Der Seewolf. Джек Лондон

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Название Der Seewolf
Автор произведения Джек Лондон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963619649



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empört war. Fluchen und Schimpfen hatten mich stets abgestoßen. Ich fühlte Mattigkeit, Schwäche oder eher Schwindel. Für mich war immer etwas Feierliches, Würdevolles mit dem Tode verbunden gewesen, etwas Friedvolles, Heiliges. In dieser schrecklichen Gestalt war ich ihm noch nie begegnet. Wie gesagt: während ich die Kraft der erschreckenden Entladung aus Wolf Larsens Munde genoss, war ich gleichzeitig unsagbar abgestoßen. Der versengende Strom genügte, das Antlitz der Leiche welken zu lassen. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn der schwarze Bart sich gekräuselt hätte und in hellen Flammen aufgegangen wäre. Aber der Tote blieb unangefochten. Er grinste weiter sein höhnisches Lächeln, zynisch und verächtlich. Er war Herr der Situation.

      3

      Ebenso plötzlich, wie er begonnen, hörte Wolf Larsen auf zu fluchen. Er zündete sich wieder seine Zigarre an und sah sich um. Seine Augen fielen auf den Koch. »Na, Köchlein?« fragte er mit einer merkwürdigen, kalten und stählernen Leutseligkeit.

      »Jawohl, Käptn«, schaltete der Koch beflissen und entschuldigend ein.

      »Meinst du nicht, dass du jetzt lange genug den Kopf herausgesteckt hast? Das ist nicht gesund. Der Steuermann ist tot, und dich kann ich nicht auch noch entbehren. Sei vorsichtig mit deiner Gesundheit, Köchlein. Verstanden?«

      Das letzte Wort traf im Gegensatz zu der früheren Freundlichkeit wie ein Peitschenhieb, und der Koch erzitterte.

      »Jawohl, Käptn«, antwortete er schüchtern, und der beanstandete Kopf verschwand.

      Nach dieser Abfuhr schien die Mannschaft das Interesse an den Vorgängen an Deck verloren zu haben und machte sich wieder an die Arbeit. Mehrere Leute jedoch, die zwischen der Kajüte und der Kombüse herumlungerten – sie schienen keine Seeleute zu sein –, sprachen leise weiter miteinander. Wie ich später erfuhr, waren es die Robbenjäger, die sich hoch erhaben über die gewöhnlichen Matrosen fühlten.

      »Johansen!« rief Wolf Larsen. Ein Matrose gehorchte. »Hol’ dir Platen und Nadel und näh’ den Schuft ein. Altes Leinen findest du in der Schiffstruhe. Los!«

      »Was sollen wir ihm an die Füße hängen, Käptn?« fragte der Mann gleichmütig.

      »Wird sich schon finden«, sagte Wolf Larsen. Dann hob er die Stimme und rief: »Köchlein!«

      Thomas Mugridge sprang wie ein Schachtelmännchen aus seiner Kombüse.

      »Geh nach unten und füll’ einen Sack mit Kohlen.«

      »Hat einer von euch eine Bibel oder ein Gebetbuch, Jungens?« lautete die nächste Frage, die der Kapitän diesmal an die bei der Luke herumlungernden Jäger richtete.

      Sie schüttelten die Köpfe, und einer von ihnen machte einen Witz, den ich nicht verstand, der aber allgemeines Gelächter hervorrief.

      Wolf Larsen stellte die gleiche Frage an die Matrosen. Bibeln und Gebetbücher schienen ein seltener Artikel an Bord zu sein, aber einer der Leute erbot sich, die Frage an die Wache, die sich unten befand, weitergehen zu lassen. Nach einer Minute kam er jedoch mit der Nachricht zurück, dass keins von beiden vorhanden sei.

      Der Kapitän zuckte die Achseln. »Dann lassen wir ihn ohne Geschwätz verschwinden, wenn unser schiffbrüchiger Pastor nicht das Seemannsritual auswendig weiß.«

      Bei diesen Worten drehte er sich um und sah mich an. »Sie sind Pastor, nicht wahr?« fragte er.

      Die Jäger drehten sich wie ein Mann um und betrachteten mich. Ich hatte das peinliche Gefühl, einer Vogelscheuche zu gleichen. Mein Aussehen verursachte ein schallendes Gelächter, das der Anblick des Toten, der grinsend an Deck ausgestreckt lag, in keiner Weise dämpfte, ein Gelächter, so rau und barsch wie das Meer selber, aus der Kehle von Männern, die weder Schliff noch Zartgefühl kannten.

