Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. Группа авторов

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Название Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag
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Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783958791404



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die Stellungnahmen anderer mitberatender Ausschüsse und die Einschätzungen der einzelnen Fraktionen festgehalten. Sodann geht es in eine neue allgemeine Aussprache, die auch die Veränderungen durch die Mehrheit im Ausschuss berücksichtigt (Zweite Lesung). In der zumeist unmittelbar folgenden Dritten Lesung erfolgt die Schlussabstimmung.

      Dann folgt erst der Durchgang durch den Bundesrat. Bei Regelungen, die nicht in die Rechte der Bundesländer eingreifen, kann der Bundesrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder Einspruch erheben. Diesen Einspruch kann die entsprechende Mehrheit des Bundestages wiederum überstimmen. Dann steht der letzten Prüfung und Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten mit nachfolgender Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt nichts mehr im Wege. Greift das Gesetz jedoch in Rechte der Länder ein, ist die aktive Zustimmung einer Mehrheit im Bundesrat zwingend erforderlich. Bleibt die aus, können Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen.

       Vermittlungsausschuss ohne Regierung

      Das Vermittlungsverfahren bei besonders umstrittenen Gesetzesvorhaben läuft dann ohne Bundesregierung. Denn in diesem gemeinsamen Ausschuss von Bundesrat und Bundestag sitzen lediglich Mitglieder dieser beiden Verfassungsorgane. Auch bei den weiteren Verfahren ist die Regierung raus. Ganz gleich, ob nach der Einschaltung des Vermittlungsausschusses der Bundesrat sich noch mal mit dem ursprünglich vom Bundestag beschlossenen Gesetz befasst, ob im Vermittlungsausschuss Veränderungen verabredet werden und die dann erneut sowohl durch den Bundestag als auch durch den Bundesrat gehen, oder aber das Vorhaben scheitert. Auch daraus lässt sich etwas über die Stellung des Bundestages herauslesen.

      Erst recht gilt das, wenn wir die Praxis beleuchten. Die Vorstellung, dass der auf einen Fachbereich spezialisierte Abgeordnete erst etwas von einem Gesetzesvorhaben erfährt, wenn die Bundesregierung den Entwurf beschlossen und dem Bundestag zugeleitet hat, entspricht zwar den formalen Abläufen, aber nicht dem richtigen Leben. Jedes Ministerium, das am Ende nicht blamiert dastehen will, tut natürlich gut daran, diejenigen frühzeitig mit einzubeziehen, die anschließend die Mehrheit ihrer Kollegen in den Fraktionen von der Richtigkeit der gewählten Regelung überzeugen sollen. Die so genannten „Berichterstatter“, die über einzelne Gesetzesvorhaben sowohl den jeweiligen Ausschuss als auch ihre Fraktionen auf dem Laufenden halten, wirken im Hintergrund informell durchaus schon an mancher Gesetzesentstehung mit, wenn der Bundestag formal noch nicht eingeschaltet ist.

      Dieser Aspekt bezieht sich naturgemäß vor allem auf die Koalitionsfraktionen. Aber je nach Mehrheitsverhältnissen und Materie können auch die Experten der Opposition eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Natürlich ebenfalls eher informell. Aber für den weiteren Gang des Verfahrens ist es insbesondere bei umstrittenen Zustimmungsgesetzen, bei denen eine gewisse Eile geboten ist, wichtig, auch Stimmen von denjenigen Ländervertretern zu bekommen, deren Parteien in einzelnen Bundesländern in der Regierung sitzen, auch wenn sie im Bundestag „nur“ die Rolle der Opposition haben. Sie wirken dann in der innerparteilichen Meinungsbildung mit bei der Frage, wie ein Gesetz formuliert sein muss, damit die Chancen steigen, auch im Bundesrat dafür eine Mehrheit zu bekommen. Die Rolle „des“ Bundestages bei der Gesetzgebung ist also bei genauer Betrachtung differenzierter zu gewichten als es herkömmlichen Pauschalurteilen entspricht.

       Ausschüsse und weitere Gremien

      Die Fachausschüsse sind unerlässlich, wenn es um das Abwägen jeder einzelnen beabsichtigten Regelung in einem kurzen oder umfangreichen Gesetzesvorhaben geht. Nur hier, und nicht im Plenum, lassen sich die Details im Austausch mit Sachverständigen erörtern, können die jeweiligen Berichterstatter zur Not stundenlang nachbohren, können Abordnungen auch damit beauftragt werden, sich Beispiele in anderen Ländern oder besonders betroffene Situationen vor Ort anzuschauen. Generell orientiert sich der Bundestag, wie oben geschildert, bei der Gründung von Fachausschüssen am Bauplan der Bundesregierung. Aber der Bundestag ist daneben völlig frei, bestimmten Fachthemen eine besondere Aufmerksam durch einen eigenen Ausschuss zukommen zu lassen. So etwa durch den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den Sportausschuss, den Tourismusausschuss oder den Ausschuss für Kultur und Medien. Die Bedeutung des Budgetrechts ist für das Parlament so herausragend, dass sich eigene Gremien einerseits um die Ausgabeplanung im Haushaltsausschuss und andererseits um die Einnahme-Grundlagen in Form von Steuern im Finanzausschuss kümmern.

