Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Название Sophienlust Paket 3 – Familienroman
Автор произведения Patricia Vandenberg
Жанр Языкознание
Серия Sophienlust Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740959937



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Als die beiden Jungen ­unschuldig wie zwei junge Lämmer nach Hause kamen, sagte Barbara nichts. Sie verlebte mit ihnen einen lustigen Nachmittag bei Kakao, Kuchen und einem aufregenden Würfelspiel.

      *

      Thomas Platen und Barbara Wirthner sahen einander im ersten Moment betroffen an. Beide hatten sich den anderen ganz anders vorgestellt.

      Barbara war überrascht, wie jungenhaft der Bauunternehmer wirkte. Trotz seiner von feinen grauen Strähnen durchzogenen Haare und der gebräunten Haut strahlte er Jugendlichkeit und Energie aus. Nichts an ihm erinnerte an den begüterten Mann, der er doch sein musste. Er trug einen zünftigen Jeans-Anzug und eine Pfeife im Mund, die er aber sofort in die Hand nahm, als er Barbara begrüßte.

      Thomas Platen machte keinen Hehl aus seiner Verwirrung. Er blickte Barbara von oben bis unten an. »Sie sind Robins Mutter?«, fragte er. »Noch so jung?«

      »So jung auch nicht mehr«, entgegnete Barbara lächelnd. Dann trat sie ein. Sie hatte sich nicht besonders schön gemacht. Über ihren feinen weißen Pulli und die karierte Sporthose hatte sie ihren ledernen Trenchcoat gezogen, denn den Weg von ihrer Wohnung zur Platenschen Villa war sie zu Fuß gegangen. Sie liebte es, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, und war so doch noch zu ihrem Sonntagsspaziergang gekommen.

      Thomas Platen schritt ruhig und groß vor ihr her. Er nahm ihr den Mantel ab und führte sie in ein luxuriös eingerichtetes riesengroßes Wohnzimmer. Eine kleine Treppe führte zu einer Empore, die als Bibliothek diente. Auf dem Boden des unteren Raumes lagen weiße Felle, in einer Ecke stand ein Flügel. Auf der anderen Seite war ein Kamin in die Wand eingebaut, und gleich daneben schien im Sommer eine breite Tür auf die Terrasse zu führen.

      »Wie schön!«, staunte Barbara.

      »Schön?«

      Hinter dem Flügel stand ein kostbares altes Sofa. Auf ihm lag eine junge Frau, die sich interessiert dem Fernseher zugewandt hatte. Nun erst erhob sie sich. Sie war sehr schmal und von einer überwältigenden Eleganz, die sich nicht nur in ihrem Äußeren, sondern auch in ihren Bewegungen und ihrem Make-up ausdrückte.

      »Meine Frau«, stellte Thomas vor.

      »Ich heiße Dinah«, fügte sie hinzu und reichte Barbara fast huldvoll die Hand.

      Barbara nickte nur. Sie konnte nichts erwidern. Sie war schon von Berufs wegen an Geschmack und Luxus gewöhnt, aber diese Erscheinung kam ihr schlichtweg anbetungswürdig vor. Mit Kennerblick musterte sie den schlichten seidenen Hausanzug Dinah Platens. So etwas Vollkommenes fand man nur in wenigen Läden.

      »Bring uns bitte etwas zu rauchen«, bat Thomas seine Frau, während er einen Schrank öffnete und kostbare Gläser hervorholte. »Trinken Sie einen Sherry mit uns, Frau Wirthner?«

      »Ja, gern.«

      Barbara nahm in einem tiefen Ledersessel Platz. Nur mit Mühe konnte sie ihren Blick von der schönen Frau abwenden.

      Dinah Platen ergriff nun eine Schatulle, die früher einmal zur Aufbewahrung von Schmuck gedient haben mochte, und knallte sie merkwürdig achtlos auf den Tisch. »Ich habe keine Lust, dich zu bedienen, Thomas«, zischte sie dabei ihren Mann an. »Du vergisst, dass ich in anderen Umständen bin und der Schonung bedarf.«

      Barbara fühlte sich plötzlich unbehaglich. Sie vermied es, Thomas Platen anzusehen, und dankte ihm innerlich, dass er auf diese dumme Bemerkung nichts erwiderte. Dabei hing ihr Blick wie erstarrt an Dinah, die sich wieder auf das Sofa legte. Ihr langes blondes Haar sorgfältig ordnend, nahm sie eine Pose ein, die ihr völliges Desinteresse an dem Gast ausdrückte.

      »Ihr Wohlsein«, sagte Thomas Platen leise und hob sein Glas mit einer dezenten Bewegung. Dabei lächelten seine dunklen Augen Barbara besonders freundlich an, als wollte er die peinliche Situation damit überspielen.

      Barbara atmete auf. Sie war erleichtert, dass Kais Vater von den Launen seiner Frau unbeeindruckt schien. Doch nun verstand sie auch, warum Kai bei jeder Gelegenheit sein Missfallen an der jungen Frau seines Vaters ausdrückte.

