Название | Martin Eden |
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Автор произведения | Джек Лондон |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026884491 |
Hinter ihrem Bewußtsein lag das Problem, wie sie ihm helfen könnte, und sie lenkte das Gespräch selbst in diese Richtung; aber es war Martin, der das erste Wort sprach.
»Ich möchte so gern einen Rat von Ihnen haben«, begann er, und sie ging sofort so bereitwillig darauf ein, daß sein Herz klopfte. »Sie erinnern sich vielleicht, daß ich neulich sagte, ich könnte nicht über Bücher und dergleichen reden, weil ich nicht wüßte, wie? Nun habe ich ein ganz Teil darüber nachgedacht. Ich bin in der Bibliothek gewesen; aber die meisten Bücher, mit denen ich mich abgegeben habe, sind mir zu hoch gewesen. Es wäre vielleicht am besten, wenn ich ganz von vorn anfinge. Ich habe nie etwas Ordentliches gelernt, seit klein auf habe ich schwer arbeiten müssen, und nachdem ich in der Bibliothek gewesen bin und die Bücher mit andern Augen angesehen habe – ja, auch neue Bücher gesehen habe –, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß ich nicht die richtigen gelesen habe. Sehen Sie, die Bücher, die man auf einer Viehranch oder in der Back findet, sind nicht dieselben, die Sie zum Beispiel hier im Hause haben. Und eine solche Lektüre war ich eben gewohnt. Und doch – und das sage ich nicht, um mich zu rühmen – und doch bin ich anders gewesen als die Leute, mit denen ich zusammen Vieh hütete. Ich war nicht besser als die Matrosen und die Viehhirten, mit denen ich zusammenlebte – ich bin eine Zeitlang Viehhirt gewesen, wissen Sie –, aber ich habe immer Bücher geliebt und alles gelesen, was ich in die Finger kriegen konnte, und ... na ja, ich bildete mir eben ein, daß ich anders denke als die meisten.
»Aber was ich sagen wollte: Ich bin noch nie in einem Hause wie diesem gewesen. Als ich vor einer Woche herkam und Sie und Ihre Mutter und Ihre Brüder und alles andere sah, da gefiel es mir. Ich hatte von solchen Dingen gehört und in Büchern darüber gelesen, und als ich mich in Ihrem Hause umsah, da war es gerade wie in den Büchern. Aber was ich sagen wollte: es gefiel mir. Ich hätte es gern selbst so gehabt. Ich möchte es gern jetzt so haben. Ich möchte, daß die Luft, die ich atme, so wäre wie in diesem Hause – eine Luft, die von Büchern, Bildern und schönen Dingen erfüllt ist, in der die Leute leise reden, rein sind und rein denken. Die Luft, die ich bisher geatmet habe, war immer vermischt mit Essen und Miete und Schlägereien und dergleichen, das war alles, worüber sie redeten. Sehen Sie, als Sie durchs Zimmer gingen und Ihre Mutter küßten, da war mir, als sei es das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich habe allerhand in meinem Leben gesehen, und wie dem nun auch sei, so habe ich jedenfalls mehr Nutzen davon gehabt als die meisten, mit denen ich zusammen war. Ich will sehen, und ich möchte gern mehr und anderes sehen.
