Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

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Название Scheidung kann tödlich sein
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525403



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Staatsoberkasse sich wegen seiner Pleite mit lediglich kleinen Ratenzahlungen zur Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse einverstanden erklärte.

      Aus ihrer Zeit als Geschäftsführerin der GmbH war ihr überdies genau bekannt, dass Attila nicht, wie angegeben, bei dieser Firma als Angestellter arbeitete, sondern vielmehr die GmbH seit Jahren für diesen Kunden tätig war. Hätte sie die GmbH als Arbeitnehmer genannt, hätte die Polizei die Anzeige gar nicht entgegengenommen; in einem solchen Fall konnte nämlich nur ein Gericht oder Wirtschaftsprüfer ermitteln, was Attila netto von seinem Umsatz blieb, nicht aber die Polizei. Schließlich ist der Umsatz einer Firma nicht gleich deren Gewinn oder gar das Gehalt des Geschäftsführers.

      Als Attila aber am Montagmorgen mit dem Anwalt telefonierte und dieser erst einmal rechtlich überprüfen musste, ob er tatsächlich die entsprechenden Schritte einleiten konnte, sank Attilas Mut wieder ins Bodenlose. Man konnte förmlich zusehen, wie er zum wiederholten Male das Vertrauen ins deutsche Rechtssystem verlor.

      Schon kamen bei ihm wieder die alten Ängste hoch, dass Uschi womöglich nicht nur die Anzeige bei der Polizei erstattet, sondern auch den Gerichtsvollzieher reaktiviert haben könnte. Welcher dann vielleicht irgendwann sogar an die spanischen Konten heran könnte, und da lagen Rücklagen für Steuerzahlungen von nicht unerheblicher Höhe, die demnächst fällig wurden. Nicht etwa unser privates Geld, sondern dasjenige für den Staat.

      Auch ich hatte an der Sache ganz schön zu kauen. Erstens betraf mich das alles mit, zweitens hatte ich keine Ahnung, wie ich die Vorauszahlung für mein Buch aufbringen sollte. Wobei wir dieses zweite Standbein auf mittelfristige Sicht natürlich dringend gebraucht hätten, mal ganz abgesehen davon, dass ich persönlich auch ein Erfolgserlebnis nötig gehabt hätte. Aber konnte man so was vorfinanzieren, während jeder wegen Unterhalt hinter einem her war, ob nun berechtigt oder nicht? Ich glaube kaum. Was dann unter anderem auch bedeutete, dass ich weiterhin komplett finanziell von Attila abhängig wäre, was mir sowieso ein Problem aufwarf. Ich konnte das einfach nicht akzeptieren!

      Bis zum Abend sank Attilas Stimmung auf den Nullpunkt. Jetzt ging es ihm richtig schlecht, Uschi hatte es geschafft. Attila sah das schon richtig: warum konnte es eigentlich sein, dass es jemandem wie ihr offenbar erlaubt war, ausgerechnet uns, die wir arbeiteten und uns auch sonst nichts zuschulden kommen ließen, derart zu schaden? Hatten wir denn keine eigene Existenzberechtigung mehr, nur weil wir in Scheidung lebten? Unsere Ex-Partner wurden doch auch in Frieden gelassen!

      Für Uschi kam der Staat mit Hartz IV auf, weil sie nach wie vor keine Lust zum Arbeiten hatte, einen Psychoschaden vortäuschte. Und wir durften nur eines: zahlen. Wobei Attila nun endgültig die Rechnung aus der Zeit seiner Ehe zu begleichen hatte, als er zusammen mit Uschi weit über seine Verhältnisse lebte. Welche natürlich glaubte, das müsse endlos so weiter gehen. Ich denke, sie realisierte gar nicht, dass ich nun die Folgen abbekam, ständig sparen musste. Wegen ihrer Verschwendungssucht, an welcher Attila natürlich auch nicht völlig schuldlos war. Bereitwillig hatte er ihr damals ja immer wieder den »Dispo« erhöht und gebilligt, dass sie uferlos Darlehen aus der Firma zog.

      Als am Dienstagvormittag auch noch eine Rechnung der Anwaltskanzlei über 1.200 Euro ankam, fiel Attila endgültig der Verzweiflung anheim. Diese Rechnung beinhaltete eine Rechtsberatung wegen der Gründung meiner Firma – oder vielmehr den Schwierigkeiten, die durch die unsachgemäße Behandlung durch die First Plenty entstanden waren und entsprechende Schreiben, welche unter dem Strich allerdings zu gar nichts geführt hatten. Woher sollte er dieses Geld jetzt noch nehmen? Am liebsten hätte er augenblicklich keinen Finger mehr gerührt und einfach aufgegeben. Genauso wie ich!

      Um weiteren Angriffen von vorneherein die Wucht zu nehmen, stellte Attila einige Berechnungen an; es stellte sich heraus, dass uns von seinen ca. 5.500 Euro, die er im Monat mit der Firma machte, gerade mal 700 Euro zum Leben blieben. Der Rest waren Altlasten und sonstige Festkosten. Bei mir sah es nicht besser aus. Wieder einmal fragten wir uns, weshalb jemand auch nur auf die Idee kommen konnte, hiervon noch etwas abziehen zu wollen. Uschi hatte vermutlich unter dem Strich ein höheres Einkommen, wenn man bedachte, dass sie im Grunde mietfrei wohnte und Kindergeld kassierte. Und das ohne Arbeit.

