Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
Bei einer der vielen geselligen Zusammenkünfte, wo Adel der Geburt und Adel des Geistes sich ebenbürtig begrüßten, fand unsere erste Begegnung statt. Ich war einer Ohnmacht nahe, als er hereintrat und ich sogleich fühlte, dass seine Augen mich suchten, und ich fand kein Wort, seine Anrede zu erwidern. Ich mühte mich nicht, meine Bewegung zu verbergen, ich hätte es gar nicht gekonnt, sie sprach übermächtig aus der wechselnden Farbe meiner Wangen. An jenem Abend ging der Graf nicht von meiner Seite. Allen fiel es auf, wie er mich auszeichnete. Man nötigte mich zu singen, er selber war’s, der zuerst diesen Wunsch äußerte. Ich setzte bebend an, ich fürchtete, dass mir die Stimme versage. Aber der Genius der Liebe stand mir bei und ließ mich Töne finden, wie noch keine aus meiner Brust gekommen waren; das Klopfen meines Herzens machte sie nur ausdrucksvoller. Ach, der Todesschlaf konnte kein Vergessen zwischen mich und jene Stunde schieben! Ein jubelnder Beifall brach aus, als ich geendigt hatte; man steckte mir Lorbeerreiser in die Haare. Ich war berauscht von Wonne, denn mir schien, als müssten diese Huldigungen mich in seinen Augen schöner machen. Über allen Frauen der Erde Madonna Gaspara! sagte der Graf, und seine Augen sagten noch mehr. Sie sagten, dass er mich liebe. Mein guter fremder Mann, der mir diese Beichte abnimmt, vielleicht bist du von denen, die mich schelten, dass ich so schnell, so ganz bedingungslos die Seine ward. Aber sollte ich mich selbst bestehlen, indem ich seinem Werben Nein sagte? Und welche Bedingungen hatte ich zu stellen, ich Arme, ihm, dem Einzigen? – Die Liebe stellt keine, sie fordert nicht, sie sucht nicht das ihre. Ich hatte nur zu geben, mich selbst und mein Gedicht und alles was mein war. Und zu danken hatte ich, endlos zu danken, dass er das Geschenk annahm. Denn was wäre ich ohne ihn gewesen und ohne das Leid, das er mir brachte? Nur eine klingende Schelle ohne Herzenston, ohne Naturlaut wie die anderen Liebesdichter und Dichterinnen meiner Zeit.
Es war ja nicht sein weltlicher Rang, was mich mit einer Liebesdemut zu ihm aufschauen ließ, die euch Kindern einer anderen Welt als sklavisch erscheint, es war seine männliche Vollkommenheit. Denn das Seltenste, was der Natur gelingt, ist ein Mann nach dem Herzen Gottes. Hier war einer, in dem alle Vorzüge des Geistes und des Leibes beisammen lagen. Wie fühlte ich mich arm und leer und in meiner gepriesenen Schönheit klein und schwarz und hässlich mit ihm verglichen. Denn mein Liebster trat hoch einher, über seiner adligen Stirn krauste sich das blonde Haar, sein Auge war voll Kühnheit und zugleich milde. In ihm paarte sich die stolze Kraft des Nordens, aus dem sein Geschlecht stammte, mit der berückenden Anmut des Südens. Glaube nicht, du fremder Mann, dass ich noch wie ein verliebtes Mädchen schwärme. Alle, Männer und Frauen, sahen ihn so, wie ich ihn sah. Ihn feierten die Großen der Feder und die des Degens, alle suchten sie seine Nähe, denn um ihn war Leben und Bewegung. Mit seinen Gaben, seinen Mitteln schaffte er sich allenthalben Freunde, Verehrer, Ruhm. Und die Frauen! Davon lass mich schweigen, genug hab ich davon gelitten!
Warum den Hohen schelten, dass er mehr war als ich und mich zerbrechen durfte, als er meiner Ergebenheit müde war? Gott hatte es ihm gegeben, dass er oben stand und ich unten.
