Название | Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Nina Kayser-Darius |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurfürstenklinik Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740970673 |
Erneut zog er sie an sich und küßte sie lange und zärtlich. Ganz allmählich legte sich der Groll in seinem Herzen, und er fing an, die Zukunft in freundlicherem Licht zu sehen.
*
»Langsam, langsam«, bat Adrian Winter seine temperamentvolle Schwester, die ihre Neuigkeiten förmlich heraussprudelte. »Ich bin sehr müde, das habe ich dir doch eben schon gesagt, ich brauche etwas länger, bis ich die ganze Geschichte verstehe. Du behauptest also, Frau Sandberg und Herr Tanner lieben sich?«
Sie saßen in Adrians Wohnzimmer, denn Esther war ihm kurz entschlossen gefolgt, nachdem sie sich von Mareike Sandberg verabschiedet hatte.
»Das behaupte ich nicht, das ist so!« sagte sie gekränkt. »Oder dachtest du, ich erzähle dir hier Klatschgeschichten?«
»Und sie hat ihren Mann verlassen?«
»Sag’ ich doch!« bekräftigte Esther. »Er muß ein widerlicher Typ sein nach allem, was man so hört. Sie sagt nichts darüber, weil sie eine sehr zurückhaltende Frau ist, aber allein, wie er mich am Telefon abgefertigt hat – das hättest du mal hören sollen.«
»Ich kann auch nicht sagen, daß ich ihn sympathisch fand«, gestand Adrian. »Wir Mediziner sollen uns ja von solchen Gefühlen möglichst frei machen, aber bei ihm ist mir das sehr schwer gefallen. Warum hat sie ihn denn überhaupt geheiratet?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete seine Schwester. »Ich glaube auch nicht, daß sie es mir jemals erzählen wird.«
»Merkwürdige Zufälle«, sagte Adrian. »John Tanner hat mich wirklich sehr beeindruckt, als ich ihn in dieser Kirche kennengelernt habe. So ein interessanter Mann! Und dann stellt sich heraus, daß du nicht nur ihn kennst, sondern auch die Frau, die er liebt. Und daß diese Frau mit einem anderen meiner Patienten verheiratet ist. Aber offenbar nicht mehr lange.«
»Nein, und ich hoffe, Frau Sandberg und Herr Tanner werden sehr glücklich miteinander«, sagte Esther. »Ich kenne niemanden, dem ich das mehr wünsche als ihnen.«
»Es gibt keinerlei Veränderung seines Zustandes, Esther. Ihre Liebe wird es sehr schwer haben, wenn er gelähmt bleibt.«
»Ja, das wird sie.« Esther wurde traurig. »Ist das nicht ungerecht? Nun ist sie ihren tyrannischen Gatten endlich los, und dann ist das neue Glück auch schon wieder getrübt.«
»Noch nicht«, widersprach er. »Die Sache ist noch längst nicht sicher.«
»Im Guten wie im Bösen nicht«, meinte sie. »Du kannst sagen, was du willst: Das ist ungerecht!«
Dieses Mal widersprach er ihr nicht.
*
»Bitte, versuchen Sie jetzt, Ihren großen Zeh zu bewegen, Herr Tanner«, sagte der Neurologe, und John unterdrückte einen ungeduldigen Seufzer. Wieder einmal die gleiche Prozedur, dachte er unwillig. Und wieder einmal das gleiche Ergebnis wie immer: keine Veränderung.
Angestrengt versuchte er, den Zeh zu bewegen und zuckte unwillkürlich zusammen, als der Neurologe aufgeregt ausrief: »Noch einmal bitte!«
Wieder versuchte er es und behielt den Zeh nun fest im Blick. Irrte er sich – oder hatte dieser sich tatsächlich ein bißchen bewegt?
Ach was, das hatte er sich sicher nur eingebildet. Die Hoffnung, die ihn erfüllte, seit er wußte, daß Mareike ihn liebte, spielte ihm bestimmt einen Streich.
»Großartig!« rief der Neurologe. »Er hat sich bewegt, Herr Tanner!«
»Wirklich?« fragte John mißtrauisch. »Das muß aber sehr wenig gewesen sein, ich habe nichts gesehen. Und gespürt habe ich auch nichts!«
»Dann machen Sie es noch einmal, und sehen Sie genau hin!«
John strengte sich an, und dieses Mal konnte es keinen Zweifel geben. Sein Zeh hatte sich bewegt. »Was bedeutet das?« fragte er, und seine Stimme klang gepreßt.
