Название | Martin Eden |
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Автор произведения | Джек Лондон |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026884491 |
»Ach, das meinte ich nicht«, erklärte sie schnell. »Ihre Hände scheinen zu klein für Ihren Körper.«
Er errötete. Er dachte, daß wieder eine seiner Unvollkommenheiten ans Tageslicht gebracht worden sei.
»Ja«, sagte er ärgerlich. »Sie sind nicht groß genug, Arme und Schultern hab' ich wie ein Maultier. Die sind zu stark, und wenn ich einem Mann die Fresse zerhaue, werden mir die Hände dabei auch zerhauen.«
Was er gesagt hatte, gefiel ihm nicht. Er war wütend auf sich. Er hatte seine Zunge gelöst und Dinge gesagt, die sich nicht schickten.
»Es war brav von Ihnen, daß Sie Arthur auf diese Weise zu Hilfe kamen – Sie, als Fremder«, sagte sie taktvoll, als sie seine Verlegenheit sah, obwohl sie den Grund nicht kannte.
Er hingegen verstand sehr gut, was sie getan hatte, eine warme Welle der Dankbarkeit überspülte ihn, und er vergaß seine lose Zunge.
»Das war nicht der Rede wert«, sagte er. »Jeder andere hätte genau dasselbe getan. Die Rowdys wollten Spektakel machen, und Arthur hatte ihnen nichts getan. Sie gingen auf ihn los, und da ging ich wieder auf sie los und vermöbelte ein paar von ihnen. Bei der Gelegenheit ging wohl auch ein bißchen Haut von meinen Händen, zugleich mit ein paar Zähnen von den Kerlen. Ich freue mich heut noch darüber. Wenn ich sehe ...«
Er hielt inne, mit offenem Munde, wie erschrocken über seine eigene Verderbnis und seine Unwürdigkeit, dieselbe Luft wie sie zu atmen. Und während Arthur zum zwanzigsten Mal sein Abenteuer mit den betrunkenen Rowdys auf der Fähre berichtete und erzählte, wie Martin Eden sich auf sie gestürzt und ihm geholfen hatte, saß dieser Martin Eden mit gerunzelter Stirn da, dachte, daß er sich jetzt vollkommen lächerlich gemacht hätte, und kämpfte verbitterter als je mit der Frage, wie er sich vor diesen Leuten benehmen sollte. Bis jetzt hatte er wahrhaftig nicht viel Glück gehabt. Er gehörte nicht zu ihrer Klasse und sprach ihre Sprache nicht, so erklärte er es sich selbst. Er könnte nicht so tun, als ob er ihresgleichen wäre. Eine solche Maskerade würde ihm mißglücken, zumal jede Art Maskerade seinem Wesen fremd war. Verstellung oder List hatten keinen Teil an ihm. Was auch geschah, er mußte er selbst bleiben. Er konnte ihre Sprache nicht sprechen, aber das würde schon noch kommen. Dazu war er fest entschlossen. Inzwischen aber mußte er sprechen, und zwar in seiner eigenen Sprache, die er natürlich dämpfen mußte, damit sie ihnen verständlich wurde und sie nicht allzusehr verletzte. Ferner wollte er nicht mehr durch schweigendes Hinnehmen so tun, als kenne er Dinge, die er in Wirklichkeit nicht kannte, und mehrmals unterbrach er die beiden Brüder in einer Unterhaltung, um zu erfahren, was dies oder jenes bedeutete.
Er erhielt einen Einblick in ein Wissen, das ihm unbegrenzt zu sein schien. Was er sah, nahm greifbare Gestalt an. Seine unerhörte Einbildungskraft half ihm dabei. In der Werkstatt seiner Gedanken wurden die verschiedenen Zweige der Wissenschaft, wurde der Wald der Kenntnisse zu einer ganzen Landschaft. Er sah die Wege mit grünen Blättern und Lichtungen, überflutet von gedämpftem Licht und hellen Sonnenflecken. Die Einzelheiten in der Ferne waren verschleiert und von einem dunkelvioletten Nebel verwischt, dahinter aber lag der Zauber des Unbekannten, die zwingende Macht der Romantik. Es wirkte auf ihn wie Wein. Hier gab es Abenteuer. Hier gab es etwas, das Kopf und Hände verrichten konnten, hier war eine Welt zu besiegen, und sogleich tauchte vor dem Hintergrund seines Bewußtseins der Gedanke auf, daß er siegen wollte, um sie zu gewinnen, diese lilienweiße Elfe, die neben ihm saß.
Die leuchtende Vision wurde von Arthur zerrissen, der den ganzen Abend versucht hatte, den wilden Mann zum Ausbruch zu bringen. Martin Eden erinnerte sich seines Entschlusses. Zum erstenmal wurde er der echte Martin Eden, anfangs bewußt und mit voller Überlegung; bald aber vergaß er alles über der Freude, zu schaffen und das Leben, wie er es kannte, vor den Augen der Zuhörer erstehen zu lassen.