       Ausschüsse mit Verfassungsrang

      Eine Reihe von Ausschüssen können allerdings nicht verändert oder weggelassen werden, da sie verfassungsrechtlich vorgeschrieben sind. Da ist etwa der Verteidigungsausschuss, der die Identifikation der Bundeswehr als Parlamentsarmee unter anderem dadurch unterstreicht, dass er sich jederzeit in einen Untersuchungsausschuss verwandeln kann, um Missständen in der Truppe oder Verfehlungen im Verteidigungsministerium auf den Grund zu gehen. Zur Unterstützung seiner parlamentarischen Kontrolle und als eine Art Ombudsmann für die Soldatinnen und Soldaten wählt der Bundestag zudem den Wehrbeauftragten mit einem eigenen Arbeitsstab.

      Seine Unabhängigkeit wird dadurch verstärkt, dass er mit Kanzlermehrheit gewählt werden muss und sein Amt fünf Jahre, also über das Ende einer Wahlperiode und deren Mehrheiten hinaus, wahrnimmt. Für ihn ist im Plenarsaal stets ein einzelner Sitz zwischen dem Pult des Bundestagspräsidenten und der Bundesratsbank reserviert.

       Der Petitionsausschuss wird häufig als Seismograf des Parlaments erlebt.

      Verfassungsrang haben daneben drei weitere Ausschüsse. Im Fall des Auswärtigen Ausschusses kommt die Bedeutung des Bundestages ganz besonders zum Ausdruck, ist die Außenpolitik doch klassischerweise eine Domäne der Regierung. Doch wie sie mit den Hoheitsrechten Deutschlands umgeht, hat die Regierung fortwährend mit dem Parlament rückzukoppeln. Und die schon zitierten Bundeswehreinsätze im Ausland werden nicht von der Regierung beschlossen. Sie werden federführend im Auswärtigen Ausschuss beraten. Die Festschreibung dieses Gremiums im Grundgesetz führt denn auch zu einer Parlamentarisierung der Außenpolitik. Vielfach können Außenpolitik-Experten in Konfliktfällen auch dezent im Kontakt mit Parlamentskollegen die Arbeit von Diplomaten ergänzen und unterstützen.

      Der im Grundgesetz gleichfalls verankerte Petitionsausschuss wird häufig als Seismograf des Parlamentes erlebt. Wo immer gesetzliche Regelungen in der Anwendung klemmen, wann immer etwas schiefläuft, die Bürger sich ungerecht behandelt fühlen oder gute Verbesserungsvorschläge haben – hier ist ihre Anlaufstelle.

      Mit der fortschreitenden europäischen Integration ist zudem der in der Verfassung vorgeschriebene Europaausschuss immer wichtiger geworden. Die Verzahnung zwischen nationaler und europäischer Ebene schlägt sich hier auch darin nieder, dass Mitglieder des Europaparlamentes an der Ausschussarbeit mitwirken. Eine weitere Besonderheit dieses Gremiums besteht auch darin, dass er nicht nur Beschlussempfehlungen an das Plenum formulieren, sondern bei ausgesuchten Vorgängen auch stellvertretend für den gesamten Bundestag entscheiden kann.

       Wichtige parlamentarische Kontrolle

      Jederzeit kann ein Viertel der Bundestagsabgeordneten einen Untersuchungsausschuss durchsetzen, der sich auf der Grundlage klarer Vorgaben darum kümmert, bestimmte Aspekte des Regierungshandelns eingehend nachzuvollziehen. Mitunter rollen dann Hunderte von Aktenordnern mit der Beschreibung von Vorgängen, Handlungen und Kommunikation in den jeweiligen Sitzungssaal. Ein Untersuchungsausschuss hört die Beteiligten als Zeugen an und legt dem Plenum am Ende wiederum einen Bericht vor. Nicht immer können sich die Fraktionen auf eine gemeinsame Bewertung verständigen. Dann gibt es mehrere Berichte. In der Regel ist das ein Instrument insbesondere für die oppositionelle Kontrolle. Aber auch die Fraktionen der Regierungskoalition mischen bei der Aufklärung mit.

      Mehrfach gestärkt wurde das in der Regel geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium. Es hat weitgehende Auskunftsrechte gegenüber der Bundesregierung in Sachen nachrichtendienstlicher Arbeit und kann in wichtige Vorgänge beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst und beim Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst Einsicht in die Akten verlangen und Mitarbeiter befragen. Für besondere Vorgänge kann das Gremium einen Sachverständigen beauftragen.