht. „Dann braucht ihr aber noch jede Menge toller Sachen für euer neues Heim, und die werden wir sofort besorgen.“ Als sie das Meerschweinchen wieder in den Karton zurücksetzt, fällt ihr ein Zettel auf, der halb unter dem Heu vergraben liegt. Sie nimmt ihn heraus und liest:

      Liebe Lotta,

      Rosa hat Babys bekommen! Für den Fall, dass der Weihnachtsmann keine Zeit hat, dir die Meerschweinchen zu bringen, überrasche ich dich einfach mit diesen beiden Weihnachts-Meeris. Ich habe keine Zeit, sie dir persönlich zu geben, weil wir ganz früh zu Oma fahren, darum stelle ich sie dir einfach vor die Haustür. Ich hoffe, deine Eltern schimpfen nicht. Ich rufe dich heute Abend an.

      Deine Steffi

      „Lotta, hier ist Mama, bitte mach die Tür auf.“

      „Nein“, schluchzt Lotta.

      „Aber es ist doch Weihnachten. Der Weihnachtsmann war auch schon da. Möchtest du denn gar nicht wissen, was er dir gebracht hat?“

      „Nein!“

      „Lotta, bitte sei mir nicht mehr böse. Es tut mir so leid, dass ich dich verletzt habe. Komm doch wenigstens zum Essen. Ich habe extra dein Lieblingsgericht gekocht.“

      Lotta reibt sich die Augen. Ihr Magen knurrt. „Spagetti mit Tomatensoße?“, fragt sie leise.

      „Ja, meine Süße.“

      Na gut, denkt Lotta, ein paar Spagetti können ja nicht schaden, und öffnet die Tür.

      Der bunt geschmückte Weihnachtsbaum mit den vielen Kerzen ragt bis zur Zimmerdecke hinauf. Lotta wirft einen Blick auf die darunterliegenden Geschenke. Sie will nur Meerschweinchen, nichts anderes. Stumm setzt sie sich auf ihren Platz. Dabei fällt ihr Blick direkt auf ein Gehege, in dem zwei Meerschweinchenkinder im Heu hin und her wetzen. Sie glaubt zu träumen.

      Lottas Mutter drückt ihre Hand. „Du siehst richtig Lotta, das sind Meerschweinchen, deine Meerschweinchen. Und es tut mir leid, dass ich mich so doof verhalten habe. Entschuldige bitte. Ich finde, die sind wirklich süß. Und wir werden alle gemeinsam dafür sorgen, dass es ihnen gut geht.“

      Lotta jubelt und bedankt sich bei allen mit einer Umarmung. In ihren Augen schimmern Tränen, dieses Mal sind es die des Glücks.

      Gabriele Datenet, geboren 1956 in St. Blasien/Schwarzwald, wuchs in Winsen (Luhe) bei Hamburg auf, wo sie noch heute lebt. Seit 1984 ist sie Verwaltungsangestellte bei einer Behörde. Lesen, Schreiben, Malen sind die großen Hobbys seit Kindheitstagen. Inspiration für Gedichte und Kurzgeschichten holt sie sich bei langen Spaziergängen mit Mann und Hündin Numa.

      *

      Anna und die zahmen Hühner

      Es geschah alles vor ungefähr vierzig Jahren. Anna war damals etwa so alt wie du heute und lebte mit ihrer Familie in einem kleinen bunten Haus. Hinter dem kleinen Haus lag ein kleiner Hof und in dem kleinen Hof spielte das Mädchen mit ihren besten Freundinnen: mit Erna, Olga und Mona – drei schneeweißen Hühnern. Der Großvater hatte die drei Federtiere im Frühling gekauft. Und schon nach wenigen Wochen folgten sie ihrer menschlichen Spielkameradin auf Schritt und Tritt. Anna brauchte den Hof nur zu betreten – schon kamen Erna, Olga und Mona freudig angerannt. Sie hopsten wie wild gewordene Feder-Bälle vor den Füßen des Mädchens herum. So lange, bis jedes Tier die gebührliche Menge Streicheleinheiten bekommen hatte. Dann liefen sie laut gackernd hinter ihrer Anführerin quer über den Hof bis zu einer hohen Bretterbrücke, die das Kind für die drei Hühner gebaut hatte. Zuerst hatte Anna ein bisschen getrickst und Leckereien auf die Bretter gelegt, um den Mut ihrer gelehrigen Freundinnen anzustacheln. Doch schon nach kurzer Zeit brauchte sie bloß noch mit der Hand auf die Holzbrücke zu klopfen, schon kamen die drei angeflitzt: Die forsche Erna vorneweg, die abenteuerlustige Olga hinterdrein und zuletzt die verträumte Mona.

