Wundersame Geschichten II. Detlev Stäcker

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Название Wundersame Geschichten II
Автор произведения Detlev Stäcker
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783899692396



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zu sehen gibt, vor allem für dich, dann mit einem der besseren Hotelschiffe auf dem Nil, zunächst nach Luxor in Oberägypten, wo das Regiment für zwei Jahre stationiert war und nach Assuan, wo sie inzwischen den großen Staudamm gebaut haben. Dort, am Oberlauf, haben wir einmal bei Einfällen aus dem Sudan schlichten müssen. Eigentlich würde ich genauso gerne Khartum im Sudan wiedersehen wollen, wo das Regiment länger stationiert war. Aber ich muss zugeben, dass ich den Wunsch wegen der Unruhe, die da zurzeit herrscht, begraben habe.«

      »Na, da bin ich jedenfalls beruhigt. Wie sollen wir eine solche Reise denn organisieren, Papa? Soll ich das vorbereiten?«

      »Natürlich nicht, mein Kind. Dafür ist ein alter Offizier, der lange genug Dienst als ›Intelligence Officer‹ getan hat, noch durchaus in der Lage. Im Übrigen braucht man ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr selbst viel dafür zu tun. Es gibt schließlich Leute, die das alles für einen erledigen, wenn man nur weiß, wohin man will und man das Geld dafür hat. Thomas Cook wird das alles für uns richten.«

      »Und Blackie?«

      »Ich denke, den gibst du in einen Zwinger, zu McBridle zum Beispiel, den kennt er ja.«

      »Papa, du weißt, dass ich mich von dem Hund nicht trennen mag – abgesehen davon, dass er meines Erachtens leiden und einen Zwinger kaum mehr ertragen würde. Können wir nicht einen Weg finden, den Hund mitzunehmen?«

      Oberst Burgess fühlte sich unbehaglich. Eine Reise per Luft und Schiff mit einem so großen Hund würde alles sehr komplizieren, und er versuchte deshalb, die Bitte abzuwehren.

      »Nein, Papa, der Hund benimmt sich ausgezeichnet und kann sich jeder Situation anpassen. Schließlich hat sein Vorbesitzer ihn auch von Ägypten hierher gebracht. Und ...«, und damit spielte sie ihren letzten Trumpf aus, »... hast du mir nicht selber gesagt, dass diese Rasse bei den Ägyptern eine Art Scheu oder Vorsicht auszulösen scheint? Er würde somit unserer Sicherheit dienen und uns in einem doch nicht so ganz einfachen Land durchaus eine Hilfe sein, oder?«

      Ihr Vater grummelte zwar ein wenig, andererseits mochte er seiner Tochter nicht gern eine Bitte abschlagen und gab schließlich nach: »Ich will sehen, was möglich ist. Ob wir tatsächlich den Hund mit ins Flugzeug kriegen und was mit den Hotels ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man Hunde auf diesen Hotelschiffen akzeptiert. Aber ich werde zumindest nachfragen.«

       »Ich war heute Morgen übrigens bei der Thomas-Cook-Agentur am Strand in London ...«, berichtete Oberst Burgess seiner Tochter, als sie zwei Tage später wieder vor dem Kamin zusammensaßen, »... und habe dort meine Wünsche vorgetragen. Eine erstaunliche Organisation. Sie kannten sich mit Reisen nach Ägypten gut aus. Der Mann war sogar selbst mehrmals dort gewesen und empfahl als Reisezeit vor allem die Monate März und November. Als wenn ich nicht am eigenen Leibe erfahren hätte, wann man es dort am besten aushalten kann. Also, ich möchte für zwei bis drei Wochen im März nächstes Jahr planen. Man wird mir einen nach meinen Wünschen gestalteten, detaillierten Reiseplan mit Alternativen in zwei oder drei Tagen zuschicken, zu dem wir uns dann äußern müssen. Im Übrigen hat er mir dieses Informationsmaterial hier zusammengestellt, mit dem auch du dich befassen musst, Amy. Du solltest bei meinem nächsten Besuch bei Thomas Cook eigentlich dabei sein, damit deine Wünsche ebenfalls angemessen berücksichtigt werden.«

      »Ja und was ist mit Blackie? Hast du dich, wie versprochen, erkundigt, ob es Schwierigkeiten gibt, ihn mitzunehmen?«

      Oberst Burgess grinste. »Beinahe hätte ich vergessen, es zu erwähnen. Aber Spaß beiseite, Amy. Ich war verblüfft, wie einfach, fast selbstverständlich das ist. Offenbar haben nicht nur wir die Absicht, mit einem Hund zu reisen, sondern andere Leute auch, jedenfalls die, die nicht nur eine der Pauschalreisen buchen, sondern individuelle Pläne haben. Man ist also ganz darauf vorbereitet. British Air stellt spezielle Transportbehälter zur Verfügung. Die Hunde werden an Bord beaufsichtigt. Wenn man 1. Klasse fliegt, hat man sogar die Möglichkeit, nach den Hunden zu sehen. In den Hotels in Kairo und Luxor gibt es genügend Erste-Klasse-Häuser, die Hunde selbst in den Gasträumen akzeptieren und Hunde ausführen; auf Hotelschiffen der gehobenen Klasse gilt das Gleiche. Es ist doch gut, dass Ägypten ein Land ist, das sich mit den Vorlieben der Briten auskennt.« In Gedanken fügte er hinzu: »Lange genug haben sie sich ja an uns gewöhnen können!«

      »Nun, was sagst du dazu?«

      Amy war aufgestanden, hatte sich über ihren Vater gebeugt und ihm einen Kuss gegeben.

