Название | Martin Eden |
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Автор произведения | Джек Лондон |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026884491 |
Er schwankte wie ein Betrunkener und murmelte laut und begeistert: »Bei Gott! Bei Gott!«
An einer Straßenecke sah ihn ein Schutzmann mißtrauisch an und bemerkte seinen rollenden Seemannsgang.
»Wo hast du dir den geholt?« fragte der Schutzmann. Da war Martin Eden auf die Erde zurückgekehrt. Sein Organismus war wie ein leichtflüssiger Stoff, der sofort alle Winkel und Ritzen füllen konnte. Der Anruf des Schutzmanns brachte ihn sofort zu sich, und er erfaßte die Situation klar.
»Der ist nicht schlecht, was?« antwortete er lachend. »Ich wußte gar nicht, daß ich laut redete.«
»Du wirst bald anfangen zu singen«, meinte der Schutzmann.
»Nein, das tue ich nicht. Gib mir ein Streichholz, und dann fahre ich mit der nächsten Straßenbahn nach Haus.«
Er zündete sich seine Zigarette an, sagte gute Nacht und ging weiter. »Dem hab' ich wohl einen Schrecken eingejagt«, murmelte er. »Der Blaue dachte, ich sei betrunken.« Er lächelte und dachte nach. »Das war ich wohl auch,« fügte er hinzu, »aber ich hätte nicht gedacht, daß man das von einem Frauengesicht werden könnte.«
Er stieg in eine Straßenbahn, die nach Berkeley ging. Sie war überfüllt mit jungen Burschen und Männern, die sangen und lärmten und hin und wieder ein Gebrüll ausstießen. Er betrachtete sie mit Interesse. Es waren Studenten. Sie besuchten dieselbe Universität wie Ruth, gehörten derselben sozialen Klasse an wie sie, kannten sie vielleicht, sahen sie jeden Tag, wenn sie Lust dazu hatten. Er wunderte sich, daß sie keine Lust dazu hatten, daß sie heute hinausfuhren, um sich zu belustigen, statt in einem ehrerbietigen, bewundernden Kreis um sie zu sitzen. Seine Gedanken gingen weiter. Er bemerkte einen jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen und hängenden Lippen. Das ist ein Mistkerl, dachte er. An Bord eines Schiffes würde man ihn einen Schleicher, einen Waschlappen, ein Klatschweib genannt haben. Er, Martin Eden, war ein besserer Mann als dieser Bursche. Der Gedanke ermutigte ihn. Es war, als ob er ihn ihr näherbrachte. Er begann sich mit den anderen Studenten zu vergleichen. Er war sich seines Muskelmechanismus bewußt und war überzeugt, daß er ihnen in körperlicher Beziehung überlegen war. Aber ihre Köpfe waren mit einem Wissen gefüllt, das sie befähigte, so zu sprechen, wie sie zu sprechen pflegte. Dieser Gedanke entmutigte ihn. Aber wozu hat man denn einen Kopf? fragte er sich heftig. Was die getan hatten, konnte er auch tun. Sie hatten das Leben in Büchern studiert, während er genug zu tun gehabt hatte, das Leben selbst zu studieren. Sein Kopf war genau so mit Wissen gefüllt wie die ihren, es war nur eine andere Art von Wissen. Wie viele von ihnen konnten wohl einen Taljenreepknoten machen, am Ruder stehen oder Wache gehen? Sein Leben lag vor ihm ausgebreitet in einer ganzen Reihe von Bildern, Bildern von Gefahr, Kühnheit, Mühsal und Fleiß. Er erinnerte sich seiner Fehlschläge bei seinen Versuchen, sich Wissen zu verschaffen. Soviel hatte er jedenfalls doch gewonnen: sie mußten später auch hinaus ins Leben und die Tretmühle durchmachen, wie er es getan. Schön! Während sie damit beschäftigt waren, konnte er die andere Seite des Lebens aus Büchern lernen.
