Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

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Название Scheidung kann tödlich sein
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525403



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mussten; beides war für einen Programmierer unabdingbar.

      Es passte uns ganz gut in den Kram, dass die Firma, welche die Transporter vermietete, auch billige Gebrauchtmöbel verkaufte. Wir fanden ein Sofa für 130 Euro, das perfekt zur Fußbodenfarbe des Hauses passte und überdies gut erhalten war. Zu unserer Begeisterung fügte es sich perfekt in unser neues Wohnzimmer ein; ich besaß noch passende Kissen und sonstige Ambiente-Gegenstände aus Deutschland, um das Ganze wohnlich zu machen. Unser neues Wohnzimmer war nun mit orientalischem Flair eingerichtet, mit einfachsten Mitteln, aber durchaus wirkungsvoll. Hier in Spanien fand das private Leben ohnehin mehr draußen statt.

      Nebenbei schrieb Attila mit Ronja E-Mails hin und her, denn Uschi sollte auf Vorschlag der Gutachterin einmal pro Woche ermöglichen, dass Ronja mit ihrem Vater auf diese Weise kommunizieren konnte. Dafür durfte sie ihr Handy nicht mehr benutzen, um Attila anzurufen. Noch erlaubte Uschi den Mailverkehr, jeden Samstag von 17 bis 18 Uhr. Marco sollte dann montags zu seinem Recht kommen. Ich war schon gespannt, wie lange das gut gehen würde. Besonders da ich registrierte, dass jedes Mal auch bei Attila die seelischen Wunden dabei wieder aufbrachen.

      Gleich am Montag fuhren wir nach Torrevieja zum Steuerberater. Meine spanische Firma war endlich im Handelsregister, mit mir als Geschäftsführerin, eingetragen worden, auch wenn ich leider noch immer keine internationale Steuernummer erteilt erhielt. Wir besprachen Unmengen von Details, die mit unseren Firmen zusammenhingen. Insgesamt hatten wir dort zwei Stunden verbracht. Das war viel Zeit, die uns natürlich wieder zum Arbeiten fehlte.

      Im Anschluss fragten wir bei unserer Bankfiliale nach, ob ich nun endlich mein Geschäftskonto fertig eingerichtet bekäme. Dort allerdings war ohne Termin nichts zu machen. Also war für Mittwoch noch einmal der gleiche Zeitverlust zu erwarten, es half alles nichts. Auch nach Alicante würden wir fahren müssen, um das Konto der Sa Nostra-Bank aufzulösen, welches der sogenannte Treuhänder First Plenty für meine Firma dummerweise in einer Filiale in Palma eröffnet hatte. Auch diese Bank brauchte den Nachweis, dass ich nun als Eigentümerin und Geschäftsführerin der Firma eingetragen war.

      Das Chaos nahm kein Ende. Dienstag beschloss ich, im neuen Haus zu bleiben, um mal anständig sauber zu machen und meinen Wäscheberg abzutragen. Sechs Stunden schuftete ich und war hernach glücklich, alles erledigt zu haben. Als ich Attila in Los Leandros abholte, wo sich nach wie vor unser Büro befand, wartete ein Poststapel auf mich. Unter anderem lagen da gleich zwei Briefe der Autoversicherung, bei der Anns Fahrzeug versichert war; nach Monaten hatte Ann endlich unter Mithilfe von Theo das Auto umgemeldet. Jedenfalls glaubte ich das.

      Den beiden Briefen war zu entnehmen, dass Ann am 7. Januar gleich zwei Unfälle am selben Tag gebaut hatte. Zuerst einen Auffahrunfall und danach hatte sie noch ein parkendes Auto angefahren. Es war im Schreiben vermerkt, dass ich nach wie vor als Versicherungsnehmerin geführt wurde, obwohl ich die Versicherung längst angeschrieben hatte und man mir zur Auskunft gab, dass ich vom Ausland aus überhaupt nicht Versicherungsnehmerin bleiben könne. Was also war nun wieder schiefgelaufen? Sicher war nur, dass das Fahrzeug eben nicht ordnungsgemäß auf meine Tochter versichert war. Daher erhielt ich die Unfallfragebögen. Super, noch eine Baustelle.

      Das Ganze kostete mich einen Anruf bei meiner Mutter, ob die etwas Genaues wisse, und eine E-Mail an Ann. Letztere antwortete nur rotzfrech, ob wohl was nicht in Ordnung sei? Nun, die Erklärung konnte sie haben! Mied mich wie den Teufel, wollte mich aber dennoch als Versicherungsnehmer missbrauchen, um Geld und Ärger zu sparen. So nicht, liebe Tochter!

      Das Telefonat mit meiner Mutter gestaltete sich, wie meistens, auch nicht sehr erbaulich. Dort erfuhr ich vorwiegend wieder einmal, dass sie wegen all dieser Probleme mit Ann nicht schlafen könne und ruinierte Nerven habe. Dass Ann im Übrigen schon wieder mit einem neuen Freund zusammen sei. Schuld an alledem sei im Grunde ich, weil ich Ann erst verschiedene Stiefväter vor die Nase gesetzt hätte und dann auch noch auswanderte. Meine Mutter interessierte rein gar nicht, dass Ann dieses Jahr schon 20 Jahre alt wurde, sich längst nichts mehr von mir sagen ließ. Aber wozu sollte ich ihr das erklären? Mea Culpa, alles klar.