»Das bedeutet, daß die Lähmung zurückgeht«, strahlte der Neurologe. »Ich habe es Ihnen doch die ganze Zeit schon gesagt, daß Sie die Hoffnung nicht aufgeben sollen. Nun sehen Sie, daß Sie besser auf mich gehört hätten!«
»Ist das auch wirklich wahr?« fragte John.
»Ich meine, daß die Lähmung zurückgeht? Sie erzählen mir doch jetzt keine Märchen, oder, Herr Doktor?«
»Ich?« rief der Neurologe. »Nie im Leben! Es ist die Wahrheit, Herr Tanner. Die reine Wahrheit.«
In diesem Augenblick schrie John Tanner, so laut er konnte: »Mareike! Komm rein, Mareike, ich kann meinen Zeh bewegen!«
Die Tür wurde geöffnet, und Mareike Sandberg, die draußen auf das Ende der Untersuchung gewartet hatte, kam mit erschrockenem Gesicht ins Zimmer gelaufen. »Was ist denn nur passiert, John?«
Er strahlte sie an. »Sieh dir meinen Zeh an!« forderte er sie auf.
Sie folgte seinem Blick und sah nun, was ihn so aufregte: Der Zeh bewegte sich! Es war zwar nur ein Hauch, aber er bewegte sich.
»Und was bedeutet das?« fragte auch sie den Neurologen.
»Die Lähmung bildet sich zurück, das bedeutet es«, antwortete dieser. »Von nun an geht’s bergauf!«
Mareike stürzte in Johns Arme, und der diskrete Mediziner zog sich zurück.
»Siehst du«, flüsterte sie, »man darf die Hoffnung nie aufgeben, niemals. Ich liebe dich, John, aber ich liebe dich auch, wenn du nicht gehen kannst.«
»Ich weiß«, sagte er leise. »Und das war, glaube ich, die wichtigste Erfahrung meines bisherigen Lebens, Mareike.«
*
Als Dr. Adrian Winter die gute Nachricht erfuhr, stattete er dem glückstrahlenden John Tanner sofort einen Besuch ab, um ihm zu gratulieren.
Danach rief er seine Schwester an.
»Oh, Adrian!« rief sie. »Etwas Schöneres hättest du mir jetzt nicht erzählen können.«
»Deshalb hab’ ich’s ja getan«, erwiderte er. »Sollen wir dieses Ereignis ein bißchen feiern? Ich lade dich auf ein Glas Wein in die Bar vom King’s Palace ein!«
»King’s Palace? Dieses Edelhotel?« fragte sie verblüfft. »Wieso denn ausgerechnet dort?«
»Nur so«, antwortete er ausweichend. Sie mußte nicht wissen, daß dort Stefanie Wagner arbeitete – die Frau mit den Veilchenaugen, die ihm nicht aus dem Kopf ging, obwohl er sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Vielleicht würde er sie dort zufällig treffen…
»Na schön«, sagte seine Schwester in diesem Augenblick. »Wenn du meinst, dann gehen wir eben mal in einen richtigen Nobelschuppen! Warum eigentlich nicht?«
Er lachte zufrieden, legte auf und summte fröhlich und überaus falsch vor sich hin.
»Willkommen, Schwester Katja! Wir sind froh, daß Sie unser Team wenigstens für eine Weile verstärken!«
Dr. Adrian Winter leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik in Berlin und streckte nun der zierlichen dunkelhaarigen jungen Frau, die vor ihm stand, die Hand entgegen. Dabei lächelte er sie freundlich an. Sie sah unglaublich jung aus. Ob sie überhaupt schon zwanzig war? Er hatte sich natürlich ihre Bewerbungsunterlagen angesehen, aber er erinnerte sich nicht mehr an ihr Alter. Ihre Zeugnisse waren jedenfalls hervorragend gewesen.
Hoffentlich war sie dem harten Dienst in der Notaufnahme gewachsen. Sie sah so zart und durchscheinend aus! Ihre dunklen Haare umrahmten ein fein gezeichnetes Gesicht mit grünen Augen, einer kleinen Nase und einem hübsch geschwungenen Mund.
»Danke, Herr Dr. Winter«, sagte sie schüchtern und erwiderte sein Lächeln. »Ich