Название | H. G. Wells – Gesammelte Werke |
---|---|
Автор произведения | Herbert George Wells |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962813628 |
Die benachbarten Häuser waren alle zerstört worden, keines aber war niedergebrannt. Die Mauern standen bisweilen noch bis zum zweiten Stockwerk, aber die Fenster waren alle zerschmettert und die Tore zertrümmert. Das rote Gewächs wucherte üppig in den dachlosen Stuben. Unter mir waren die große Grube und die Krähen, die um die Abfälle zankten. Eine Anzahl anderer Vögel hüpfte zwischen den Trümmern umher. Weiter weg sah ich eine ausgemergelte Katze, die eine Mauer entlangschlich, von Menschen aber war nirgends eine Spur zu entdecken.
Der Tag schien, im Gegensatz zu meiner eben überstandenen Einkerkerung, blendend hell, der Himmel strahlte in ungetrübtem Blau. Ein sanftes Lüftchen hielt das rote Gewächs, das jedes Stückchen unbenützten Bodens bedeckte, in sanfter Bewegung. Und welches Entzücken war es mir, wieder frische Luft zu atmen!
VI. Das Werk von fünfzehn Tagen
Eine Zeit lang stand ich wankend auf dem Hügel, ohne an meine Sicherheit zu denken. Als ich noch in jener widerwärtigen Höhle lag, aus der ich eben herausgekommen war, hatte ich alle meine Sinne nur darauf gerichtet, mich überhaupt nur zu retten. Das, was in der Welt vorgegangen war, hatte ich nicht in Erwägung gezogen, noch hatte ich den sinnverwirrenden Anblick dieser völlig unbekannten Erscheinungen erwarten können. Ich war darauf vorbereitet, Sheen in Trümmern zu sehen — aber was ich jetzt sah, war die unheimliche und düstere Landschaft eines anderen Planeten.
In diesem Augenblick wurde ich von einer Empfindung bewegt, die sonst außerhalb des Bewusstseins der Menschen liegt, die aber die armen Tiere, die wir beherrschen, nur zu gut kennen. Mir war zu Mute wie einem Kaninchen, das in sein Erdloch schlüpft und sich nun plötzlich einem Dutzend geschäftiger Arbeiter gegenübersieht, die den Grund zu einem Haus graben. Ich merkte die ersten Anzeichen eines Gefühls, das sich bald in großer Klarheit meinem Geist mitteilte und mich viele Tage lang bedrücken sollte: das Gefühl der Entthronung, die Überzeugung, dass ich nicht länger ein Herr, sondern ein Tier unter Tieren, unter der Ferse der Marsleute sei. Uns würde es nun gehen wie jenen; wir mussten jetzt lauern und spähen, laufen und uns verstecken; die Macht des Menschen und seine Fähigkeit, Furcht einzuflößen, waren von ihm genommen.
Aber diese seltsamen Vorstellungen gingen so schnell vorüber, wie sie sich gebildet hatten, und mein alles beherrschendes Gefühl war nach meiner langen und trostlosen Fastenzeit der Hunger. In der Richtung, die von der Grube wegführte, erblickte ich jenseits einer rotbewachsenen Mauer ein Fleckchen Gartengrund, das nicht verschüttet war. Das war mir ein Fingerzeig und ich arbeitete mich durch, knietief, manchmal bis zum Hals ins rote Gewächs verstrickt. Die Dichte dieses Gestrüpps gab mir das trostreiche Gefühl, mich im Notfall verbergen zu können. Die Mauer war etwa sechs Fuß hoch, und als ich versuchte, sie zu erklettern, sah ich, dass ich mich nicht auf ihren Rand hinaufschwingen konnte. So ging ich nun an der Mauer entlang, und gelangte zu einer Ecke, wo ein Steinhaufen es mir ermöglichte, hinaufzuklimmen und in den Garten hinabzugleiten. Ich fand einige junge Zwiebel, ein paar Gladiolenknollen und eine Anzahl unreifer Rüben, die ich alle zusammenraffte. Dann stieg ich über eine geborstene Mauer hinweg und verfolgte unter scharlach- und karmesinroten Bäumen meinen Weg weiter nach Kew. Es war mir, als ginge ich auf einer Straße von riesigen Blutstropfen. Von zwei Gedanken war ich erfüllt: mir mehr Essen zu verschaffen und so bald und so weit meine Kräfte es mir erlaubten, aus diesem fluchbeladenen, unirdischen Bereich der Grube hinauszukommen.