      Am Donnerstag ging es Attila geringfügig besser, weil der Anwalt endlich in Sachen Uschi-Konter tätig geworden war. Ihre idiotische Anzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht erschien jetzt noch abstruser, weil eine Ladung des Gerichts im Postfach seines Email-Accounts lag. Zwei Termine hatte der Richter anberaumt, einmal am 02.02. und einmal am 02.03. Einmal Scheidung und Unterhalt, einmal Sorgerechts-Entscheidung. Sofort bat Attila den Anwalt, dass er veranlassen möge, den Termin Anfang Februar streichen zu lassen. Was glaubten diese Herrschaften eigentlich, wie oft Attila hin und herfliegen konnte?

      Außerdem hatte der Richter angeordnet, dass Attila sein Einkommen aus 2010 nachweisen müsse; nun gut, sollte er die frustrierende Berechnung erhalten und feststellen, dass Attila sich kein Gehalt ausgezahlt, sondern von seinem Gesellschafterkonto gelebt hatte, welches deswegen nun hoffnungslos überzogen war! Vorsichtshalber brachte Attila die auf dem spanischen Konto für gelagerten Gelder in Sicherheit, damit sie kein Gerichtsvollzieher einfrieren konnte. Denn wovon hätte er sonst die Steuern und seine Versicherungen zahlen sollen, die GmbH abwickeln? Da musste mein Konto nun einstweilen als Lagerplatz dienen. Dabei fühlte ich mich unwohl, auch wenn das legitim war.

      Am schlimmsten für Attilas Psyche war aber der beigefügte Bericht des Verfahrenspflegers, der die Interessen der Kinder wahren sollte. Was er ganz offensichtlich nicht tat. Er berichtete nur, dass Uschi bereits eine stationäre Nervenkrankenhaus-Behandlung für Tochter Ronja in die Wege geleitet habe, außerdem eine Heimeinweisung für Solveig. Ronja bekomme immer wieder jähe Wutanfälle, bei denen sie die Mutter tätlich angreife und Bilder von den Wänden im Wohnzimmer reiße.

      Die Kinder hätten sich im Übrigen alle nicht für einen dauerhaften Umzug nach Spanien ausgesprochen. Nebenbei erwähnte der Herr Verfahrenspfleger noch, der »Umgangssonntag« mit dem Vater sei nach Aussage der Kinder schon »in Ordnung« gewesen. Na ja, »schön« durfte er vermutlich auf gar keinen Fall gewesen sein!

      Attila taten natürlich wieder die Kinder leid. Ich allerdings sagte mir, dass sie zu einem gewissen Grad selber schuld seien. Warum wollten diese Kinder lieber ins Heim oder sonst wohin, anstatt zu ihrem Vater zu ziehen? Mit fast 11 bzw. 13 Jahren war auch nicht davon auszugehen, dass sie die Tragweite ihrer Äußerungen, vom Entwicklungsstand her, nicht ermessen konnten. Attila hingegen war der Meinung, man hätte sie gar nicht gefragt, und wenn, dann unter den Argusaugen oder vielmehr -ohren ihrer missgünstigen Mutter. Schon möglich.

      Ich verspürte absolut keine Lust, mich schon wieder in diese Thematik hineinzusteigern. Mir lag das letzte Mal noch im Magen, außerdem die »Vorfreude« auf das Ergebnis der Verhandlung. Womöglich reichte es dem Richter ja bereits mit Uschis Unfähigkeit und Attila könnte sehr schnell alle drei Kinder aufs Auge gedrückt bekommen.

      Schon am nächsten Morgen ging es weiter. Ein ehemaliger Geschäftspartner, für den die GmbH vor Jahren einmal tätig gewesen war, rief Attila auf dem Handy an. Auch er hatte einen Fragebogen der Polizei erhalten, ob Attila bei dieser Firma arbeite. Jener Herr Schrenker faxte der Polizei umgehend die Antwort zurück, dass dies nicht der Fall sei. Erstens war dieser geschäftliche Auftrag schon vor Jahren beendet worden, zweitens war wiederum nicht Attila, sondern dessen Firma Auftragnehmer gewesen.

      Nun war damit zu rechnen, dass Uschi wirklich jeden, an den sie sich irgendwie aus der geschäftlichen Vergangenheit erinnern konnte, anschreiben ließ und somit Attilas Ruf dort schädigte. Komisch! Daran, an all diese Firmennamen, konnte sie sich erinnern. Jedoch nicht an die Tatsache, dass niemals Attila als angestellte Person bei all diesen Firmen Arbeitnehmer gewesen war.

      Sie selektierte. Zog an den Haaren alles herbei, was für uns ihrer Meinung nach als negativ gelten konnte. Ihre eigenen Verfehlungen, ihren Alkoholismus und ihre Unfähigkeit bei der Kindererziehung verbarg sie sogar vor sich selber.

      Warum nur merkte das niemand?

      Am darauffolgenden Wochenende zogen wir unsere privaten Sachen in die Residencial Ambra um; zum Glück besaßen wir nur noch sehr wenige Dinge, so dass alles in einen Kleintransporter passte. Die Bürosachen wollten wir erst