Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207350



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Lubina Mentschikoff war, aber die lebendige Erscheinung wirkte ganz anders, als das tote Wort.

      Koltoff war in der ersten Sekunde von der jugendlich majestätischen Gestalt, dem feinen, geistvollen Gesichte, den großen, blitzenden schwarzen Augen der schönen Amazone überrascht, in der zweiten geblendet, in der dritten bis zum Wahnsinn verliebt. Die Fürstin trug ihr dunkles, nur ganz leicht gepudertes üppiges Haar in einem großen, von einem hellroten Bande zusammengehaltenen Knoten, über dem duftigen weißen Spitzennegligee einen Schlafpelz von rotem Atlas mit reichem Hermelinbesatz, nach damaliger Mode in der Taille knapp anschließend und dann in reichen Falten sich einbauschend bis zu der Schleppe, welche weit zurückfloß. Ohne daß sie nur im geringsten ahnte, man beobachte sie, benahm sie sich doch bei ihrem Frühstück mit der ganzen koketten Anmut einer Rokokodame, so daß der junge Lieutenant von der Preobraschenskischen Garde nahe daran war, alle Subordination bei Seite zu setzen und den verführerischen Major vom Regimente Simbirsk glattweg zu Füßen zu stürzen.

      »Nun, wie gefällt Dir Deine Braut?« fragte Lapinski im Flüstertone.

      »Du hast mich hierher geführt,« erwiderte Koltoff, »nur um mich noch unglücklicher zu machen; wie soll ich nur eine Sekunde hoffen, dieses herrliche Weib, diese Gottheit mein zu nennen, wo soll ich den Mut hernehmen, mich ihr zu nähern oder gar um ihre Hand zu werben?«

      »Sehr gut; ausgezeichnet,« sprach leise sein Freund, »Du bist verliebt, ja, Du brennst lichterloh, wie ich sehe. Alles nach Wunsch –«

      »Wie?«

      »Laß mich nur manövrieren.«

      »Was hast Du vor?«

      »Du mußt ihr eine Liebeserklärung machen,« fuhr Lapinski fort.

      »Ja, aber wie soll ich das anfangen?« fragte Koltoff ziemlich ratlos. »Ich kann doch nicht hier –«

      »Ich denke nicht im entferntesten daran,« entgegnete Lapinski.

      Indes hatte sich, von dem Geräusche auf der Terrasse und dem Anblick der Fürstin angelockt, von dem Dache des Palastes herab, sowie aus allen Büschen und Ästen eine zahlreiche Gesellschaft von Sperlingen, Finken, Zeisigen, Stieglitzen um die schöne Frau versammelt, welche ihr Brot zerpflückte und den schreienden und durcheinander flatternden kleinen Bettlern die Krumen desselben zuwarf.

      »Genug, Du wirst Dich doch nie sattsehen,« fuhr Lapinski fort, »so reizend auch die Idylle gerade jetzt ist. Komm also, ich habe einen Plan, Du wirst heute noch die Bekanntschaft der stolzen Schönen machen. Was sage ich, heute! Auf der Stelle!«

      Die beiden Offiziere verließen hierauf ihr Versteck und den Park auf demselben Wege, auf welchem sie denselben betreten hatten.

      Eine Stunde nach dem Frühstück pflegte die Fürstin Lubina Mentschikoff eine Spazierfahrt durch die Stadt zu machen und dann in der Kaserne ihres Regimentes den Bataillonsrapport entgegen zu nehmen und die dringendsten dienstlichen Angelegenheiten zu erledigen.

      Zugleich mit ihrer Equipage waren diesmal die beiden Lieutenants zur Stelle, welche sich indes darauf beschränkten, den Palast und das Fuhrwerk aus weiter Entfernung zu beobachten. Der Wagen der Fürstin im Rokokostile war einer jener schwerfälligen Kriegsmaschinen, mit denen die eroberungslustigen Damen jener Tage zum Siege zogen; auf vier hohen Rädern ruhte ein viereckiger vergoldeter Kasten mit Glaswänden, welche die in demselben sitzende Dame von allen Seiten deutlich zu sehen gestatteten. Ein großer dicker Kutscher in roter Livree mit großem dickem Zopf und einer weißen Halsbinde, welche gleich einem Riesenschmetterling unter seinem Kinn saß, leitete die schönen Holsteiner Pferde mit großer Würde.

      Zwei Lakaien sprangen aus dem Palaste hervor, der eine riß den Schlag auf. Die Fürstin folgte raschen Schrittes in einer Uniform, welche weibliche und männliche Toilette geschmackvoll verband; über die hohen schwarzen Reitstiefeln, an denen gewaltige Sporen saßen, fiel eine reichfaltige samtne Robe von dem Grün des russischen Soldatenkleides, welche, da sie von keinem Reifrock auseinander gespannt wurde, in natürlichen malerischen Falten fiel. Ein Überrock von gleichem Stoff und gleicher Farbe mit rotem Aufschlag und goldenen Litzen umschloß die Taille, an dem schwarzen Lackgürtel hing der Stoßdegen, auf dem weißen Toupet ruhte der dreieckige Hut mit weißem Federbesatz.