Du schüttelst den Kopf und sagst, das Rangverhältnis sei ein ganz anderes gewesen. Lassen wir das gut sein, ich empfand es so. Darf Liebe nicht ihren Gegenstand erheben bis über die Sterne hinauf? Ihr Gegenstand ist nicht der irdische Mensch, es ist sein ewiges Urbild, das sie in jenem erblickt. So liebte, so erhob ich den Collaltino.
Wenn es hinter mir flüsterte: Das ist die Geliebte des Collaltin, so sprang mein Herz hoch auf vor Stolz, denn welch höheren Ehrentitel konnte es für mich geben, mochten sie es auch anders meinen. Eine Gemahlin wird oft aus weltlichen Rücksichten gewählt, die Geliebte trägt die Krone, sie wird geliebt.
Lass mich noch in den besonnten Erinnerungen weiter suchen. Bald nach jener ersten Begegnung lud er mich samt dem näheren Freundeskreis, in dem er mich kennengelernt hatte, auf sein Schloss an der Piave. Ich wusste, die Einladung galt nur mir, die andern wussten es auch. Sie waren gefällig und zerstreuten sich oft in dem weiten Park, wir beide blieben allein unter den Bäumen auf der Wiese. Damals sprach er mir zum ersten Mal von Liebe. In ein Lorbeerstämmchen schnitt er meinen Namen Anassilla ein. Wurde die süße Zwiesprache von Mund zu Mund gestört, so setzte sie sich in Sonetten fort, sie strömten uns beiden, denn auch er war Dichter und war bestrebt, mich zu feiern und zu erheben. Für die ganze Dauer meiner Erdenfahrt stand das Schloss am rauschenden Bergstrom, das den geliebtesten aller Menschen beherbergte, als nie wieder erreichtes Wunschziel vor den Augen meines Geistes.
Und du hast nie gehofft, als Herrin dort zu wohnen?
Wenn mir in einer schwachen Stunde vielleicht einmal solche Lockungen vorschwebten, so war es kein Rechnen mit der Wirklichkeit, sondern ein liebes Spiel der Einbildungskraft. Mein höheres, mein unbewusstes Ich, das durch den Mund meiner Dichtung sprach, hat es ja immer anders gekannt und anders gewollt. Das weiß ich jetzt erst mit voller Klarheit. Es wollte den Collaltino nicht für die kurze Lebensspanne, es wollte ihn für alle Zeiten. Es wollte ihn hereinziehen, ihn einspinnen in das unzerreißliche Gespinst meiner Liebeslieder. Und wie sich auch mein Leibliches aufbäumte mit den glücksdurstigen Sinnen, jene unfassbare Macht, die doch ich selber war, wollte es anders. Sie ließ mich alle die Missgriffe begehen, die mit dem Übermaß des Gefühls – Angst, Argwohn, Eifersucht – das immerwährende Feuer meiner Dichtung nährten, aber seine Liebe vorzeitig abkühlten. Collaltino war ein Kind der Welt. Er lebte auf der Erde mit ihrem Gesetz der Anziehung und Abstoßung. Ich lebte im Himmel und in der Hölle der Poesie. Ich lernte nicht das berechnete Liebesspiel des abwechselnd gelockerten und angespannten Fadens. Ich wollte nur immer lieben, immer geliebt sein. Ich fühlte ja wohl den Fehler, den ich beging, und dass er mit diesem Sturmlauf der Leidenschaft nicht Schritt halten konnte. Ach, es waren die Fehler der echten Liebe, die sich nicht künstlich betragen kann. Ich musste sein, wie ich war, ich konnte nicht anders.
Ja, Gasparina, der Dichter – denn auch ich bin einer – versteht, dass sich das Dichterherz die Schmerzen der Liebe zuziehen muss, die noch schöner sind als ihre Freuden, mag auch der irdische Leib daran zugrunde gehen. Dein Genius, der auch dein Dämon war, hat es so gefügt. Er ließ dich die Fehler begehen, die deinem Glück verhängnisvoll waren, weil er dir ein höheres aufbewahrte. Hätte Collaltino dich zur Edeldame und zur Schlossherrin von Collalto gemacht, so wäre dein Ruhm verblasst und dein Lorbeer wäre verwelkt. Ein dauernderer Schmuck war dir zugedacht und er ist dir geworden.