Einäugige Killer: 5 klassische Krimis. Cedric Balmore

Читать онлайн.
Название Einäugige Killer: 5 klassische Krimis
Автор произведения Cedric Balmore
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745213867



Скачать книгу

Rauches machten mir klar, daß hier oft gepokert wurde. Ich zog meinen Kopf zurück, schloß die Tür, besuchte die Toilette und kehrte dann zu meinem Bier zurück.

      Unter dem Flaschenregal hing ein Spiegel mit einem Reklameaufdruck. Von meinem Platz aus konnte ich bequem in diesem Spiegel den Lokaleingang überwachen. Ein sichtlich angetrunkener Mann wankte herein und flegelte sich neben mich an den Tresen.

      »Das übliche, Hank«, sagte er.

      »Morgen«, meinte der Wirt kühl. »Schlaf dich erst mal aus, Derek. Für heute hast du genug.«

      Ich erwartete, daß der Gast protestieren würde, aber er glitt nur schweigend von seinem Hocker und verließ das Lokal. Offenbar war der Wirt ein Mann, dessen Autorität respektiert wurde.

      Als ich den nächsten Schluck nahm, kam Grooner mit dem in eine Decke gewickelten und mit Bindfaden verschnürtem Bild herein. Er schaute sich beinahe ängstlich um und ging dann auf die Tür zu, die zu dem Klubzimmer und zu den Toiletten führte.

      Ich behielt in diesem Moment den Wirt im Auge. Er stellte ein gespültes Glas aus der Hand, das er gerade aus dem kleinen Tresenbecken geholt hatte, und folgte dem Gast mit einem Blick aus seinen kaum merklich schmaler gewordenen Augen.

      Grooner kehrte eine Minute später ohne das Bild zurück. Er setzte sich an das andere Ende des Tresens und bestellte sich eine Cola, die er sofort bezahlte. Er trank sie hastig aus und wandte sich dann zum Gehen.

      »Hallo, Mister«, rief der Wirt ihm hinterher. »Sie haben etwas vergessen!« Grooner blieb verdutzt stehen und blickte über seine Schulter. Er sah ziemlich ängstlich aus. »Vergessen?« fragte er. »Ich habe schon bezahlt.«

      »Sie sind mit einem großen Paket hereingekommen«, stellte der Wirt fest und verschränkte seine haarigen Arme vor der Brust.

      »Ach das… Ich hole es später ab«, sagte Grooner rasch. »Vielleicht kommt auch ein anderer…«

      »Ich übernehme keine Verantwortung dafür, hören Sie?« meinte der Wirt sehr bestimmt. »Wo haben Sie es denn gelassen? In der Toilette?«

      »Nein, im Klubzimmer«, meinte Grooner und huschte aus dem Lokal.

      »Komischer Vogel«, murmelte der Wirt und schaute mich dabei an. Ich fragte mich, ob er ahnte oder wußte, daß ich ein G-man war. Hatte er diese kleine Show nur abgezogen, um mich davon zu überzeugen, daß er an diesem seltsamen Handel nicht beteiligt war und seine Hände in Unschuld wusch? »Noch ein Bier, Mister?« fragte er.

      Ich blickte auf mein Glas und war erstaunt, daß ich es tatsächlich schon geleert hatte. »Okay«, sagte ich.

      Diesmal nahm ich mir mit dem Trinken Zeit, aber nach einer halben Stunde mußte ich wohl oder übel noch etwas bestellen. Ich entschied mich für einen Kaffee. Weitere dreißig Minuten verstrichen. Ich genehmigte mir noch eine Cola. Die Gäste kamen und gingen.

      Zuweilen suchte einer die Toilette auf, aber keiner kehrte mit dem Bild unterm Arm zurück. Ich hatte die Toilettenfenster inspiziert und wußte, daß es keine Möglichkeit gab, durch sie zu verschwinden. Das Klubzimmer hatte kein Fenster.

      Ein paar junge Leute machten sich an dem Musikautomaten zu schaffen. Ich wurde langsam unruhig. Die Zeit rann mir durch die Finger. Draußen begann es zu dämmern. Hatten die Gangster gemerkt, daß die Bildaktion für sie geplatzt war?

      Ich mußte mit dem District Office sprechen, um zu erfahren, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte. Ich mußte herausfinden, was die Mordkommission im Fall von Hugh Parrish ermittelt hatte. War das entführte Modell inzwischen wiederaufgetaucht? Mir brannten hundert Fragen auf der Zunge. Mehr als ein Dutzend Dinge drängten auf ihre Erledigung, und ich saß in dieser Kneipe fest, ohne zu wissen, ob die Warterei erfolgreich sein würde.

