Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
Du hast bei deiner Einfahrt über dem Römischen Tor die Ghibellinenzinnen gesehen, weißt also, dass Viterbo zeitweilig hohenstaufisch gesinnt war. Als Friedrich Barbarossa auf seiner schicksalsvollen vierten Romfahrt in Viterbo rastete, bereitete die Stadt ihm den feierlichsten Empfang. Triumphbögen, kostbare Teppiche an allen Fenstern, Glockengeläute und das Pflaster mit Blumen bestreut, worüber die Rosse des Weltbeherrschers und seiner Reisigen hingingen: es war ein schöner Tag und ganz Viterbo wollte ihn mitgenießen. Deshalb wurde der erhabene Gast mit seinem Gefolge nicht den kürzesten Weg zum Rathaus geführt, wo ein erlesenes Festmahl seiner harrte, sondern die Lenker der Stadt hatten es mit Bedacht so eingerichtet, dass der Zug auch die entlegenen Winkel berühren musste, damit alle das Angesicht des Kaisers sähen. Auch die enge Gasse, die noch heut nach der schönen Galiana heißt, war in die Strecke einbezogen, denn der reiche Galiani gehörte zu den feurigsten Ghibellinen und hätte es übel vermerkt, wenn sein Palast, der mit am glänzendsten geschmückt war, nicht von dem kaiserlichen Augenstrahl getroffen worden wäre. Ein Triumphbogen gerade unterhalb der Gasse, der sich durch Pracht vor der andern hervortat, wies die Einziehenden von selber auf diesen Weg.
Zu der Gefolgschaft des Kaisers gehörte der Graf von Vico, der bei dem Rotbart in hohen Ehren stand, denn er hatte sich überall in seinen Diensten mannhaft hervorgetan und ihm noch kürzlich Tortona und Mailand zerstören helfen. Er war einer der stolzesten und mächtigsten römischen Barone und sein Stammschloss stand an dem einst schönen See von Vico, von dem das Geschlecht den Namen führte. Dieser Herr von Vico ritt mit dem Kaiser durch besagte Triumphpforte und durch die schmale Gasse, wo die Galiana festlich geschmückt auf dem Söller stand. Ihre Schönheit heute strahlend vor aller Augen zu zeigen, das war ein hoher Stolz nicht nur für die Sippe, sondern für die ganze Stadt. Und so geschah es, dass der von Vico und die schöne Galiana sich aus nächster Nähe in die Augen blickten.
Der Graf von Vico war von kühnem Wuchs und stolzer Haltung, wie er so zu Pferde saß, aber er hatte ein ausnehmend hässliches, ja abstoßendes Gesicht mit finsteren, dunkelumbuschten Augen. Man sagte, dass sein Blick den Feind in der Schlacht verzaubere und wehrlos mache wie der Blick des Basilisken, doch vielleicht hat man ihm diese Eigenschaft nachträglich angehängt. Merkwürdig war, dass wenn er einmal lächelte, was nicht häufig geschah, dieses hässliche Gesicht sich in eigener Weise verschönte und geradezu etwas Anziehendes bekam. Deshalb gefiel er den Frauen trotz dem hässlichen Gesicht, ja sie fanden, wenn solch ein Lächeln wie ein plötzlicher Sonnendurchbruch es erhellte, dass seine Hässlichkeit ein Vorzug sei. Und er gefiel auch der Galiana, denn als er sie anschaute, brach der Sonnenblick auf seinen Zügen durch und machte, dass die Liebliche zurücklächelte. Da war es um den Grafen geschehen. Jäh und unwiderstehlich flammte in seinem Blute das Verlangen auf, diese einzige Gestalt zu umfassen und festzuhalten und sie mit sich in sein Haus zu führen, koste es was es wolle. Er enthüllte dem kaiserlichen Freunde die Gluten, die ihn verzehrten, und bat um seinen Beistand. Friedrich sagte ihm die Erfüllung seiner Wünsche zu und übernahm es selbst für ihn zu werben. Allein der Vater der Galiana besorgte von einer solchen