      Zwanglos begann Barbara ein Gespräch mit Thomas Platen und erzählte ihm von den Begebenheiten der letzten Tage. Auch er war erschüttert, aber er schimpfte nicht. Nur seine Gesichtszüge bekamen etwas Ernstes. Barbara bemerkte es, obwohl er den Kopf neigte und konzentriert auf das Glas Sherry blickte, das er zwischen seinen kraftvollen Händen hielt.

      Dann aber schrak er zusammen. Seine Frau hatte den Fernseher so laut gestellt, dass die Musik quälend durch den großen Raum hallte.

      »Dinah«, bat er mit sanfter Stimme. Und dann etwas lauter: »Dinah, was ist denn? Ich bitte dich!«

      Sie konnte ihn nicht hören. Er erhob sich und stellte sein Glas ab. Barbara bemerkte, dass seine eben noch so ruhigen Hände jetzt zitterten. Mit ein paar Schritten war er bei dem Gerät und stellte den Ton leiser.

      Nun aber sprang Dinah Platen von ihrem Lager auf. »Was fällt dir ein, Tom?«, fuhr sie ihren Mann an. »Ich will diesen Schlager so laut hören. Ich liebe ihn. Er erinnert mich an meine Zeit in Paris. Damals hatte ich noch Erfolg und musste nicht in einem Haus versauern, weil ich ein Kind bekomme und tagtäglich hässlicher werde.«

      Thomas Platen tat so, als höre er ihren wütenden Ausbruch nicht. Er strich ihr so geduldig über das Haar, als hätte er ein bockiges Kind vor sich.

      Dinah schien seine Bemerkung unangenehm zu sein. Sie reckte ihren Kopf in die Höhe und verließ empört das Zimmer. Als sie grußlos an ihr vorbeischritt, sah Barbara, dass ihr äußerlich noch kaum etwas von ihrem Zustand anzumerken war.

      Fragend blickte Barbara Thomas Platen an. Was nun? Sollte sie auch gehen? War die Unterredung, die so angenehm und offen zwischen ihnen begonnen hatte, nun beendet?

      Thomas setzte sich wieder zu ihr. Er hatte einen entschlossenen Zug um den energischen Mund, der sich aber gleich darauf verflüchtigte. Freundlich und, wie Barbara meinte, erleichtert setzte er das Gespräch fort.

      »Kai hat sehr unter dem Tod meiner ersten Frau, seiner Mutter, gelitten, Frau Wirthner. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, noch einmal zu heiraten, weil ich glaubte, meinem Sohn zu genügen. Wir haben uns sehr gut verstanden. Auch dann noch, als ich Dinah kennenlernte. Sie war Mannequin, und wir haben uns nicht allzu oft gesehen. Dann aber erwartete sie das Kind. Vor einem Monat heirateten wir. Seitdem hat sich Kai eng an Ihren Sohn angeschlossen.« Er sah auf und sah sie ernst an. »Ich dachte immer, Kai hätte sich von der friedlichen Atmosphäre Ihres Heimes angezogen gefühlt. Ich meinte, er fände dort die Ruhe und Geborgenheit, die er bei uns …«

      »Bei mir?« Barbara schüttelte den Kopf. »Bei mir Ruhe und Geborgenheit? Ich arbeite den ganzen Tag, Herr Platen.«

      »Das habe ich schon von Kai erfahren, Frau Wirthner. Trotzdem geht es bei Ihnen wohl heiterer und fröhlicher zu als bei uns.« Er wies mit dem Kinn vage auf die Tür, durch die seine Frau eben den Raum verlassen hatte. »Meine Frau leidet sehr unter ihrem Zustand.«

      »Ist sie krank?«

      »Nein. Aber die veränderte Situation stellt Anforderungen an sie, denen sie nicht gewachsen ist.«

      »Eine Schwangerschaft ist doch etwas ganz Natürliches …« Barbara biss sich auf die Lippen. Sie wollte keine Kritik an Dinah Platen üben, nur weil sie vor vielen Jahren, als sie Robin erwartete, ihre Lehre bis fast zu dem Tag, an dem sie in die Klinik musste, fortgesetzt hatte.

      »Das dachte ich auch immer«, entgegnete er. »Aber es kommt wohl auf die Einstellung an.«

      Seine Augen waren tief dunkelbraun. Doch nun schienen sie fast schwarz zu werden. War es die Melancholie, die sie so veränderte?

      Irgendwo im Haus knallte eine Tür. Kurz darauf heulte ein Motor auf. Unruhig horchte Thomas Platen auf, zwang sich dann, das Gespräch weiterzuführen, als sei nichts geschehen.

      »Manchmal habe ich schon daran gedacht, Kai in ein Kinderheim zu geben, Frau Wirthner. Wenigstens so lange, bis sich hier alles eingespielt hat. Ich habe von Sophienlust gehört. Es muss ein wunderbares Heim sein. Man nennt es das Haus der glücklichen