Название | H. G. Wells – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Herbert George Wells |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962813628 |
Ich bückte mich nieder, um die Kriegsmaschine schärfer ins Auge zu fassen, und überzeugte mich jetzt zum ersten Mal, dass die Haube wirklich einen Marsmann enthielt. Als die grünen Flammen auffuhren, konnte ich den öligen Glanz seiner Oberhaut und das Leuchten seiner Augen wahrnehmen. Plötzlich hörte ich einen gellenden Schrei und sah einen weitgedehnten Fühler über die Schulter der Maschine hin zu dem kleinen Käfig langen, der auf ihrem Rücken lastete. Und dann wurde etwas — etwas heftig sich Sträubendes — hoch in die Luft emporgehoben, ein vom Sternenlicht sich dunkel und unklar abhebendes, rätselhaftes Ding. Und als dieser schwarze Gegenstand wieder herunterkam, sah ich bei dem grünen Schein, dass es ein Mensch war. Einen Augenblick lang war er ganz deutlich sichtbar. Es war ein stämmiger, blühend aussehender, gut gekleideter Mann in mittleren Jahren; drei Tage vorher mochte er, ein Mann von beträchtlichem Ansehen, durchs Leben gewandert sein. Ich konnte seine starren Augen sehen und bemerken, wie die Lichtstrahlen in seinen Hemdknöpfen und seiner Uhrkette spielten. Er verschwand hinter dem Hügel und einen Augenblick lang herrschte völliges Schweigen. Dann hörte man durchdringende Schreie und das langgezogene Freudengeheul der Marsleute.
Ich glitt das Geröll hinab, richtete mich mühsam auf, legte beide Hände an die Ohren und stürzte in die Waschkammer. Der Kurat, der mit den Armen seinen Kopf umklammernd, schweigend zusammengekauert dagesessen hatte, sah auf, als ich an ihm vorbeikam, schrie laut auf, als ich ihn verließ und rannte mir nach.
In dieser Nacht, als wir in der Waschkammer kauerten, und unsere Empfindungen zwischen Entsetzen und der furchtbaren Anziehungskraft des Guckloches geteilt waren, keimte in mir der heftige Wunsch zu handeln auf. Aber ich mühte mich vergeblich ab, einen Rettungsplan zu entwerfen. Später aber, am zweiten Tage, war ich fähig, unsere Lage mit großer Klarheit zu überdenken. Der Kurat, das sah ich, war nicht einmal zu einer Besprechung zu brauchen; ungekannte Schrecken hatten ihn in ein Geschöpf mit wilden Eingebungen verwandelt, hatten ihn seines Verstandes, seiner Denkfähigkeit beraubt. Er war in Wahrheit schon zum Tier herabgesunken. Ich aber fasste, wie eine Redensart lautet, mich selbst mit beiden Händen an. Jetzt, da ich die raue Wirklichkeit mit Händen greifen konnte, fasste der Gedanke, dass, so schrecklich unsere Lage auch war, wir doch noch kein Recht zu völliger Verzweiflung hätten, besser Wurzel in meiner Seele. Unsere nächstliegende Hoffnung zu entrinnen, war in der Erwartung begründet, dass die Marsleute in der Grube nur vorübergehend ihr Lager aufgeschlagen hätten. Oder, im Fall, dass sie es für beständig bezogen hätten, würden sie es doch nicht für notwendig erachten, es stets zu bewachen; und so könnte sich uns doch eine Möglichkeit der Flucht bieten. Ich erwog auch sehr ernstlich den Plan, uns von der Grube weg einen unterirdischen Gang zu graben, aber die Möglichkeit, beim Auftauchen einer Wache stehenden Kriegsmaschine zu Gesicht zu kommen, schien mir anfangs doch zu erschreckend. Zu allem Übrigen hätte ich auch die ganze Grabearbeit allein zu verrichten gehabt. Der Kurat hätte mich sicherlich im Stich gelassen.
Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, war es am dritten Tage, dass ich die Tötung jenes armen Teufels mit ansehen musste. Es war das einzige Mal, dass ich die Marsleute Nahrung aufnehmen sah. Nach diesem Erlebnis vermied ich das Loch in der Mauer während des größten Teils des Tages. Ich begab mich in die Waschkammer, hängte die Tür aus, und brachte einige Stunden damit zu, so geräuschlos wie möglich, mit meinem Beil zu graben; aber als ich ein etwa zwei Fuß tiefes Loch gegraben hatte, fiel die lockere Erde wieder polternd zusammen und ich wagte nicht, die Arbeit fortzusetzen. Ich verlor allen Mut und legte mich für eine lange Zeit auf den Boden der Waschkammer, und hatte nicht einmal mehr die Kraft, mich zu bewegen. Und von nun an gab ich den Gedanken, durch einen ausgehöhlten Gang zu entkommen, auf.
Für den Eindruck, den die Marsleute auf mich gemacht hatten, ist es sehr bezeichnend, dass ich anfangs wenig oder vielmehr gar nicht daran dachte, einen Weg zur Rettung darin zu erblicken, dass unsere Feinde etwa durch einen menschlichen Angriff überwältigt werden könnten. Aber in der vierten oder fünften Nacht hörte ich einen Lärm wie starkes Geschützfeuer.
Es war sehr spät nachts, und der Mond schien hell. Die Marsleute hatten die Aushöhlemaschine entfernt; und abgesehen von einer Kriegsmaschine, die an dem entfernteren Rand der Grube stand, und einer Hebemaschine, die meinen Blicken verborgen in einer Ecke der Grube unmittelbar unter meinem Guckloch geschäftig arbeitete, war der Platz verlassen.
Von der Hebemaschine tanzte ein blasser Schimmer aus und das Licht des Mondes schien auf die Stangen und auf einige Stellen des Erdreichs. Sonst war die Grube in Dunkelheit gehüllt und ganz still. Nur das Geräusch der Hebemaschine war zu hören. Es war eine wundervoll heitere Nacht; nur mit einem Stern teilte der Mond seine Herrschaft über den Himmel. Ich hörte einen Hund heulen und dieser vertraute Laut bestimmte mich, hinauszulauschen. Da hörte ich ganz deutlich ein Dröhnen, genau so, wie den Donner schwerer Geschütze. Ich zählte deutlich sechs Schüsse und nach einer langen Unterbrechung wieder sechs. Und das war alles.
IV. Der Tod des Kuraten
Es war am sechsten Tage unserer Gefangenschaft. Ich warf noch einen letzten Blick durch das Guckloch und als ich mich umwandte, fand ich mich allein. Statt sich dicht an mich zu halten und zu versuchen, mich von der Spalte wegzudrängen, war der Kurat in die Waschkammer zurückgegangen. Ein Verdacht schoss durch meinen Kopf. Ich ging schnell und leise in die Waschkammer. In der Dunkelheit hörte ich den Kuraten trinken. Ich griff aufs Geratewohl ins Dunkle und meine Finger bekamen eine Burgunderflasche