Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius

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Название Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman
Автор произведения Nina Kayser-Darius
Жанр Языкознание
Серия Kurfürstenklinik Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740970673



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wie sie an diesem Abend war, war sie schon lange nicht mehr gewesen. Nur gut, daß sie jetzt nach Hause gehen konnte!

      Den ganzen Tag hatte sie sich nur herumärgern müssen. Sie hatte ihren übellaunigen Chef ertragen, eine randalierende Rockband vor die Tür setzen lassen, ein mit dem Service unzufriedenes Ehepaar beruhigt, nebenbei eine Gruppe von Managern betreut, die gerade eine Tagung im Hotel abhielten, und zum guten Schluß noch einen Kellner des Diebstahls überführt – und nun fragte sie sich, wofür sie sich eigentlich überhaupt so quälte.

      Sie war die Assistentin des Direktors, was für ihre einunddreißig Jahre eine bemerkenswerte Position war. Aber heute fand sie, daß sie für den Ärger, den sie Tag für Tag zu bewältigen hatte, bei weitem nicht gut genug bezahlt wurde. Und was das Schlimmste war, ihre Anstrengungen waren heute noch nicht einmal zur Kenntnis genommen worden.

      Wenn das so weiterging, würde sie kündigen. Es konnte für sie, bei ihren Erfahrungen und Fähigkeiten, doch nicht schwierig sein, in einem anderen Hotel eine Stelle zu finden, wo man auch zu schätzen wußte, was sie leistete!

      Wütend warf sie ihre langen blonden Locken nach hinten. Und dann trug sie noch dieses blödsinnige Kostüm mit dem kurzen Rock, der so eng war, daß sie sich kaum darin bewegen konnte, und dazu ihre allerhöchsten Absätze. Warum nur? Was war denn heute morgen in sie gefahren, als sie nach den Sachen gegriffen und sie, ohne nachzudenken, angezogen hatte? Es war doch klar gewesen, daß sie den ganzen Tag herumhetzen mußte, wieso also…

      »Frau Wagner?«

      Verblüfft blieb sie stehen und sah auf den blonden jungen Mann, der vor ihr stand. Bloß jetzt nicht noch mehr Ärger, dachte sie. Das ertrag’ ich einfach nicht.

      »Ja?« fragte sie.

      Er warf ihr einen prüfenden Blick zu, dann sagte er mit entwaffnendem Lächeln: »Sie sind total genervt, oder? Dann komm’ ich lieber ein anderes Mal wieder.«

      Er wollte sich schon umdrehen, aber sie sagte: »Halt, hiergeblieben. Stimmt, ich bin total genervt. Aber neugierig bin ich trotzdem. Was wollen Sie denn von mir?«

      »Der Personalchef hat mich zu Ihnen geschickt«, antwortete er. »Ich suche einen Job als Schreiner, aber nur einen Gelegenheitsjob, weil ich im Augenblick noch Hausmann bin.«

      Er lächelte verlegen, doch als sie nichts sagte, fuhr er hastig fort: »Meine Freundin und ich, wir haben nämlich ein Baby, und meine Freundin hat hier in Berlin einen Job als Krankenschwester gefunden. Deshalb kann ich nur arbeiten, wenn sie zu Hause bei der Kleinen ist. Ach, Entschuldigung, ich sollte mich vielleicht mal vorstellen. Mein Name ist Andreas Hollaender.«

      »Und warum schickt der Personalchef Sie zu mir?«

      »Weil ich ziemlich gute Zeugnisse habe, die haben ihn beeindruckt. Und er sagt, es gibt hier im Hotel schon Arbeit für jemanden wie mich. Schließlich geht immer mal was zu Bruch.«

      »Das kann man wohl sagen«, stellte Stefanie nüchtern fest. Sie dachte an den Schaden, den die Mitglieder der Rockband in der vergangenen Nacht angerichtet hatten. »Aber ich verstehe immer noch nicht, wozu Sie mich brauchen, wenn der Personalchef doch schon festgestellt hat, daß Arbeit für Sie da ist.«

      »Das Problem ist, daß ich keine festen Arbeitszeiten einhalten kann«, gestand der junge Mann. »Verstehen Sie? Ich will ja auch gar nicht fest angestellt werden. Wenn ich sozusagen als freier Mitarbeiter einsteigen könnte…« Seine Stimme erstarb unter ihrem forschenden Blick.

      Sie warf einen Blick in ihren Kalender. »Morgen früh um zehn Uhr in meinem Büro«, sagte sie kühl. »Mit sämtlichen Unterlagen, die Sie haben.«

      »Aber da kann ich nicht, weil…«

      »Bringen Sie das Baby mit, Herr Hollaender! Wo ist das Problem?« Sie nickte ihm noch einmal zu und rauschte aus der Halle. Draußen blieb sie erst einmal stehen und atmete tief durch. Endlich war sie frei, wenigstens für ein paar Stunden.