Verwandtschaft Gefahren für den Frieden der Sippe und der ganzen Stadt, denn der Graf stand im Rufe, ein Händelsucher und Unterdrücker zu sein, der wo er einmal Fuß fasste, sich alsbald zum Oberherrn aufzuwerfen suchte. Deshalb berief er sich auf das frühere Verlöbnis, um dem kaiserlichen Antrag auszuweichen. Nun erbot sich der Herrscher, der seines Schützlings Sache mit Eifer führte, den ersten Verlobten durch ein Lehensgut zu entschädigen, wenn er seinem Anspruch an die Braut entsage. Die Frage wurde den Weisesten der Stadt zur Beratung vorgelegt, worauf alle einmütig antworteten:
Wir Männer von Viterbo stehen zu dem Kaiser mit Gut und Leben. Er hat uns in allem zu gebieten. Nur über unsre Töchter hat er keine Gewalt. Wenn Gott uns ein Schönheitswunder verliehen hat, dessengleichen keine andere Stadt besitzt, so wollen wir es in unsern Mauern behalten. Denn wie sollten wir vor Mit- und Nachwelt bestehen, wenn es heißen würde, dass kein Jüngling von Viterbo würdig befunden worden sei, die Galiana heimzuführen, und dass zu unserm Schimpf ein Auswärtiger sie weggeholt habe. Der großmächtigste Caesar möge begreifen, dass die Ehre von Viterbo geschmälert wäre, wenn wir auf solche Art eines von unseren fünf Kleinodien einbüßten.
In diesen Bescheid musste der große Friedrich sich fügen. Als er danach aufbrach, um dem vor Tusculum kämpfenden Ghibellinenheer Zuzug zu bringen und den Gegenpapst im Lateran einzusetzen, blieb dem Grafen von Vico nichts übrig, als seinem Lehnsherrn zu folgen. Aber am Stadttor wandte er sich noch einmal zurück und tat einen lauten Schwur, den alle vernehmen konnten, dass er wiederkommen und sich die Braut mit Gewalt holen wolle, sollte auch darüber die Stadt in Flammen aufgehen.
Der Galiani erschrak, und um der wilden Drohung einen Riegel vorzuschieben, den auch der Kaiser nicht mehr öffnen konnte, stellte er gleich nach dem Auszug des Barbarossa die Vermählung seiner Tochter an. Es war noch einmal ein Freuden- und Ehrentag für Viterbo, als die Galiana im Brautschmuck zur Kirche schritt und alle sich am Anblick des Kleinods weiden konnten, dessen Besitz nunmehr der Stadt gesichert schien. Denn niemals hätte der Kaiser, der ein so strenger Hüter der Sitte war, einem Vasallen gestattet, die eheliche Gattin eines anderen in seine Arme zu reißen.
Nun wirst du als Kind einer neuen Zeit fragen, was denn die Galiana selber bei diesen Vorgängen empfand? Du darfst nicht vergessen, dass zu jener Zeit eine solche Frage von niemand gestellt wurde, und dass die Galiana gar nicht erwarten konnte, man werde sich nach ihrem Seelenzustand erkundigen. Indes konnte man aus ihrem gehaltenen Wesen schließen, dass sie ohne Verlangen noch Widerstreben, ganz wie es der Brauch erforderte, mit ihrem Bräutigam vor den Altar trete.
Aber im Schicksalsbuch von Viterbo stand es geschrieben, dass die Galiana den von Vico dreimal von Angesicht schauen und dass jede der drei Begegnungen ihnen selbst und der Stadt zum Verhängnis werden sollte.
In Rom hatte unterdessen die unheilvolle zweite Krönung des Barbarossa stattgefunden, wobei der Gekrönte an einem Tag durch die Macht des Unbegreiflichen auf die höchste Höhe des Siegs erhoben und in den tiefsten Abgrund des Unglücks hinabgeschmettert wurde. Der von Vico hatte sich, wie zu erwarten, tapfer mit den aufständischen Römern herumgeschlagen, und als die Mächte der Natur sich zugleich mit den Menschen gegen seinen Herrn verschworen, und der Himmel selbst ihrem Bunde beizutreten