Название | Animant Crumbs Staubchronik |
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Автор произведения | Lin Rina |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959913928 |
Der Mann sah mich an, als wären mir plötzlich Fühler auf dem Kopf gewachsen. Er hatte mich nicht verstanden.
»Eine Lauge«, klärte ich ihn daher auf und schob ihn behutsam und wie zufällig ein Stück von mir weg, damit zwischen uns wieder ein Abstand geschaffen wurde, der mir Luft zum Atmen ließ. Denn leider zählte zu der unglaublichen Anzahl hervorstechender Eigenschaften meines ungebetenen Gesprächspartners, die mir unwillkommen waren, auch, zu unsensibel zu sein, um zu merken, wenn er eine Dame bedrängte.
Er jedoch nickte mit einem falschen Lächeln, das mir wohl symbolisieren sollte, dass er genau wusste, wovon ich sprach, obwohl er dumm wie ein Stück Holz war. »Wollen Sie nicht lieber dieses gefährliche Zeug wegstellen und ich hole Ihnen einen Punsch? Zufällig kenne ich die Herrin des Hauses persönlich und ihr Punsch ist wirklich außerordentlich vorzüglich«, sagte er so stolz, als hätte er den Punsch mit seinen eigenen Händen zusammengerührt. Ich klammerte mich nur fester an mein Glas.
»Das ist überaus nett«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber nein danke. Ich habe nicht das Privileg, morgen lange ausschlafen zu können.«
»Ach, nein?«, rief der Herr überrascht und ich hätte mich gerne selbst geohrfeigt, weil ich ihm doch tatsächlich Stoff für Unterhaltung bot, wo ich ihn doch so dringend loswerden wollte. »Was hat eine junge, hübsche Dame wie Sie denn am frühen Morgen zu tun?«, wollte er natürlich sofort wissen und ich entschied, die Taktik zu ändern.
Mit unterschwelliger Ablehnung wurde ich ihn nicht los, da er zu geistlos war, diese zu bemerken. Also würde ich es mit schonungsloser Ehrlichkeit versuchen.
Bei Mr Reed klappte das schließlich auch. Man musste sich nur seinen Verschleiß von vierundzwanzig Assistenten in vier Monaten ansehen.
»Ich arbeite.« Jetzt war es raus. Ich war eine Frau, die arbeitete!
Die Augen des Mannes weiteten sich sichtlich verblüfft. »Das … oh. Aber Miss …«, stammelte er und es schien ihm keine Erwiderung einzufallen.
Ich hoffte darauf, ihn so sehr in Verlegenheit gebracht zu haben, dass er sich verabschieden und weiterziehen würde. Aber ich hatte die Hartnäckigkeit der Männer unterschätzt, die nicht mit gottgegebener Schönheit und Eleganz gesegnet waren. Er holte tief Luft, fing sich wieder und setzte ein kleines schweinsgleiches Lächeln auf. »Wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist …«, begann er mit gefasster Stimme und ich wünschte mir sehnlichst, gerettet zu werden. Natürlich war ich eine selbstständige junge Frau, mit Witz und guter, manchmal messerscharfer Rhetorik, aber gegen Dreistigkeit war ich immer noch machtlos.
Mr Reed hatte mich anfangs damit überrumpelt und auch der Herr vor mir zerrte so sehr an meinen Nerven, dass mir vor lauter schwirrenden Gedanken nichts einfallen wollte, um ihn auf die Schnelle loszuwerden.
»Nicht von Belang, da ich diese junge Dame jetzt entführen werde.« Der Mann mit dem Eierkopf wurde jäh unterbrochen, ehe er sich vorstellen konnte, und ein schlanker Arm schob sich unter meinem durch.
»Oh«, machte der Herr überrascht und ich war es nicht minder, als ich den Kopf zu meinem Retter hob.
Es war eine Frau, unwesentlich älter als ich. Ihr Haar war dunkelbraun, ihre Haut blass und sie überragte mich etwa um einen halben Kopf, obwohl ich schon zu den größeren Damen zählte. Auffällig war ihre spindeldürre Figur, das Gesicht oval, die Nase spitz wie bei einer Maus. Ihre Augen sahen belustigt zu dem Herrn, den sie gerade vor den Kopf gestoßen hatte, und ein freches Lächeln lag auf ihren schmalen Lippen.
Sie zog mich rasch mit sich, sodass mein Sodawasser beinahe überschwappte, und der Herr kam uns noch zwei Schritte hinterher.
»Darf ich die Damen begleiten«, redete er gegen den Lärmpegel des Raumes an und die junge Frau an meiner Seite schwang wie betrunken den Kopf herum.