      »Du bist der Beste, Papa. Ich freue mich jetzt doppelt und verspreche, mich wirklich gut auf die Reise vorzubereiten und dir eine dankbare und gehorsame Begleiterin zu sein.«

       Die Vorbereitungen nahmen ihre Zeit in Anspruch. Da man auf der Tour durch Ägypten mehrere Klimazonen passiert, waren Sommer- und Herbstkleidung ein Muss. Auch was sonst alles eingepackt werden musste, vom Fernglas für den Herrn Oberst bis zum Tagebuch für Amy, verlangte Überlegungen und Planung.

      Schließlich waren sie auf dem Weg nach Heathrow und gingen durch die Flughafenroutinen. British Airways machte es seinen Passagieren einigermaßen leicht, und insbesondere das Einchecken für Blackie war einfacher bewerkstelligt als befürchtet. Der Hund benahm sich mustergültig. Er schien zu wissen, was zu tun war und machte überhaupt keine Schwierigkeiten, als er in den Transportbehälter einsteigen musste. Er sah nur Amy an und tat, worum sie ihn bat. Das Personal schüttelte erstaunt den Kopf. Der Oberst schnaufte zufrieden.

      Während des Direktfluges mit der Boing 737 von London nach Kairo sah Amy dreimal nach ihrem Hund, der ruhig in seinem Käfig lag und zu schlafen schien, aber sofort die Augen öffnete und sie ansah, als sie sich näherte und sich zu ihm hinunterbeugte. »Es ist zu ertragen«, schien er sagen zu wollen und wedelte zweimal mit seiner Rute.

      Ohne Probleme kamen sie vom Flughafen zum Hilton Hotel am Nil, wo man, von Thomas Cook vorbereitet, ein Doppelapartment mit Blick über den Nil, zwei Schlafzimmern und einem Hundeliegeplatz bereithielt.

      »Geld macht vieles möglich«, räumte der Oberst ein, weil seine Tochter sich verwunderte und über die Vorbereitungen glücklich war.

       Erst in den folgenden Tagen, als sie sich in Kairo umsahen und nacheinander das Besuchsprogramm der sogenannten ›Must-be’s‹ in dieser unglaublich unübersichtlichen Stadt absolvierten, kam es zu ein paar Ereignissen, die Amy auffielen. Alle hatten mit Blackie zu tun. Der Hund erhielt sein Futter regelmäßig von einem einfachen Angestellten Abud, einem kleinen dürren Mann, der alle Haustiere im Hotel zu versorgen schien. Als der sich morgens zum ersten Mal im Apartment meldete, um das Futter zu bringen, und den tierischen Gast sah, machte er eine Verbeugung, fast einen Kniefall und legte dem Hund sein Futter mit allen Zeichen der Verehrung vor. So blieb es auch in den Folgetagen.

      Wenn Amy mit Blackie in den Gärten um das Hotel spazieren ging, gingen ihnen einige Arbeiter aus dem Weg. Als Abud zum ersten Mal kam, um Blackie mit den Hunden anderer Gäste auszuführen, weigerte er sich mitzugehen und war nicht von der Stelle zu bringen. Als Amy selbst ihn ausführte, war er wie ein Lamm.

       Bei der Besichtigung des Ägyptischen Museums, Ziel jedes Kairobesuchers, der sich für das Land interessiert, war Blackie nicht dabei. Oberst Burgess und seine Tochter erhielten eine exklusive Führung durch einen der Kuratoren, einen Mr Al-Budai, an der außer ihnen nur zwei ältere Ehepaare teilnahmen. Sie hatten gerade die Säle mit den großen Sarkophagen durchschritten und die zum Teil wundervoll innen und außen bemalten und anderweitig verzierten Särge bewundert und kamen in den nächsten Saal, der dem Brauch der Einbalsamierung der Toten und der Ausstellung von Mumien gewidmet war. Amy wollte sich schon von der Beschreibung der Einzelheiten einer Einbalsamierung mit entsprechenden Darstellungen erschrocken abwenden, als ihr Blick auf das übergroße Bildnis, offenbar eines ägyptischen Gottes fiel, der nur mit einem weißen Schurz über seinem braunen Körper bekleidet eine etwas hervortretende Wand schmückte und den Saal beherrschte. Sie blieb erschrocken stehen und rief unwillkürlich: »Papa, das ist doch Blackie, jedenfalls sein Kopf!!« Die vorangehenden Herren drehten sich um und folgten ihrer ausgestreckten Hand.

      Auch Oberst Burgess schien erstaunt zu sein. Aus den Schultern des braunen Gotteskörpers wuchs das Haupt eines großen schwarzen Hundes mit langem Fang, hoch aufgestellten Ohren und grünen Augen.