      Den größten Spaß beim gemeinsamen Spiel gab es jedes Mal bei der Spazierfahrt mit dem Puppenwagen. Diese „Nummer“ war auch der Höhepunkt jener spätsommerlichen Zirkusvorstellungen gewesen, die Anna damals ab und an für die Familie veranstaltete: Mona lag behaglich glucksend im Wagenkörbchen auf dem Rücken, Olga wippte ausgelassen gackernd auf dem Schiebegriff auf und ab wie ein Stehaufhühnchen und die verwegene Erna balancierte freudig spektakelnd unten in der Gepäckablage, Beine und Flügel verwegen gespreizt. So waren sie über den Hof gerast, dass es nur so stiebte – begleitet vom Johlen der Brüder, vom Schmunzeln der Eltern und vom Kopfschütteln der Großeltern.

      Dann war der Herbst mit seinen wilden Winden übers Land gefegt und ein eisiger Winter ließ Mensch und Tier vor Kälte fast erstarren. Anna, Erna, Olga und Mona blieben weiter unzertrennlich. Einige Tage vor Weihnachten mahnte die Mutter Anna beim abendlichen Bettkuscheln: „Mädchen, häng dein Herz doch bloß nicht so an diese Hühner! Hockst den halben Tag im Stall, als wolltest du selbst eines werden.“

      „Was hast du denn plötzlich gegen die drei?“, hatte sich Anna gewundert.

      „Ich habe nichts gegen sie. Im Gegenteil. Aber es sind nun mal nur Hühner und es ist einfach nicht gut, wenn du dich so stark mit ihnen anfreundest. Warum spielst du nicht mit der Mia von nebenan? Sie ist so ein nettes Mädchen.“

      „Mia – ein nettes Mädchen? Von wegen! Die kann meine zahmen Hühner nicht leiden. Schmeißt mit Steinen nach ihnen, jagt sie quer über den vereisten Hof und lacht sich noch schief, wenn sie mit ihren Krallenfüßen auf den Eispfützen ausrutschen. Und so eine nennst du nett!“

      Die Mutter hatte ihrer Tochter über den Kopf gestrichen und sie stumm und fest gedrückt.

      Dann war der Nachmittag vor Heiligabend gekommen. Die Welt war mit einer zarten weißen Watteschicht Schnee bedeckt, die den Hof in seltsame Stille und unschuldiges Licht zu tauchen schien. Gerade als Anna wieder hinaus in den Stall zu Erna, Olga und Mona gehen wollte, kreuzte der Großvater ihren Weg.

      In diesem Moment trat auch die Mutter hinzu und sprach zu dem Alten gewandt: „So, sag du es ihr! Ich kann es nicht.“

      Worauf der Großvater trotzig brummte: „Was gibt’s da zu erklären. Ich geh jetzt die Hühner schlachten. Für Weihnachten. Eins für euch, eins für deine Tante und eins für Großmutter und mich.“ Mit entsetztem Blick hatte Anna auf das Beil in Großvaters Hand gestarrt und in jenem Augenblick begriffen, dass die drei Hühner, mit denen sie im Jahr zuvor gespielt hatte, nicht – wie ihr Mutti erzählt hatte – vom Fuchs geholt worden waren, sondern dass sie eins davon zu Weihnachten gegessen hatte. Anna wurde noch nachträglich übel. Ob vor Ekel oder vor Zorn war ihr nicht ganz klar. Aber das war eigentlich auch egal.

      Sie riss sich aus Mamas Umklammerung und begann auf Großvaters Rücken einzutrommeln – um Gnade für die zahmen Hühner bettelnd. Der Großvater jedoch hatte sich nur umgedreht und gesagt: „Schluss, Kind. Das verstehst du nicht, das ist Familienweihnachtstradition seit fast hundert Jahren. Das war so und das bleibt so.“

      „Du und deine Tratzion, oder wie das heißt“, hatte Anna ihm wütend hinterher geschrieen. „Wenn die Tratzionen zu Weihnachten so grausam sind, dann hasse ich Weihnachten! Und dich auch!“ Sie hatte mit ihren kleinen Händen Großvater verzweifelt an der Jacke festgehalten und versucht, ihn am Gehen zu hindern. Aber Großvater war ein kräftiger Mann mit einem kräftigen Willen. So konnte Anna nur mit winzigen Trippelschritten hinterher stolpern, während er mit seinen großen Stiefeln mit großen Schritten auf den Hühnerstall zustapfte.

      „Aber Großvater, du kannst doch nicht einfach Erna, Olga und Mona ermorden“, hatte das Mädchen geschluchzt.