Katharina von Bora: Geschichtliches Lebensbild. Albrecht Thoma

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Название Katharina von Bora: Geschichtliches Lebensbild
Автор произведения Albrecht Thoma
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066118990



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Namenstag des folgenden Jahres meldet Luther dem Paten Martins, dem gestrengen und ehrenfesten Joh. von Rindesel Kurf. Kämmerer: „Euer Pate will ein thätiger Mann werden, er greift zu und will sein Sinnchen haben.“[175]

      Der Knabe war, scheint es, kränklich und ein kleiner Taugenichts, so daß der Vater fürchtete, er möchte einmal Jurist werden[176]!

      Dagegen war Hänschen ein stiller nachdenklicher Bursche, so daß der Vater meinte: „Er ist ein (geborener) Theologe.“ Der jüngste Sohn Paul aber, der am 28. Januar 1533 auf die Welt kam, ein kräftiger mutiger Junge, schien sich zum Türkenkrieger zu eignen. Daran dachte der Vater schon bei seiner Geburt und wählte ihm vielleicht deshalb einen Ritter, Hans von Löser, Erbmarschall und Landrentmeister, zum Paten. Aber auch der Herzog Joh. Ernst von Sachsen, ferner D. Jonas und die Frau des Kaspar Lindemann standen bei Paul zu Gevatter[177].

      In dem Gevatterbrief an Löser, der noch in der Nacht des 28. Januar 1533 geschrieben wurde, damit der Knabe nicht lange ein Heide bleibe und schon zur Vesper getauft werde, heißt es: „Ew. Gestrengen wollen sich demütigen Gott zu Ehren für meinen jungen Sohn förderlich und füglich erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi durch das hl. Sakrament der Taufe kommen und ein Glied der Christenheit werden möchte, ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papstes oder des Türken erziehen wolle.“[178]

      Als Hans Löser zur Taufe kam, hat ihn Luther also empfangen: „Gott sei Dank! Ich werde nicht ermangeln, Ew. Gestrengen in andern Sachen zu dienen. Es ist heut ein junger Papst geboren worden; derohalben helfet doch dem armen Schelm, daß er getauft werde.“ Das Kind wurde im Schlosse in einem Becken getauft. Hernach hat Luther seinen Gevatter zu Gaste geladen, da sie denn viel freundliche Diskurse geführt. Luther sagte: „Ich habe meinen Sohn lassen Paul heißen, denn der hl. Paulus hat uns viel große Lehren und Sprüche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnaden und Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Söhne von mir thun: der Lust zum Krieg hat, den will ich zu Hans Löser thun; der Lust zu studieren hat, zu Jonas und Philipp; der Lust zur Arbeit hat, den will ich zum Bauern thun“[179].

      Als eine Art Nachkömmling wurde das um Weihnachten 1534 geborene jüngste Kind angesehen, das nach Luthers (1531) verstorbenen Mutter Margareta genannt wurde. Wenigstens sah der Vater voraus, daß er nicht so alt werden würde, um sie zu versorgen. Darum schrieb er auch, als sie erst vier Jahr alt war, ihrem Paten, dem Pfarrer Probst in Bremen: „Es grüßet Euch meine Frau Käthe und Euer Patchen, mein Töchterlein Margaretchen, der Ihr nach meinem Tode für einen feinen frommen Mann sorgen sollt. Ihr habt sie zum Patchen gewählt, Euch befehle ich sie auch.“ Ein anderer, sehr hoher Pate war der Fürst Joachim von Anhalt, der Luther das „christliche Amt geistlicher Vaterschaft“ angetragen hatte und auch übernahm[180].

      Frau Käthe mußte die Kinder oft ihrem Vater bringen, auch ins Studierzimmer, da koste er mit ihnen und machte seine sinnigen Bemerkungen über Kindesnatur und Kindesleben; das zeige uns, wie's im Paradies war und wie's im Gottesreich sein sollte. Der Vater schaute aber auch mit Wohlgefallen zu, wie seine Käthe so freundlich mit ihrem Martinchen redete und so viel Geduld und Erbarmen mit allen Kindern hatte. Luther unterhielt sich mit ihnen übers Christkind, sah zu, wie Martinchen eine Puppe als Braut schmückte und beschützte, freute sich, wenn die Kinder sich zankten und schnell vertrugen als über ein Sinnbild der Sündenvergebung der Gotteskinder; er sah, wie die Kinder um den Tisch saßen und in freudiger Erwartung auf Pfirsiche und Birnen sahen, die darauf lagen, oder den Ast Kirschen, den ihnen Jonas gebracht, und sagte: „Wer da sehen will das Bild eines, der sich in Hoffnung freuet, der hat hier ein rechtes Konterfei. Ach daß wir den jüngsten Tag so fröhlich in Hoffnung könnten ansehen!“ Sein herziger Märchenbrief an sein liebes Söhnichen von der Koburg, ist das schönste Zeugnis eines kinderfreundlichen Gemütes. Von Koburg aus besorgte Luther seinem Haus ein groß schön Buch von Zucker aus dem schönen (Märchen-)Garten in Nürnberg. Auch sonst bringt er seinen Kindern von seinen Reisen immer „Jahrmarkt“ mit. Regelmäßig auch sendet er aus der Ferne Grüße und Küsse an Hänschen und Lenchen[181].

