H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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Название H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор произведения Herbert George Wells
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962813628



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ob­wohl ich eif­rig nach ih­nen aus­blick­te. Spä­ter sah ich in der Rich­tung des Lich­tes auf dem Bahn­hof von Wo­king eine An­zahl schwar­zer Ge­stal­ten, die eine nach der an­de­ren über die Licht­li­nie eil­ten.

      Und das war die klei­ne Welt, in der ich jah­re­lang so sorg­los ge­lebt hat­te, die­ses feu­ri­ge Cha­os! Was ei­gent­lich in den letz­ten sie­ben Stun­den ge­sche­hen war, wuss­te ich noch im­mer nicht. Noch er­kann­te ich nicht, ob­wohl ich es all­mäh­lich zu er­ra­ten be­gann, den Zu­sam­men­hang zwi­schen je­nen me­cha­ni­schen Un­ge­heu­ern und den schwer­fäl­li­gen Klum­pen, die der Zy­lin­der aus­ge­spien hat­te. In ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Ge­fühl un­per­sön­li­chen In­ter­es­ses schob ich mei­nen Schreib­tisch­stuhl ans Fens­ter, setz­te mich nie­der und starr­te hin­aus in die ge­schwärz­te Land­schaft, und be­son­ders auf jene rie­si­gen schwar­zen Un­hol­de, die dort im Licht­schein bei den Sand­gru­ben auf- und nie­de­reil­ten.

      Sie schie­nen er­staun­lich ge­schäf­tig. Ich be­gann mich zu fra­gen, was sie wohl sein könn­ten. Wa­ren sie ver­nunft­be­gab­te Mecha­nis­men? Doch ich fühl­te, so ein Ding sei un­mög­lich. Oder saß in je­dem ein Mars­mann, der es be­herrsch­te, be­weg­te und lei­te­te, so wie das Ge­hirn des Men­schen in sei­nem Kör­per sitzt und herrscht? Ich fing an, die­se Din­ge mit mensch­li­chen Ma­schi­nen zu ver­glei­chen, mich zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben zu fra­gen, was wohl ein ver­nünf­ti­ges aber tiefer­ste­hen­des We­sen von ei­nem Pan­zer­schiff, ei­ner Dampf­ma­schi­ne den­ken möge.

      Der Sturm hat­te den Him­mel ge­klärt, und über dem Rauch des bren­nen­den Lan­des ver­sank der klei­ne ver­blas­sen­de Steck­na­del­kopf des Mars im Wes­ten, als ein Sol­dat in mei­nen Gar­ten kam. Beim Gar­ten­zaun hör­te ich ein lei­ses Schar­ren und, aus der Er­star­rung, die mich er­fasst hat­te, mich auf­raf­fend, blick­te ich hin­ab und sah ihn un­deut­lich, wie er über die Plan­ken klet­ter­te. Beim An­blick ei­nes an­de­ren mensch­li­chen We­sens ver­ließ mich mei­ne Be­täu­bung, und ich lehn­te mich, eif­rig lau­schend, aus dem Fens­ter.

      »Pst!«,rief ich lei­se.

      Er blieb, wie im Zwei­fel, auf dem Ge­län­der rei­tend. Dann stieg er her­über und kam über den Ra­sen zur Ecke des Hau­ses. Er ging vor­ge­beugt und trat nur lei­se auf.

      »Wer ist da?«, rief er im glei­chen Flüs­ter­ton. Er stand un­ter dem Fens­ter und späh­te her­auf.

      »Wo­hin ge­hen Sie?«, frag­te ich.

      »Gott weiß es.«

      »Wol­len Sie sich ver­ste­cken?«

      »Ja­wohl.«

      »Mein Gott!«, sag­te er, als ich ihn her­ein­zog.

      »Kom­men Sie ins Haus«, sag­te ich.

      Ich ging hin­ab, öff­ne­te die Tür und ließ ihn her­ein. Dann schloss ich die Türe wie­der ab. Sein Ge­sicht konn­te ich nicht se­hen. Er war ohne Hut, und sein Rock war of­fen.