      »Kann ich bei Ihnen mal telefonieren?« fragte ich den Wirt.

      Er nickte. »Im Klubzimmer hängt ein Münzautomat«, sagte er. »Sie müssen die kleine Wandtür öffnen, an der Lincolns Bild hängt.«

      Ich glitt vom Hocker und betrat kurz darauf das Klubzimmer. Das verpackte Bild lag mitten auf dem Tisch. Ich fand die Wandtür ohne Schwierigkeiten. Als ich eine Münze aus der Tasche holte, öffnete sich hinter mir die Tür.

      Ich wandte mich um. »Guten Abend, Miß Price«, sagte ich.

      Die Entführte stellt sich wieder ein

      Corinna Price trug eines dieser schlicht gearbeiteten Stadtkostüme, deren Preis sich nur an ihrem Schnitt, ihrer ausgefallenen Farbe und der Stoffqualität ablesen läßt. Für ein Mädchen, das seine Schwester vor wenigen Stunden durch einen heimtückischen Mord verloren hatte, wirkte sie erstaunlichkühl und frisch. Sie starrte mich an. »Mr. Trevellian!« hauchte sie.

      Ich wies mit der Hand auf den Tisch. »Das Bild ist schon hier«, sagte ich.

      »Sie auch«, stellte das Girl fest.

      »Ich bin überall dort, wo etwas los ist«, sagte ich. »Mein Kompliment. Sie sehen fabelhaft aus.«

      »Vielen Dank, aber ich fühle mich nicht so.«

      »Kein Wunder«, sagte ich. »Die Familie Price steckt bis über beide Ohren in Schwierigkeiten. Sie wissen, was Hugh Parrish zugestoßen ist?«

      »Papa hat es mir berichtet.«

      »Wohnt er bei Ihnen?«

      »Nein, im Hotel. Als er hörte, was Lala zugestoßen ist, kam er sofort mit dem Flugzeug von Chicago herüber. Er sucht Lalas Mörder.«

      »Das hat er mir gesagt. Beteiligen Sie sich an der Jagd? Sind Sie deshalb hergekommen?«

      »Ich wollte das Bild abholen«, sagte sie.

      Ich nickte. »Das ist mir klar. Woher wissen Sie, daß es hier ist?«

      »Ich bekam einen Anruf von einem Mann. Er nannte seinen Namen nicht. Er sagte mir, daß Lalas Bild — von dem Papa mir erzählt hatte — im Klubzimmer dieses Lokals läge und daß ich es abholen könnte.«

      »Hatten Sie keine Angst, in eine Falle zu laufen?«

      »Ein bißchen schon. Ich war unentschlossen, ob ich der Aufforderung, das Bild abzuholen, folgen sollte. Schließlich siegte meine Neugier. Haben Sie mich angerufen?«

      Falls sie schwindelte, spielte sie ihre Rolle ausgezeichnet. »Nein«, sagte ich. »Wußten Sie übrigens, daß Lala sich vor ihrem Tod porträtieren ließ?«

      »Davon hatte ich keine Ahnung«, meinte Corinna Price. »Aber das war nichts Ungewöhnliches. Sie wissen, daß Lala und ich kaum miteinander sprachen.«

      »Wie viele Begleiter hat Ihr Vater aus Chicago mitgebracht?« fragte ich.

      »Lieber Himmel, das interessiert mich nicht. Als Papa mich zu Hause auf suchte, war er allein.«

      »Machen wir uns nichts vor. Er kann es sich nicht leisten, ohne Leibwächter spazierenzugehen. Wie kommt es, daß er in New York auf seine Gorillas verzichtet?«

      »Warum fragen Sie ihn nicht selbst? Ich darf ihm damit nicht kommen. Papa sagt niemals mehr, als er verantworten kann — meistens weniger.«

      »Kennen Sie Jack Gardner? Er ist der Maler, der Ihre Schwester porträtierte.«

      »Nein«, antwortete Corinna Price. »Ich höre den Namen zum erstenmal. Darf ich das Bild einmal sehen?«

      »Bitte«, sagte ich und beobachtete, wie Corinna Price den Bindfaden und die Decke von dem Gemälde löste.

      Als sie das Bild zu Gesicht bekam, stieß sie einen halblauten Ruf aus. Ich musterte sie scharf und entdeckte Tränen in ihren Augen.

      »Lala war nicht gut, aber sie war schön«, murmelte Corinna Price. »Es ist ein wunderschönes Bild — ein bißchen frivol vielleicht, aber das macht es nur echter und überzeugender. Lala lebt in diesem Bild fort…«

      Ich