      Die Gespielen der Lutherischen Kleinen waren Melanchthons und Jonas' Kinder („Lippus“ und „Jost“ im Märchenbrief). Der Spielplatz war der große Klosterhof; da tummelten sie ihre Steckenpferde und schossen mit Armbrüsten, lärmten mit Pfeifen und Trommeln, tanzten oder „sprangen der Kleider und des Baretts“; auch ein Hündlein durften die Kinder halten. Später richtete der Vater Luther für sie und die andern jungen Hausgenossen auch einen Kegelplan ein und sah zu, wie sie sich vermaßen, zwölf Kegel zu treffen, wo doch nur neun auf dem „Boßleich“ standen, und schließlich froh waren, eine nicht zu fehlen. Ja, er selbst maß sich hie und da als ein Meister des Spiels mit ihnen, „schub einmal die Kegel umbwärts, das andere Mal seitwärts oder über Eck“[182].

      Aber Luther betete auch täglich den Katechismus mit seinem Sohn Hansen und seinem Töchterlein Magdalene und die Kinder selbst mußten „bei Tisch beten und herlesen“; und auch sonst waren sie von Vater und Mutter angehalten zum Gebet für die Gönner und Schützer der Reformation, für das Heil der Kirche und des Vaterlands. Martin und Paul hatten des Vaters musikalische Anlagen geerbt und mußten nach der Mahlzeit — allein oder mit andern — die liturgischen Gesänge der jeweiligen Kirchenzeit vortragen. Auch die kleine Margarete lernte mit fünf Jahren schon mit schöner Stimme singen: „Kommt her zu mir alle“ und anderes[183].

      In ihren Kindern sahen die Eltern ihr höchstes Glück und ihren schönsten Schatz. „Kinder binden, sie sind ein Band der Ehe und Liebe“, pflegte Luther zu sagen. Er fand in ihnen seinen Trost und seine Erholung von seinen Welt- und Kirchensorgen. „Ich bin zufrieden; ich habe drei eheliche Kinder, die kein papistischer Theolog hat, und die drei Kinder sind drei Königreiche, die habe ich ehrlicher und erblicher denn Ferdinandus Ungarn, Böhmen und das römische Reich“[184].

      Freilich, was für den Vater in seinen Mußestunden und bei Tisch eine Freude und Erholung war, das brachte der Mutter Arbeit, Sorge und Schmerzen. Es war doch keine Kleinigkeit für die vielbeschäftigte Hausfrau in acht Jahren sechs kleine Kinder zu haben, zu pflegen und zu erziehen — denn auf ihr lag doch das Hauptgeschäft der Erziehung. Und ihr Gatte sah das ein und bemerkte einmal, daß nur unser Herrgott sich von seinen Menschenkindern mehr gefallen lassen müsse als eine Mutter[185].

      Da war es denn ein großer Segen, daß Frau Käthe in ihrem Hause eine

       Stütze fand an ihrer Tante, Magdalene von Bora.

      Diese war bald nach ihrer Nichte selber aus Nimbschen entwichen und wohnte jetzt im schwarzen Kloster in einem besonderen Stüblein. Sie war als „Muhme Lene“ der gute Hausgeist, die echte und rechte Kindertante in der Lutherischen Familie. Als Siechenmeisterin hat sie sich ja zum Warten und Pflegen schon im Kloster ausgebildet. Und so wartete und hütete sie die kleinen Großneffen und Großnichten, spielte und betete mit ihnen, verwöhnte sie auch wohl und vertuschte ihre bösen Streiche, pflegte sie in den Kinderkrankheiten und war auch für Frau Käthe in ihren Kindbetten und Krankheiten die sorgsame Pflegerin und Lehrerin. Luther will in dem Märchenbrief von der Koburg an sein Söhnchen Hans die „Muhme Lene“ auch mitbringen lassen in den schönen Wundergarten und läßt sie grüßen und ihr einen Kuß „von meinetwegen“ geben; und auch sonst sendet er Muhme Lene seine Grüße[186].

      Zu den eigenen Kindern im Lutherischen Hause kamen bald andere. Zunächst

       Verwandte, Neffen und Nichten, dann aber Kinder von Freunden und

       Bekannten, und endlich fremde Kostgänger.

      Der erste war Cyriak Kaufmann, der Sohn einer Schwester Luthers; er kam als Studiosus nach Wittenberg und wurde am 22. November 1529 immatrikuliert. Er begleitete 1530 seinen Oheim auf die Koburg und dieser schickte ihn im August nach Augsburg, daß er sich in der großen Stadt einmal das Treiben eines Reichstags ansehe; dann mußte er wieder zu seinen Studien nach Wittenberg; auf der Heimreise brachte er von Nürnberg den Lebkuchen für seinen kleinen Vetter Hans Luther mit[187].

      Luthers Schwager und Schwester Kaufmann starben früh und so kamen allmählich alle fünf Waisen derselben zu ihrem Oheim nach Wittenberg, außer dem genannten Cyriak noch seine jungen Geschwister, die Brüder Fabian und Andreas, welche 1533 am 8. Juni frühzeitig mit dem erst siebenjährigen Hans Luther zu