      »Was ist denn ge­sche­hen?«, frag­te ich.

      »Was ist nicht ge­sche­hen?« Selbst in der Dun­kel­heit konn­te ich se­hen, wie er eine Ge­bär­de der Verzweif­lung mach­te. »Sie ha­ben uns weg­ge­wischt — ein­fach weg­ge­wischt«, wie­der­hol­te er im­mer wie­der.

      Er folg­te mir fast me­cha­nisch ins Spei­se­zim­mer.

      »Neh­men Sie et­was Whis­key«, sag­te ich und schenk­te ihm ein tüch­ti­ges Glas voll ein.

      Er trank es aus. Dann setz­te er sich plötz­lich an den Tisch, leg­te sei­nen Kopf auf sei­ne Arme und be­gann zu wei­nen und zu schluch­zen wie ein klei­nes Kind, in ei­ner ge­ra­de­zu lei­den­schaft­li­chen Er­re­gung. Ich stand in ei­ner merk­wür­di­gen Ver­ges­sen­heit mei­ner ei­ge­nen eben emp­fun­de­nen Verzweif­lung voll Stau­nen ne­ben ihm.

      Es dau­er­te eine Wei­le, ehe er sei­ner Ner­ven so weit Herr wur­de, um mei­ne Fra­gen zu be­ant­wor­ten, und dann konn­te er nur ver­wor­ren und ge­bro­chen spre­chen. Er war Kut­scher in der Ar­til­le­rie und war erst um sie­ben Uhr ins Ge­fecht ge­kom­men. Zu je­ner Zeit war das Ge­schütz­feu­er auf der Wei­de schon in vol­lem Gan­ge. Man sag­te, dass die ers­te Ab­tei­lung der Mars­leu­te lang­sam zum zwei­ten Zy­lin­der hin­kroch, un­ter dem Schut­ze ei­nes Me­tall­schil­des.

      Spä­ter er­hob sich die­ser Schild auf ein drei­fü­ßi­ges Ge­stell und wur­de die ers­te je­ner Kriegs­ma­schi­nen, die ich ge­se­hen hat­te. Das Ge­schütz, das er lenk­te, war bei Hor­sell in Stel­lung ge­bracht wor­den, mit dem Be­fehl, die Sand­gru­ben zu be­strei­chen, und sei­ne An­kunft hat­te den Kampf be­schleu­nigt. Als die Protzwa­gen­ka­no­nie­re sich zur Nach­hut be­ga­ben, trat sein Pferd in ein Ka­nin­chen­loch, kam zu Fall und schleu­der­te ihn in eine ein­ge­sun­ke­ne Erd­stel­le. Im sel­ben Au­gen­blick ex­plo­dier­te die Ka­no­ne hin­ter ihm, die Mu­ni­ti­on flog in die Luft, al­les um ihn her­um stand in Flam­men und er fand sich un­ter ei­nem Hau­fen ver­kohl­ter Lei­chen und to­ter Pfer­de lie­gen.

      »Ich lag ganz still«, er­zähl­te er, »be­sin­nungs­los vor Schre­cken, das Vor­der­teil ei­nes Pfer­des auf mir. Wir wa­ren weg­ge­wischt wor­den. Und der Ge­ruch — gu­ter Gott! Wie ver­brann­tes Fleisch! Mein gan­zer Rücken war wund durch den Sturz des Pfer­des, und ich muss­te dort lie­gen blei­ben, bis ich mich bes­ser fühl­te. Eine Mi­nu­te vor­her war es ganz so wie bei ei­ner Pa­ra­de ge­we­sen — dann ein Stol­pern, ein Kra­chen, ein Zi­schen!«

      »Weg­ge­wischt!«, sag­te er.

      Das zwei­te Un­ge­tüm folg­te dem ers­ten, und dann erst be­gann der Ar­til­le­rist sehr be­hut­sam, über die hei­ße Hei­dea­sche hin nach Hor­sell zu krie­chen. Es ge­lang ihm, le­bend bis zu ei­ner