      Sie drehte sich um und sah den jungen Mann, mit dem sie gerade gesprochen hatte, noch immer am selben Fleck stehen, als habe ihn der Schlag getroffen. Netter Junge. Mal sehen, dachte sie, ob er wirklich so ein guter Schreiner ist.

      *

      »Verstehst du denn nicht, Katinka? Ich habe einen Termin bei der engsten Mitarbeiterin des Direktors! Morgen früh um zehn. Und es kann gut sein, daß sie mich nehmen.«

      Katja versuchte zu lächeln. Sie freute sich ja auch wirklich für Andreas, aber sie war so unendlich müde…

      »Eine ganz tolle Frau ist das«, schwärmte Andreas weiter. »Die sind sowieso alle supernett im King’s Palace, und da kann ich ganz viel machen. Du glaubst gar nicht, wie gepflegt die Möbel sind. Da ist dauernd was zu tun, und der Personalchef hat mir gesagt, daß sie mit der Arbeit kaum nachkommen. Was meinst du?«

      »Ich freue mich für dich, Andy«, sagte Katja lahm, und sie schämte sich dafür, daß das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie fürchtete sich einfach davor, daß sie dann gar nicht mehr zum Schlafen kommen würde. Denn immerhin war sie in diesem Fall mit Franziska allein zu Haus, während er arbeitete.

      »Du hast Angst, daß es zuviel wird, nicht?« fragte Andreas leise. »Aber du mußt keine Angst haben, wirklich nicht. Wenn sich herausstellt, daß es nicht zu schaffen ist, höre ich sofort wieder auf, das verspreche ich dir. Es ist nur so, daß ich auf Dauer verrückt werde, wenn ich immer hier zu Hause bin – nur mit einem Baby als Gesellschaft.«

      Da lächelte sie. »Das verstehe ich. Wir schaffen es schon irgendwie, Andy.«

      Er strahlte. »Klar schaffen wir es. Du mußt mich mal ins Hotel begleiten, Katinka. Und dir die schöne Frau Wagner ansehen. Mann, die sieht aus wie ein Model aus einer Illustrierten. Lange blonde Haare und ganz blaue Augen, fast ein bißchen violett. Wahnsinn, sag’ ich dir. Wenn die durchs Hotel läuft, dann kriegen alle Männer große Augen.«

      »Du auch?«

      Er hörte nicht, daß sich ein kleiner Unterton in ihre Stimme geschlichen hatte. »Klar«, antwortete er. »Schließlich bin ich ein Mann. Und schöne Frauen sieht man ja nicht jeden Tag.« Er lachte übermütig. »Nur ich, denn ich habe eine zu Hause.«

      Das sorgte dafür, daß sich Katjas Gesichtszüge wieder ein wenig entspannten. Aber eine kleine steile Falte, die sich auf ihrer Stirn eingegraben hatte, war noch immer zu sehen.

      In diesem Augenblick fing Franziska an zu weinen, und das brachte ihre Eltern zunächst einmal auf andere Gedanken.

      *

      »Bleibt es nun dabei?« fragte Schwester Monika.

      »Wobei? Daß wir noch was trinken gehen?« fragte Adrian zurück. »Ich denke doch. Die anderen gehen alle mit.«

      »Dann geh’ ich schon mal«, meinte Monika. »Ich bin nämlich fertig und habe richtig Lust auf ein Bier. Bis gleich, Adrian.«

      »Bis gleich«, sagte er und verabschiedete sich von seinem letzten Patienten. Müde verließ er die Kabine. Ein Bier in fröhlicher Runde war jetzt genau das Richtige. Und danach würde er ziemlich schnell nach Hause gehen.

      »Ist noch etwas?« fragte Schwester Katja, die ihm aus einer anderen Kabine entgegenkam. »Sonst würde ich jetzt verschwinden.«

      »Was machen die Glassplitter?« fragte Adrian.

      »Alle entfernt, dem kleinen Mädchen geht’s schon wieder besser. Sie sollten es sich nur noch einmal ansehen.«

      »Das kann ich gleich machen, und dann sind wir fertig für heute, Schwester Katja.« Er folgte ihr zu der Kabine, in der das kleine Mädchen lag, sah sich aufmerksam die Hand an, die Schwester Katja behandelt hatte, und nickte dann anerkennend. »Saubere Arbeit, besser hätte es niemand machen können. Sie können sie verbinden, und dann darf die junge Dame mit ihrer Mama nach Hause gehen.«

      Katja machte sich sofort an die Arbeit. Als sie einige Minuten später die Kabine verließ, rief der Arzt ihr zu: »Wir wollen noch ein Bier zusammen trinken, einige Kollegen und ich. Haben Sie nicht Lust mitzukommen?«