Etwas weiterhin fand ich auf einem Grasplatz eine Anzahl Schwämme, die ich gleichfalls verschlang; aber diese karge Nahrung diente nur dazu, meinen Hunger zu schärfen. Dann stieß ich auf eine braune Fläche fließenden, seichten Wassers, dort, wo sonst Wiesen waren. Erst war ich über diese Überschwemmung in einem heißen, trockenen Sommer überrascht, aber dann entdeckte ich, dass sie von der geradezu tropischen Üppigkeit des roten Gewächses herrührte. Sobald diese außerordentliche Wucherpflanze Wasser berührte, wuchs sie mit einer unvergleichlichen Fruchtbarkeit ins Riesenhafte. Ihre Samen wurden einfach in das Wasser des Wey und der Themse geschüttet, und ihre mit reißender Schnelligkeit wachsenden, titanischen Zweige ließ beide Flüsse sofort aus ihren Ufern treten.
In Putney war die Brücke, wie ich später sah, in einem Gewirr dieses Unkrautes ganz versteckt und auch in Richmond ergossen sich die Themsewasser in einem breiten und seichten Strom über die Wiesen von Hampton und Twickenham. Wie das Wasser sich ausbreitete, folgte das Kraut ihm nach, bis die zerstörten Landhäuser des Themsetals eine Zeit lang in diesem roten Morast, dessen Rand ich durchsuchte, verschwunden waren. Dadurch wurde vieles von dem Zerstörungswerk der Marsleute verhüllt.
Schließlich aber ging dieses rote Gewächs fast ebenso rasch ein, wie es sich ausgebreitet hatte. Eine krebsartige Krankheit, die, wie man annimmt, in der Wirkung gewisser Bakterien begründet ist, erfasste und zerstörte es. Durch das Gesetz der natürlichen Zuchtwahl haben alle irdischen Pflanzen eine gewisse Widerstandskraft gegen Bakterienkrankheiten gewonnen — wenigstens erliegen sie ihnen nie ohne heftigen Kampf. Aber das rohe Gewächs verfaulte wie eine schon erstorbene Pflanze. Die Zweige verblassten, schrumpften zusammen und wurden spröde. Bei der leisesten Berührung brachen sie ab, und das Wasser, das ihr frühes Wachstum so angefeuert hatte, trug ihre letzten Spuren ins Meer hinaus.
Als ich zum Wasser kam, war es selbstverständlich mein Erstes, meinen Durst zu löschen. Ich trank in vollen Zügen, und, einer plötzlichen Eingebung folgend, zerbiss ich einige Zweige des roten Gewächses. Aber sie waren wässrig und hatten einen garstigen, metallischen Geschmack. Ich sah, dass das Wasser seicht genug war, um sicher durchwatet werden zu können, obwohl das rote Gewächs meine Füße oft hinderte, fest aufzutreten. Aber die Flut wurde gegen den Fluss zu sichtlich tiefer und ich musste wieder in der Richtung nach Mortlake umkehren. Es gelang mir dadurch, dass gelegentliche Trümmer von Landhäusern und Hecken und Lampen mir den Weg wiesen, halbwegs auf der Straße zu bleiben. So kam ich bald aus dem Überschwemmungsgebiet heraus, verfolgte meinen Weg zu dem Hügel, der nach Roehampton führt und gelangte schließlich bei der Gemeindewiese von Putney heraus.
Hier