Er hatte sich auf dem Schmugglerschoner »Halcyon« befunden, der von einem Zollkutter gefaßt wurde. Er sah mit offenen Augen und konnte erzählen, was er sah. Er ließ das wogende Meer und die Männer und Schiffe des Meeres vor ihnen erstehen. Er teilte ihnen von seiner Einbildungskraft mit, bis sie mit seinen Augen sahen, was er gesehen hatte. Aus der ungeheuren Menge von Einzelheiten wählte er mit dem sicheren Griff des Künstlers, zeichnete Bilder des Lebens, die von Licht und Farben flammten, und blies ihnen Bewegung ein, so daß seine Zuhörer von diesem Strom roher Beredsamkeit, Begeisterung, Stärke und Macht gepackt wurden. Zeitweilig erschreckte er sie durch die Lebendigkeit der Erzählung und seiner Ausdrücke, aber auf Heftigkeit folgte immer sofort wieder Schönheit, und die Tragödie wurde belebt durch Humor und den eigenartigen springenden Gedankengang des Seemanns.
Und während er sprach, sah das junge Mädchen ihn mit großen erschrockenen Augen an. Sein Feuer durchglühte sie. Sie dachte, ob sie wohl ihr ganzes Leben gefroren hätte. Sie sehnte sich danach, sich an diesen brennenden, flammenden Mann zu lehnen, der wie ein Vulkan Stärke und Gesundheit ausspie. Sie fühlte, daß sie sich an ihn lehnen mußte, und widerstand der Versuchung nur mit Mühe. Aber sie hatte auch eine entgegengesetzte Empfindung: sie schauderte vor ihm zurück. Sie wurde abgestoßen von den zerrissenen Händen, die von Arbeit besudelt waren, als hätte aller Schmutz des Lebens das Fleisch verseucht, von dem roten Strich vom Kragen und den schwellenden Muskeln. Seine Roheit erschreckte sie. Jedes rohe Wort verletzte ihr Ohr, jeder derbe Satz war ein Hohn auf ihre Seele. Aber immer wieder fühlte sie, wie er sie anzog, bis ihr schien, daß er schlecht sein müßte, um eine solche Macht über sie auszuüben. Alles, was am tiefsten in ihr wurzelte, drohte zusammenzustürzen. Der Schimmer von Romantik und Abenteuern, der über ihm lag, hämmerte gegen alles Herkömmliche. Seinen leicht besiegten Gefahren und seinem stets bereiten Lachen gegenüber war das Leben nicht mehr etwas Ernstes mit Mühe und Zwang, sondern ein Spielzeug, das man nach Belieben drehen und wenden, das man nachlässig leben und nachlässig beiseitewerfen konnte. »Deshalb spiele!« rief es in ihr. »Lehne dich an ihn, wenn du Lust dazu hast, und lege ihm deine Hände um den Hals!« Sie hätte gern diesen wilden Gedanken verbannt, und sie suchte vergebens, ihre eigene Reinheit und Kultur, alles, was sie war, in die Wagschale zu werfen gegen das, was er nicht war. Sie sah auf die andern und bemerkte, daß sie ihn aufmerksam und hingerissen anblickten, und sie würde ganz den Mut verloren haben, hätte sie nicht den Schrecken in den Augen ihrer Mutter gesehen – einen Schrecken, der halb Begeisterung, aber dennoch Schrecken war. Dieser Mann aus der äußersten Finsternis war schlecht. Ihre Mutter sah es, und ihre Mutter hatte recht. Sie wollte sich in dieser Sache wie immer auf das Urteil ihrer Mutter verlassen. Das Feuer, das aus ihm loderte, wärmte nicht mehr, ihre Angst vor ihm war nicht mehr so überwältigend.
Später setzte sie sich an den Flügel und spielte für ihn, nur für ihn, aggressiv, mit dem unklaren Ziel, den unüberbrückbaren Schlund zwischen ihnen zu betonen. Ihre Musik war eine Keule, die sie brutal über seinem Haupte schwang, aber wenn sie ihn auch betäubte und in den Staub warf, so wirkte sie doch anspornend auf ihn. Er starrte sie ehrfürchtig an. In seinem Gemüt wie in dem ihren erweiterte sich der Schlund zwischen ihnen; aber noch fester wurde sein ehrgeiziger Entschluß, diesen Schlund zu überbrücken. Seine Gefühle waren jedoch zu wirr, als daß er den ganzen Abend hätte ruhig dasitzen und auf den klaffenden Schlund starren können, namentlich wenn musiziert wurde. Er war merkwürdig empfänglich für Musik. Sie war wie ein berauschender Trank, der seine Gefühle zu ungewohnter Kühnheit anspornte, wie ein Gift, das sich in seine Phantasie schlich und sie bis in die Wolken hob. Musik verjagte die schmutzige Wirklichkeit, erfüllte sein Gemüt mit Schönheit, ließ die Romantik los und beschwingte sie. Er verstand die Musik, die sie spielte, nicht. Sie war ganz anders als die, die er kannte: das hämmernde Klavier und der Lärm der Hornbläser in den Tanzlokalen. Aber er hatte durch die Bücher eine Vorstellung von dieser Musik, und er nahm sie daher fast wie eine Art Glaubenssatz hin, wartete geduldig auf die taktfesten Töne eines bestimmten Rhythmus und wurde allmählich ganz verwirrt, weil die Motive so oft wechselten. Sobald er die Melodie erfaßt hatte und seine Phantasie durch den Raum schweifen ließ, verschwanden die Motive immer wieder in einem wirren Chaos von Tönen, von denen er sich keine Vorstellung