Название | Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Nina Kayser-Darius |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurfürstenklinik Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740970673 |
Er schloß die Augen, und zum ersten Mal stellte sie fest, daß er müde aussah. »Du tust mir leid«, sagte sie ruhig. »Ich weiß nicht, was es für dich bedeutet, so zu leben, wie du es tust, aber ein glückliches Leben ist es ganz sicher auch für dich nicht.«
Dieses Mal antwortete er nicht sofort. Er öffnete die Augen wieder und sah sie nachdenklich an. »Ich werde den Anwälten sagen, sie sollen dich in Ruhe lassen, Mareike«, sagte er schließlich. »Wir werden uns um eine einvernehmliche Scheidung bemühen und versuchen, uns wie vernünftige Menschen zu benehmen. Was hältst du davon?«
»Viel«, sagte sie. »Aber warum auf einmal? Du warst doch sicher schrecklich wütend auf mich.«
»Das bin ich wahrscheinlich immer noch«, meinte er. »Aber vielleicht hast du ja recht. Wir passen einfach nicht zusammen. Ich werde von jetzt an mein Leben leben und du deins.«
»Ich bin froh, daß es nur ein leichter Schlaganfall war«, sagte sie leise. »Leb wohl, Robert.«
Er sah ihr nach, wie sie mit leichten Schritten zur Tür ging. Dort drehte sie sich noch einmal um und lächelte ihm zu. Dann war sie gegangen.
Es stimmte, er war immer noch wütend auf sie. Aber zum ersten Mal hatte er auch Achtung vor ihr, und darüber war niemand verwunderter als er selbst. Er würde ihr keine Steine mehr in den Weg legen. Sollte sie glücklich werden ohne ihn.
*
Esther sah Mareike Sandberg forschend an, als diese aus dem Zimmer ihres Mannes kam. »Und?« fragte sie vorsichtig. »Alles in Ordnung?«
Mareike nickte. »Ja, alles in Ordnung. Er war noch nie zuvor so nett zu mir, Frau Berger. Ausgenommen vor der Hochzeit natürlich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er wirkte anders als sonst, doch ich glaube trotzdem nicht, daß er sich jemals ändert. Aber das betrifft mich ja auch nicht mehr. Jedenfalls hat er mir eine friedliche Scheidung angeboten, und das ist mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt hätte.«
»Das ist ja eine wunderbare Nachricht«, sagte Esther überrascht.
»Ja, nicht wahr? Trotzdem kann ich mich noch gar nicht richtig darüber freuen. Ich muß immer an Herrn Tanner denken und daran, daß er die Hoffnung verloren hat. Als ich bei ihm war, hat er mir richtig Angst gemacht.«
»Es ist seine Angst, nicht Ihre, Frau Sandberg, lassen Sie sich davon nur nicht anstecken. Und folgen Sie Ihren Gefühlen. Einen besseren Rat kann ich Ihnen nicht geben.«
»Ja, das werde ich, darauf können Sie sich verlassen. In Zukunft werde ich immer versuchen, das zu tun.« Sie sah Esther in die Augen. »Glauben Sie, daß er gelähmt bleibt?«
»Würde das etwas ändern?« fragte Esther zurück.
Mareike Sandberg schüttelte den Kopf. »Nein, für mich nicht. Aber für ihn natürlich. Ich weiß nicht, ob er sich jemals damit abfinden würde. Für ihn wäre es ein großes Unglück, und ich wünsche ihm sehr, daß es ihm erspart bleibt.«
»Ich wünsche es Ihnen beiden«, sagte Esther leise. »Frau Sandberg, nach allem, was jetzt geschehen ist, finde ich, es wäre besser, wenn Sie allein zu Herrn Tanner gehen. Ich kann ihn später besuchen. Aber Sie beide haben sicherlich einiges miteinander zu besprechen.«
Mareike Sandberg sah aus, als wolle sie ihr widersprechen, aber sie tat es dann doch nicht. »Ich fürchte mich ein bißchen, deshalb hätte ich gegen einen kleinen Aufschub nichts einzuwenden gehabt. Aber Sie haben natürlich recht, Frau Berger. Danke für alles. Sie haben mir sehr geholfen.«
»Viel Glück!« sagte Esther leise.
*
John starrte auf seine nutzlosen Beine und fragte sich, wie lange diese Quälerei wohl noch dauern werde. Tag um Tag verging, ohne daß er die geringsten Fortschritte machte, und das bedeutete: Jeden Tag wurde seine Hoffnung auf eine Besserung seines Zustandes ein bißchen kleiner. Und jeden Tag wurde seine Seele ein wenig dunkler.
