5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen. Alfred Bekker

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Название 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Вестерны
Серия
Издательство Вестерны
Год выпуска 0
isbn 9783745211658



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Cliff auf seinem Pferd den Berg herauf ritt. Er atmete auf, als er Wild Johns Hütte dort sah, wo sie immer gestanden hatte.

      Irgendwie war seine große Sorge gewesen, Wild John würde womöglich nicht mehr hier sein.

      Aber nicht nur die Hütte war da, auch Wild John selbst. Er empfing den alten Freund poltrig und lautstark wie immer, doch Old Cliff spürte, dass der Waldläufer ein gutes Stück älter geworden war seit der Zeit vor zwei Jahren, da sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Und das machte Old Cliff Sorgen. Ein alter Mann war nicht das, was sie jetzt in Musselshell City brauchten.

      „Was bringt dich hier in die Wildnis?“, fragte Wild John und nahm seinen Krug mit dem Selbstgebrannten unter der Bank vor der Hütte hervor. „Hol dir drinnen einen Becher!“

      Old Cliff trank, dann erzählte er, was in Musselshell City los war. Und er schloss: „Wir sind wenige, alte Leute zudem, die sich gegen Webster stellen. Er hat die drei Sheriffs, und das sind drei Banditen. Einer von ihnen ist gestern irgendwo verletzt worden, ich weiß nur noch nicht, wo das war. Immerhin haben wir Libbie Johnson mit den Kindern von McLean in die Stadt geholt, weil sich da diese Schweinebande ja doch nicht so offen als Banditen zeigen können. Allerdings wurde Dutch-Billy auf eine so freche Art umgebracht. Also, kurzum, Wild John, du hast früher so manche Stadt gezähmt. Wir brauchen dich.“

      Wild Johns Augen waren noch jung und scharf wie ehedem. Um diese Augen spielten unzählige Falten, als er schmunzelte, und nun zog er sein rechtes Hosenbein hoch.

      Old Cliff begriff erst nicht, was das heißen sollte, doch dann erschrak er. Wild Johns Fuß hatte von der Mitte des Unterschenkels an eine Prothese aus Holz. Der Stiefel war geschickt über diesen geschnitzten Fuß gezogen.

      „Was ist das?“, entfuhr es Old Cliff.

      Wild John grinste belustigt. „Ein Holzbein. Sagen wir ein Holzfuß, und ich habe ihn doch gut gemacht, was? Alles selbst geschnitzt. Ist meine Idee. Ich wollte nicht wie die Krüppel aus dem Bürgerkrieg mit einem Stock und einem Gummibolzen daran herumhumpeln. Das Ding ist fest angeschnallt, und man sieht es erst, wenn ich die Hose hochziehe. Nur, mit dem Marschieren, Cliff, ist es vorbei. Ich kann gehen, aber langsam und nicht sehr lange“, fügte er gar nicht mehr so heiter hinzu.

      Old Cliff dachte an das, weshalb er hergekommen war. Das konnte er nun aufstecken.

      „Du warst meine und meiner Freunde letzte Rettung“, sagte Old Cliff. „Aber lassen wir das. Wie konnte das mit deinem Fuß passieren? Wann war das?“

      „Letzten Winter. Ein Baum, der mir auf den Fuß gefallen ist. Tom hat mir den Fuß amputiert. Es lag hoher Schnee, wir konnten nicht einmal die Schwarzfüße und ihren Medizinmann holen. Tom hat es wunderbar gemacht."

      Old Cliff kroch ein Schauder den Rücken herauf. „Ohne Betäubung?“

      Wild John lächelte. „Er hat mir einen Kinnhaken gegeben. Als ich aufwachte, war er mit allem fertig. Das ist ein lieber Sohn, was?“

      Da fiel Old Cliff ein, dass von Tom Cadburn die Rede gewesen war. „Hör mal, du Schlachtross, ist der Junge etwa bei dir?“

      „Im Moment nicht, Cliff, aber er kommt bald wieder. Und somit war ich nicht nur deine letzte Rettung, ich bin es noch. Cliff, erzähle mir jetzt Einzelheiten. Wenn du damit fertig bist, ruh dich aus und reite danach wieder heim. Tom ist mit den Schwarzfüßen auf Jagd. Sobald er zurück ist, wird er euch helfen.“

      Old Cliff sah seinen alten Freund skeptisch an. „Hör mal, ich weiß, dass dein Junge kein Schlappschwanz ist. Ich habe ihn auch vier Jahre nicht gesehen. Nur, glaubst du, dass er mit Webster und dessen Revolverbande fertig wird?“