      Wolf Larsen lachte nicht, wenn seine grauen Augen auch leicht aufleuchteten. Ich war dicht an ihn herangetreten, und jetzt erhielt ich, abgesehen von seiner äußeren Erscheinung und seinem Strom von Flüchen, den ersten Eindruck von dem Manne. Die bedeutenden, festen Züge verliehen seinem Gesicht trotz der Vierschrötigkeit gute Proportionen. Wirkte das Gesicht auf den ersten Blick ebenso massiv wie sein Körper, so gewann man doch bei näherer Betrachtung die Überzeugung, dass in der Tiefe seines Wesens eine ungeheure, entsetzliche Kraft schlummerte. Mund, Kinn, die hohe Stirn, die sich schwer über den Augen wölbte, alles dies, jedes für sich schon ungewöhnliche Stärke verratend, zeugte zusammen von einer unsagbaren Männlichkeit. Eine solche Seele ließ sich nicht ausloten, nicht ermessen; sie duldete keinen Vergleich.

      Die Augen – sie betrachtete ich besonders eingehend– waren groß und schön, weit offen wie die eines wirklichen Künstlers und von dichten schwarzen Brauen überwölbt. Sie waren von jenem veränderlichen Grau, das nie gleichbleibt, wie changierende Seide in der Sonne spielt und zahllose Schattierungen annimmt, die dunkel- und hellgrau und graugrün und manchmal azurblau wie die Tiefsee sein können. Es waren Augen, die die Seele hinter tausend Verkleidungen bargen, und die sich nur selten öffneten, um sie unverschleiert auf wunderbare Abenteuer in die Welt fahren zu lassen – Augen, die mit der hoffnungslosen Düsterkeit eines bleiernen Himmels brüten und wieder Feuerfunken wie von einem geschwungenen Schwert sprühen, die frostig wie eine arktische Landschaft werden und wieder sanft wärmen konnten, und die, intensiv und männlich – lockend und bittend – in feuriger Liebe blitzend, Frauen bezaubern und zugleich beherrschen mochten, dass sie sich in einem Schauer von Freude und Erleichterung ergaben.

      Doch zurück zu meinem Bericht: Ich erklärte, dass ich kein Geistlicher sei, also den Gottesdienst bei dem Begräbnis leider nicht übernehmen könne.

      »Was für einen Beruf haben Sie denn?«

      Ich gestehe, dass man noch nie eine solche Frage an mich gerichtet, und dass auch ich selbst noch nie darüber nachgedacht hatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, und ehe ich mich besonnen hatte, stotterte ich: »Ich – ich bin Gentleman.«

      Seine Lippen kräuselten sich zu einem verächtlichen Lächeln.

      »Ich habe gearbeitet, ich arbeite wirklich«, rief ich eifrig, als wäre er mein Richter, der Rechenschaft von mir forderte, während ich mir gleichzeitig ganz klar darüber wurde, wie dumm ich war, überhaupt auf die Frage einzugehen.

      »Leben Sie davon?«

      So herrisch und gebieterisch wirkte er, dass ich ›klappernd‹ wie ein zitterndes Kind vor dem gestrengen Lehrer dastand.

      »Wer unterhält Sie?« lautete seine nächste Frage.

      »Ich bin vermögend«, antwortete ich keck und hätte mir im nächsten Augenblick die Zunge abbeißen mögen. »Aber das hat doch alles nichts mit der Angelegenheit zu tun, über die ich mit Ihnen zu sprechen habe.«

      Er beachtete meinen Protest nicht.

      »Wer hat das Vermögen verdient? Nun? Dacht’ ich’s doch. Ihr Vater. Sie stehen auf den Füßen eines toten Mannes. Sie selbst haben nie was gehabt. Sie wären nicht imstande, ihrem hungrigen Magen von einem Sonnenaufgang zum anderen drei Mahlzeiten zu verschaffen. Zeigen Sie mal Ihre Hände!«

      Seine entsetzliche schlummernde Kraft muss sich in diesem Augenblick geregt, oder ich muss geschlafen haben, denn ehe ich es wusste, war er zwei Schritt vorgetreten, hatte meine rechte Hand gepackt und untersuchte sie. Ich wollte sie zurückziehen, aber seine Finger umschlossen sie ohne sichtbare Anstrengung so fest, dass ich glaubte, er zermalme sie. Unter solchen Umständen ist es schwer, Würde zu bewahren. Ich konnte doch nicht wie ein Schuljunge mich winden und zappeln. Und ich konnte auch ein Geschöpf nicht angreifen, das meinen Arm mit einem einzigen Druck zu zerbrechen imstande war. So blieb mir nichts übrig, als stillzuhalten und die Schmach hinzunehmen. Ich hatte Zeit zu beobachten, dass die Taschen des Toten entleert und sein Körper und sein Grinsen dem Blick durch ein Stück Segeltuch entzogen worden waren, dessen Falten Johansen, der Matrose, mit grobem Bindfaden zusammennähte, indem er die Nadel mit einem in seiner Handfläche befestigten Lederwerkzeug durchtrieb.

      Wolf Larsen schleuderte meine Hand verächtlich von sich: »Die Hände eines Toten haben die Ihren weich erhalten. Zu nichts nütze als zum Aufwaschen und Küchenjungendienst.«

      »Ich wünsche an Land gesetzt zu werden«, sagte ich