Als es klopfte, wandte er nicht einmal den Kopf. Es war ihm gleichgültig, wer kam.
»Herr Tanner?«
Er starrte Mareike Sandberg an wie eine Erscheinung. »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie sich noch einmal hierher wagen«, sagte er grob.
»Sie haben mich unterschätzt«, erwiderte sie sanft. »Obwohl ich zugeben muß, daß Sie mit Ihren Bemühungen, mich zu vergraulen, fast Erfolg gehabt hätten.«
Er kniff die Augen zusammen. »Warum sind Sie hier?« fragte er unfreundlich.
»Weil es einiges gibt, das ich Ihnen erzählen möchte«, antwortete sie ruhig.
»Erzählen? Wollen Sie ein paar Geschichten auspacken von wundersamen Heilungen querschnittsgelähmter Menschen?«
»Ich wollte eigentlich nicht über Sie reden, sondern über mich.«
Das brachte ihn aus der Fassung. »Über Sie?« fragte er verblüfft. Und dann bekam er es mit der Angst zu tun. »Ist etwas passiert?« fragte er. »Fehlt Ihnen etwas?«
»Mir fehlt schon etwas«, erklärte sie ernsthaft, »aber darüber wollte ich jetzt nicht sprechen. Ich wollte Ihnen erzählen, warum ich so plötzlich verschwunden bin.«
Er schwieg, sah sie nur an. Sein Zorn auf die Welt war verflogen, er konzentrierte sich jetzt ganz auf die schöne junge Frau, die an seinem Bett saß.
»Ich habe meinen Mann verlassen«, sagte sie ruhig. »Das hätte ich schon früher tun sollen, aber mir hat wohl der Mut gefehlt.« Und sie erzählte ihm die ganze Geschichte von ihrer überstürzten Flucht zu ihrer Tante, von ihrer Rückkehr nach Berlin und ihrem jetzigen Leben – und schließlich auch vom Schlaganfall ihres Mannes und dessen plötzlichem Friedensangebot.
»Wenn er es sich nicht anders überlegt, sobald er wieder gesund ist«, schloß sie, »dann werden wir also bald in Frieden geschieden sein. Und ich werde ein neues Leben anfangen.«
Er schloß die Augen, damit sie die Qual darin nicht lesen konnte. Sie würde frei sein und er ein Krüppel!
»Wollen Sie gar nichts dazu sagen, Herr Tanner?« fragte sie.
Er öffnete die Augen und antwortete mit einer Gegenfrage. »Warum haben Sie mir das erzählt?«
»Das wissen Sie doch«, antwortete sie sanft.
Er sah ihr in die Augen und las darin, was er immer gehofft hatte. »Das geht nicht!« sagte er gequält. »Ich bleibe vielleicht gelähmt, und…«
Sie ließ ihn nicht ausreden, sondern legte ihm eine Hand auf den Mund.
»Nicht, John!« sagte sie. »Warum machen Sie es mir so schwer? Ich bin von Natur aus schüchtern, Sie können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, dieses Gespräch zu führen.«
Er hielt ihre Hand fest und zog sie zu sich heran. »Du liebst mich also wirklich?« fragte er. »Mareike, stimmt das? Du liebst mich?«
»Ich liebe dich, seit ich dich kenne. Das hast du doch gewußt, oder?« flüsterte sie. »Glücklich bin ich in letzter Zeit nur gewesen, wenn ich mit dir zusammen ausgeritten bin.«
»Und ich dachte immer, wir beide haben keine Chance«, sagte er heiser. »Und jetzt, wo wir vielleicht eine haben, da liege ich hier und…«
Dieses Mal hinderte sie ihn mit einem Kuß am Weiterreden. »Ach, John«, sagte sie danach leise. »Ich hoffe sehr, daß du wieder wirst laufen können. Aber wenn nicht, dann werden wir auch damit fertig!«
»Ich liebe dich, Mareike, aber ich kann doch eine junge schöne Frau nicht an mich binden, wenn ich nicht weiß, wie meine Zukunft aussieht.«
»Das weiß niemand«, erklärte sie weise. »Es kann immer etwas passieren, das alle Pläne zunichte macht. Die Hauptsache ist doch erst einmal, daß wir uns lieben, oder? Alles andere findet sich dann schon.«
»Du bist unglaublich«,