»Großer Gott, nein!«, rief sie schockiert und verdrehte belustigt die Augen in meine Richtung, während wir davonstolzierten.
Ich wehrte mich nicht und sie brachte mich in einen angrenzenden Raum, in dem sich weniger Leute aufhielten, weil ein Fenster geöffnet worden war und die winterliche Luft hereinströmte.
»Viel besser, findest du nicht auch?« Ihre eisblauen Augen trafen mich wie ein Eimer kaltes Wasser.
Sie ergatterte für uns zwei dunkelrot gepolsterte Stühle. Erleichtert setzte ich mich und streckte meine Füße unauffällig aus, was man wegen des Reifrocks sowieso nicht sehen konnte. Ich hatte heute wahrlich genug gestanden.
»Das war wirklich …«, begann ich einen Satz und wurde von der Frau neben mir unterbrochen, die mich mit verschmitztem Grinsen musterte.
»Unglaublich? Fantastisch? Atemberaubend?«, gab sie mir eine Reihe an Adjektiven vor und ihre Selbstsicherheit brachte mich zum Lachen.
»Scheußlich, wollte ich eigentlich sagen«, stellte ich klar und die junge Frau lächelte mich so zuckersüß an, als ob ich ihr ein Kompliment gemacht hätte.
»Ooooh«, machte sie. »Gern geschehen.«
Und ich musste wieder lachen. Obwohl sie unhöflich, unanständig und fies war, gab es da doch etwas hinter der boshaften Fassade, was mich ansprach und sie liebenswert machte.
Meine Mutter würde sie hassen. Und das gab mir noch mehr Anlass, diese Dame zu mögen.
»Elisa Hemmilton. Stets zu Diensten, wenn eine Jungfrau in Not von einem fetten, glatzköpfigen Junggesellen umworben wird«, eröffnete sie mir und ich hielt mir erschrocken den Mund zu, als ob ich es selbst gesagt hätte.
»Schau nicht so schockiert, Herzchen. Sie alle denken es. Ich bin nur die Einzige, die es ausspricht«, warf sie mir vor und ich nickte. Denn auch meine Gedanken waren zweifelsohne in diese Richtung gegangen.
»Animant Crumb«, stellte ich mich also vor, um nicht darauf eingehen zu müssen, und Elisa Hemmilton griff freudig nach der Hand, die kein Glas hielt, um sie zu schütteln. Mein Sandwich musste ich bei unserer Flucht irgendwo verloren haben.
»Was für ein außergewöhnlicher Name. Ich bin begeistert«, gestand sie mir und trieb mir damit doch wirklich die Röte ins Gesicht. Sie ließ meine Hand wieder los und strich sich sehr unelegant eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich muss gestehen, ich habe dich nicht ganz uneigennützig vor Mr Schweinegesicht gerettet«, erzählte sie mir und ich blinzelte überrascht, weil ich mir nicht vorstellen konnte, was sie wohl von mir wollte. »Ich stand nahe bei dir, als du sagtest, dass du arbeiten würdest. Und das war mit Abstand das Interessanteste, was jemand an diesem Abend, bei diesem Haufen lackaffiger reicher Schnösel hätte sagen können«, endete sie und ich musste aufpassen, dass ich jetzt nicht wegen ihrer derben Ausdrucksweise errötete.
»Danke«, kam es aus meinem Mund, und es klang gefasster, als ich mich fühlte.
»Arbeitest du, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen?«, fragte Elisa Hemmilton mich aus und ich hob skeptisch die Augenbrauen.
»Nein«, gestand ich ihr und obwohl ich erwartete, dass sie enttäuscht sein würde, schien das Leuchten ihrer eisblauen Augen nur stärker zu werden.
»Dein Vater besitzt also Vermögen.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Und in mir wurde die Vermutung laut, dass es sich bei Elisa nicht so verhielt. Ihr Vater hatte wahrscheinlich kein Vermögen. Fragte sich jetzt nur, wie sie es dann geschafft hatte, auf diese Soiree eingeladen worden zu sein.
»Und welchen Grund hast du dann, um zu arbeiten?«, wollte sie wissen und ich spürte, dass dies der Drehpunkt in dieser Unterhaltung war, das Geheimnis, das sich Elisa Hemmilton vorgenommen hatte zu lüften.
»Damit meine Mutter mich nicht verheiratet«, sagte ich, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, und Elisas Augen wurden beinahe doppelt so groß, bevor sie schallend zu lachen begann.
Einige Gentlemen und drei Ladys sahen sich pikiert nach uns um und ich war nur froh, dass mich hier niemand