      Wild John lächelte. „Du wirst dich wundern, Cliff, und nicht nur du. Auch Webster wird sich wundern. Tom brennt darauf, seine Geschichte von damals ins Reine zu bringen. Ich hatte es ihm nur bis heute verboten. Aber einmal muss ich Tom ziehen lassen. Ich werde dann zu meinen Freunden, den Schwarzfüßen, gehen. Man wird alt, Cliff, und man glaubt, man könnte alles festhalten. Nichts möchte man weitergehen lassen. Aber das Leben ist eine riesige Uhr, Cliff. Der Zeiger geht immer weiter und weiter ...“

      *

      Libbie Johnson hatte Sue gewaschen und ins Bett gebracht, als es draußen klopfte. Sie gab dem Kind einen Kuss und sagte: „Schlaf schön, Sue! Ich muss sehen, wer da gekommen ist.“ Sie sah Daniel, den Jungen, an. „Dan, lies ihr das vor, was wir beide heute gelernt haben. Lies es Sue vor! Ich bin gleich wieder bei euch.“

      Das fünfjährige Mädchen nickte nur, und der neunjährige Daniel nahm nicht sehr begeistert das abgegriffene Märchenbuch, klappte es auf und begann seiner kleinen Schwester im Schein der Kerze vorzulesen.

      Libbie ging aus dem Zimmer, schloss leise die Tür und rief zur Haustür hin: „Wer ist draußen?“

      „Ich bin es, Hennie Cadburn..

      Libbie öffnete und ließ die Frau in die Wohnküche des kleinen Hauses treten. Hennie Cadburn hatte sich eine Wollstola über Kopf und Schultern gelegt, auf der Schneeflocken im Lampenlicht schimmerten.

      „Es ist noch mal Winter geworden, was?“, fragte Libbie.

      Die viel ältere Frau sah Libbie forschend an. „Weißt du es schon?“, fragte sie.

      „Nein, Mrs. Cadburn, wovon sollte ich wissen?“ Und dabei dachte Libbie: Sie sieht aus wie Tom. Mein Gott, fängt alles wieder von vorn an?

      „Libbie, sie haben McLean. Webster war selbst bei mir. Er sagt, dass sie McLean eine ganze Reihe von Verbrechen beweisen würden ... falls du uneinsichtig wärst. Er meint damit, dass du ihn heiraten sollst.“

      „Mrs. Cadburn, das ist entsetzlich!“, rief Libbie. „Es ist eine Erpressung! Kann man denn nicht den Militärrichter …?“

      „Kind, der ist doch nicht zuständig. Nicht mehr. Wir müssten den Zivilrichter alarmieren. Der sitzt in Helena. Nein, das hat keinen Zweck.“

      „Aber Sie haben mir doch gesagt, dass Old Cliff weggeritten sei, um Hilfe zu holen.“

      „Ja, Toms Vater ... Wild John.“

      „Und Tom?“

      Hennie Cadburn lächelte müde. „Tom? Der würde sofort verhaftet, wenn er hier auftauchte. Und außerdem, Kind, er ist noch jung ...“

      „Mrs. Cadburn, er müsste jetzt einundzwanzig sein, vielleicht schon zweiundzwanzig. Er ist...“

      „Er hat gejagt oder gefischt, oben im Norden bei den Indianern. Aber er ist kein Mann, der gegen drei Revolvermänner antreten könnte. Und weiter sind nun einmal Websters Sheriffs nichts. Zudem sieht es so aus, als hätten sie das Gesetz im Rücken. Libbie, du musst fliehen. Wir können auch nicht warten, bis Wild John kommt. Du musst bald weg, am besten noch diese Nacht.“

      „Und die Kinder?“

      „Ich kann mich um sie kümmern."

      „Ich weiss nicht, ob ...“

      Da bemerkte Libbie, dass sich die Tür zum Schlafzimmer geöffnet hatte. Und sie sah den Jungen, der sie aus großen Augen anblickte.

      „Dan, warum liest du Sue nicht vor?“, rief sie.

      Der Junge schüttelte den Kopf. „Wir wollen nicht von dir weg, Libbie! Wir wollen bei dir sein. Immer, Libbie! Lass uns nicht allein. Wir wollen nicht zu Mrs. Cadburn. Sie ist schon alt. Wir wollen bei dir sein, Libbie!“

      Er sagte es so bestimmt, so fest.

      „O Gott, was soll nur werden?", stöhnte Libbie verstört.

      „Wenn du hier bleibst“, erwiderte Hennie Cadburn, „wird dir kein anderer Weg bleiben, als Webster nachzugeben. Schon McLean zuliebe. Sie vernichten ihn, und am Ende ist er schon so gut wie ... Na, ich möchte es nicht aussprechen. Libbie, bring den Jungen ins Bett! Er muss nicht alles hören!“

      „Ich bleibe. Ich muss bleiben. Die Kinder