      Als nächstes hörte ich, dass Ann sich auch allen anderen gegenüber unmöglich verhalte, jeden nur ausnutze und sich nun auch noch einbilde, trotz Geldmangels ein neues Auto kaufen zu wollen. Der Corsa sei zu alt. Woher nahm sie nur dieses Anspruchsdenken? Ich hatte ihr das sicher nicht anerzogen! In ihrem Alter hatte ich eine uralte Rostlaube mit Löchern besessen, bei der ich froh sein konnte, wenn sie überhaupt zwischendurch ansprang. Als ich mir danach ein wiederum gebrauchtes Alt-Fahrzeug anschaffte, musste ich vorher arbeiten und mir dieses zusammensparen. Außerdem: noch bis 2009 hatte ich diesen Corsa gefahren, er war auch mir gut genug gewesen.

      Zum Schluss erhielt ich noch eine Information, die sich meine Mutter mir gegenüber wirklich hätte sparen können. Mein Bruder Peter hatte den vier Jahre alten Honda Jazz meiner Eltern bekommen, weil der arme Kerl ja so wenig Geld habe und außerdem sein Haus abbezahlen müsse. Sie selbst legten sich ein Neues zu. Dies war schon das vierte Auto, das mein Bruder von meinen Eltern für lau übernehmen konnte. Immer mit der Begründung, er habe ja kein Geld, obwohl er von Anfang an einen Ganztagsjob beim Wasserwirtschaftsamt innehatte. Seine Frau arbeitete ebenfalls dort, für deren beiden Kinder erhielten sie Unterhalt vom Vater. Und die hatten kein Geld? Klasse.

      Meiner Mutter war im Gegensatz dazu seit jeher völlig egal, wovon ich lebte. Ich hatte wahrlich schon Zeiten gehabt, in denen ich nicht wusste, woher ich überhaupt Geld fürs Essen nehmen sollte. Auch ich musste früher ein Haus abbezahlen, heute muss ich den Unterhalt für drei Kinder aufbringen und den Honda Jazz abstottern, den Attila auf mich überschreiben hatte lassen. Erst vor kurzem hatte ich mir ausgerechnet, dass mir von meinen Einnahmen über die Supportfirma weniger als 900 Euro blieben.

      Aber wurde ICH jemals gefragt, ob ich ein Auto brauche? Nein. Natürlich nicht! Bei meiner Mutter galt ich seit meiner Geburt nur als Kind zweiter Klasse und mein Vater hatte nichts zu melden. Wenn sie mir das alles nur nicht immer wieder so eindringlich vor Augen geführt hätte …

      1984 – Telefonbuch-Terror

      Mein kleiner Bruder wird langsam erwachsen. Er überragt mich mittlerweile an Körpergröße und frönt nun mit seinen 16 Jahren auch echten Männertätigkeiten. Nicht, dass er besonders hinter den Mädchen her wäre. Dazu ist er viel zu verklemmt. Nein, mein Bruder hat sein Faible für Saufgelage mit Kumpels entdeckt; ich amüsiere mich jedes Mal köstlich, wenn er am nächsten Morgen so blass wie ein Sensenmann auf Urlaub aussieht und schwört, er werde nie wieder Alkohol anrühren, in seinem ganzen restlichen Leben nicht.

      Neulich kam er in besonders desolatem Zustand nach Hause. Er war mit seinem Kumpel auf dem Bayreuther Volksfest gewesen, hatte dort anscheinend kräftig beim Maßkrug-Stemmen geholfen. Als er zu Hause ankam, hielt er jedenfalls nur noch den abgebrochenen Henkel eines Kruges in der Hand, war patschnass, dreckig und trug nur noch einen Schuh. Wohlgemerkt, der Volksfestplatz ist höchstens einen Kilometer von der Wohnung meiner Eltern entfernt und Peter hatte definitiv keine Ahnung mehr, wie er überhaupt nach Hause gekommen war.

      Als der Herr Bruder seinen Rausch einigermaßen ausgeschlafen hatte, galt es, die Ereignisse vom Vorabend zu rekonstruieren. Irgendwo auf dem Weg musste er seinen Schuh verloren haben und inzwischen kam bruchstückhaft die Erinnerung zurück, dass er mit dem Maßkrug auf irgendetwas eingedroschen hatte, so dass hernach nur der Henkel übriggeblieben war.

      Widerwillig und grün um die Nase trottete das Wrack meines Bruders zum Volksfestplatz, um seinen mutmaßlichen Rückweg zu rekonstruieren. Schon nach wenigen Metern wurde ihm klar, auf welche Weise der Maßkrug das Zeitliche gesegnet hatte: Peter musste ihn auf einem Autodach zertrümmert haben, denn die Scherben lagen noch deutlich sichtbar auf und um das alte Auto herum. Oh je! Also Zettel ans Auto, sich zur Tat bekennen und auf die Rechnung zur Schadensbeseitigung warten. Klasse, Peter! Von hier aus musste »Peterchen«, wie ihn meine Mutter gegen seinen Willen noch immer zärtlich nennt, wohl in Richtung des Roten Mains geschwankt sein, denn seine Kleidung war in der Nacht durchnässt gewesen. Und siehe da – hier lag, mit Algen und Schlamm verziert, der vermisste Schuh im seichten Wasser. Den durfte Peter jetzt aus dem Flussbett angeln, sonst würde Mutter ihn vierteilen. Schließlich kauft sie ihm die Schuhe und wäre nicht erbaut,