»Aber ich bin noch nicht zur Hauptsache gekommen, und die ist: Ich will versuchen, es dahin zu bringen, daß ich ein Leben führen kann, wie Sie es hier im Hause leben. Es gibt anderes und besseres im Leben als Streit und schwere Arbeit. Aber wie soll ich das erreichen? Wo soll ich anfangen? Ich bin bereit, dafür zu arbeiten, wissen Sie, und ich kann es mit den meisten aufnehmen, wenn es schwere Arbeit gilt. Wenn ich erst einmal angefangen habe, arbeite ich Tag und Nacht. Vielleicht finden Sie es komisch, daß ich Sie nach alledem frage, ich weiß, Sie sind die letzte auf der Welt, die ich fragen sollte, aber ich kenne sonst niemand, den ich fragen könnte ... es sei denn Arthur. Vielleicht sollte ich lieber ihn fragen. Denn ich ...«
Seine Stimme versagte. Die Entschlossenheit, die ihn bisher getrieben hatte, zitterte bei dem furchtbaren Gedanken, daß er Arthur hätte fragen sollen, und daß er sich lächerlich gemacht hätte. Ruth antwortete nicht gleich. Sie war zu sehr damit beschäftigt, seine Unsicherheit, seine linkische Rede und seinen einfachen Gedankengang mit seinem Gesichtsausdruck in Einklang zu bringen. Noch nie hatte sie in Augen gesehen, die eine solche Kraft ausdrückten. Hier war ein Mann, der alles vermochte, das war die Botschaft, die sie in ihnen las und die nur schlecht mit seiner mangelhaften Fähigkeit, seine Gedanken auszudrücken, übereinstimmte. Im übrigen war auch ihr eigenes Denken so kompliziert und schnell, daß sie für etwas so Einfaches kein rechtes Verständnis hatte, wie andererseits gerade dieses Tasten seines Geistes einen Eindruck von Stärke auf sie machte. Er war ihr wie ein gefesselter Riese vorgekommen, der an seinen Banden riß und zerrte. Und als sie endlich sprach, drückte ihr Gesicht unendliches Mitgefühl aus.
»Sie wissen ja selbst sehr gut, was Sie brauchen: systematische Ausbildung. Sie sollten zuerst wieder in die Schule gehen und hinterher die Universität besuchen.«
»Aber das kostet Geld«, warf er ein.
»Oh!« rief sie. »Daran hatte ich nicht gedacht. Aber Sie müssen doch Verwandte haben – irgend jemand, der Ihnen helfen kann.«
Er schüttelte den Kopf.
»Mein Vater und meine Mutter sind tot. Ich habe zwei Schwestern, die eine ist verheiratet, und die andere wird wohl bald heiraten. Dann habe ich noch ein ganzes Schock Brüder – ich bin der Jüngste –, aber die haben noch nie jemand geholfen. Die sind durch die Welt geschweift und haben genug mit sich selbst zu tun gehabt. Der Älteste starb in Indien. Zwei sind in Südafrika, einer ist auf Walfang, und einer zieht mit einem Zirkus herum – er arbeitet am Trapez. Und mir geht es ganz wie ihnen. Seit meinem elften Jahre – als meine Mutter starb – habe ich selbst für mich gesorgt. Ich werde auch wohl auf eigene Faust studieren müssen, und was ich wissen möchte, ist eben, wo ich anfangen soll.«
»Zu allererst sollten Sie sich eine Grammatik anschaffen. Ihr Satzbau ist ...« Sie hatte »schrecklich« sagen wollen, änderte es aber in »nicht besonders gut«.
Er errötete und schwitzte.
»Ich weiß, daß ich eine Menge Slang und Wörter rede, die Sie nicht verstehen. Aber das sind eben die einzigen, von denen ich weiß, wie ich sie aussprechen soll. Ich habe andere Wörter im Kopf – Wörter, die ich in Büchern gefunden habe, aber ich kann sie nicht aussprechen, und deshalb gebrauche ich sie nicht.«
»Es ist weniger was, als wie Sie es sagen. Sie brauchen nur etwas mehr Grammatik. Jetzt werde ich Ihnen ein Buch holen und zeigen, wie Sie anfangen sollen.« Als sie aufstand, fiel ihm etwas ein, das er in den Büchern über den guten Ton gelesen hatte, und er erhob sich linkisch, in schrecklicher Angst, daß es doch nicht richtig war, und daß sie es als Zeichen seines Aufbruchs ansehen würde.
Als sie mit der Grammatik wiederkam, schob sie einen Stuhl neben den seinen – er dachte darüber nach, ob er ihr hätte helfen sollen – und setzte sich neben ihn. Sie blätterte in der Grammatik, und ihre Köpfe näherten sich einander. Er hatte Mühe, ihr, als sie ihm jetzt einen Arbeitsplan machte, zu folgen, so bestürzt und benommen war er darüber, daß sie ihm jetzt so nahe war. Als sie ihm aber die Bedeutung der Konjugation zu erklären begann, vergaß er sie über seiner Arbeit. Er hatte nie von diesen Dingen gehört und war vollkommen bezaubert