Als der Wagen die schwach bebaute Zone durchfuhr, die Oakland und Berkeley trennte, hielt er Ausschau nach einem wohlbekannten zweistöckigen Gebäude, das an der Straßenfront das stolze Schild »Higginbothams Bar-und Kassageschäft« trug. An dieser Ecke stieg Martin Eden aus. Er starrte einen Augenblick auf das Schild. Es verkündete ihm mehr als die Buchstaben selbst. Es war gerade, als ob er hinter diesen Buchstaben eine kleinliche, egoistische und tückisch berechnende Persönlichkeit sähe. Bernard Higginbotham war mit seiner Schwester verheiratet, und er kannte ihn gut. Er öffnete die Haustür mit einem Drücker und stieg die Treppe hinauf zum zweiten Stock. Hier wohnte sein Schwager. Das Geschäft befand sich unten. Ein Duft von welkem Gemüse hing in der Luft. Auf dem dunklen Vorplatz stolperte er über einen Spielzeugwagen, den eines von seinen zahlreichen Neffen oder Nichten hatte stehenlassen, und fiel mit einem Krach, der im ganzen Hause widerhallte, gegen eine Tür. »Der Knicker!« dachte er. »Er ist zu geizig, um für zwei Cent Gas zu brennen. Lieber kann sich sein Pensionär den Hals brechen.«
Schließlich fand er den Türgriff und betrat ein erleuchtetes Zimmer, in dem seine Schwester und Bernard Higginbotham saßen. Sie war dabei, ein paar alte Hosen ihres Mannes zu flicken, und er rekelte seinen mageren Körper auf einem Stuhl, während seine Füße in ganz ausgetretenen Filzpantoffeln von einem zweiten Stuhl herunterbaumelten. Er blickte mit einem Paar dunkler, unzuverlässiger, stechender Augen über den Rand seiner Zeitung hinweg. Martin Eden konnte ihn nie ansehen, ohne sich von einer Art Widerwillen gepackt zu fühlen. Was seine Schwester an diesem Manne sah, ging über seinen Verstand. Auf ihn wirkte er stets wie ein giftiges Gewürm, und er fühlte immer die Versuchung, ihn unter seinem Absatz zu zertreten. »Eines schönen Tages zerschlage ich ihm doch die Fratze«, sagte er oft bei sich, um sich darüber zu trösten, daß er sich die Existenz dieses Mannes gefallen lassen mußte. Die wieselartigen, grausamen Augen sahen ihn gereizt an.
»Na?« fragte Martin. »Heraus damit!«
»Ich hab' erst vorige Woche die Tür streichen lassen,« sagte Bernard Higginbotham in halb jammerndem, halb gebieterischem Ton, »und du weißt, was Gewerkschaftslöhne sind. Du könntest gerne etwas vorsichtiger sein.«
Martin wollte antworten, sah dann aber die Zwecklosigkeit ein. Sein Blick glitt von diesem Mann mit seinen unsagbar schmutzigen Gedanken auf einen Farbendruck an der Wand. Er wunderte sich. Bisher hatte der ihm stets gefallen, jetzt aber war ihm, als sähe er ihn zum erstenmal. Er war billig, das war es – billig, wie alles andere in diesem Hause. Seine Gedanken kehrten zu dem Heim zurück, das er soeben verlassen hatte, und er sah zuerst die Gemälde und dann SIE, die ihn mit so milden, freundlichen Augen angeblickt hatte, als sie ihm die Hand zum Abschied drückte. Er vergaß ganz, wo er war, ja, er vergaß die Existenz Bernard Higginbothams, bis dieser Herr fragte: »Hast du einen Geist gesehen?«
Martin trat zu ihm und sah ihm in die kleinen, spöttischen, gereizten, feigen Augen, und vor seinen Blicken standen wie auf einem gemalten Schirm dieselben Augen, wenn ihr Besitzer unten im Laden stand und handelte – demütige Augen mit einem wohlwollenden, schmeichlerischen Ausdruck.
»Ja,« antwortete Martin, »ich habe einen Geist gesehen. Gute Nacht. Gute Nacht, Gertrude.«
Er wandte sich zum Gehen, strauchelte aber über einen Riß in dem verschlissenen Teppich.
»Schmeiß nicht die Tür zu«, warnte Herr Higginbotham ihn.
Martin Eden fühlte das Blut in seinen Adern kochen, aber er bezwang sich und schloß die Tür vorsichtig hinter sich.
Herr Higginbotham sah seine Frau triumphierend an. »Er ist betrunken«, erklärte er heiser flüsternd. »Ich habe es dir ja gesagt.«
Sie nickte resigniert.
»Er hatte ganz blanke Augen«, räumte sie ein. »Und er hatte keinen Kragen um, obgleich er mit einem weggegangen ist. Aber vielleicht hat er nur ein paar Glas getrunken.«
»Er konnte ja nicht auf den Beinen stehen«, versicherte ihr Mann. »Ich hab' ihn beobachtet. Er konnte nicht über den Fußboden gehen, ohne zu stolpern. Du hast ja selbst gehört, daß er auf dem Vorplatz beinahe fiel.«
»Ich glaube, er stolperte über Alices Wagen«, sagte sie. »Er konnte in der Dunkelheit nicht sehen.«
Bernard Higginbothams Zorn wuchs, und seine Stimme hob sich. Den ganzen Tag mußte er im Laden den Demütigen spielen, abends aber, wenn er mit seiner Familie zusammen war, wollte er er selber sein dürfen.
»Ich sage dir doch, daß dein Prachtkerl von Bruder besoffen war.«
Seine