      »Nun kaltes Blut und Geistesgegenwart!« sprach Lapinski.

      Die schöne Amazone war eben im Begriff, ihre Handschuhe zuzuknöpfen, als ein Bettler, welcher bisher mit den Pferden schön gethan hatte, sie um eine Gabe ansprach. Sie warf ihm eine Münze zu, stieg elastisch in den Wagen, der Lakai schloß den Schlag, und der Wagen rollte davon. Die Pferde gingen im ruhigen, stolzen Trabe, aber nicht lange. Nach wenigen Schritten schon wurden sie unruhig, fielen in ein rascheres Tempo, begannen sich zu bäumen, zu wiehern und zeigten Lust durchzugehen. Der Kutscher riß sie mit aller Kraft zurück, aber ein neuer Anlauf, den die Pferde nahmen, warf ihn vom Kutschbock herab und in den Straßenkot. Die Pferde rasten mit dem schwerfälligen Wagen, welcher jeden Augenblick umzuwerfen drohte, davon, die Fürstin war in Gefahr – sie richtete sich vom Sitze auf und suchte das Fenster zu öffnen, vergebens. Der Pöbel schrie und lief dem Wagen nach, wodurch die Pferde nur noch scheuer wurden. Da, im entscheidenden Augenblick stürzte sich Lieutenant Koltoff dem Gespann entgegen, warf sich den Pferden in die Zügel und brachte sie zum Stehen. Lapinski war in der nächsten Sekunde gleichfalls zur Stelle und faßte die Pferde, während Koltoff den zertrümmerten Wagenschlag öffnete und die Fürstin, welche, von Glassplittern verwundet, am Kopfe und an den Händen blutend, ohnmächtig geworden war, heraushob. Er trug sie auf seinen Armen in ihr Palais zurück und ließ sie auf einem Lehnstuhl, den die herbeigeeilte Dienerschaft im Thorwege aufstellte, nieder. Während ihre Kammermädchen ihr mit Wasser und Essenzen Hülfe leisteten, lag der junge Offizier, unbekümmert um die gaffende Umgebung, vor ihr auf den Knieen und bedeckte ihre Hände mit Küssen. Endlich schlug die Fürstin die Augen auf, sah Koltoff lange und erstaunt an und fragte:

      »Was ist geschehen? Wo bin ich?«

      Der junge Offizier erklärte ihr die Lage, in welcher sie sich befand, indes kam sie selbst vollkommen zur Besinnung und dankte ihrem Retter mit einigen abgebrochenen Worten, dann erhob sie sich und zog sich, auf den Arm einer alte Amme gestützt, in ihre Gemächer zurück.

      Koltoff suchte seinen Freund auf, welcher ihn mit einem selbstgefälligen Lächeln erwartete.

      »Nun, Du dankst mir nicht einmal,« begann er, »habe ich meine Sache nicht gut gemacht?«

      Koltoff verstand seinen Kameraden nicht und sah ihn mit unzweideutigem Erstaunen an. »Du – wie soll ich das verstehen?« stammelte er endlich.

      »Hältst Du Dich für so einen Glückspilz,« erwiderte Lapinski, daß die fürstlich Mentschikoff’schen Pferde Dir zu lieb aus eigenem Antriebe durchgehen, damit Du die Ehre und das Vergnügen hast, ihre Gebieterin zu retten?«

      Koltoff war vollständig verblüfft. »Also Du hast – aber wie?« stotterte er.

      »Hast Du den alten Bettler bemerkt, welcher sich an den Pferden zu schaffen machte, während Deine Göttin einstieg?« fragte Lapinski.

      »Ja, nun?«

      »Der geriebene Bursche hat dem einen Gaul, mit dem ich übrigens das lebhafteste Bedauern fühle, einen brennenden Feuerschwamm in die Nüster gesteckt.«

      »In Deinem Auftrag?« schrie Koltoff auf.

      »Allerdings, damit Du Gelegenheit habest, der Fürstin das Leben zu retten,« entgegnete sein Kamerad mit vollkommener Seelenruhe.

      »Du bist ja ein furchtbarer Mensch!« rief Koltoff. »Bedenke, welches Unglück geschehen konnte!«

      »Ich habe keinerlei Bedenklichkeit, wo es das Glück, das Leben eines Freundes gilt,« erwiderte Lapinski. »Übrigens ist alles gut abgelaufen, wozu sich also jetzt über alle möglichen und unmöglichen Möglichkeiten den Kopf zerbrechen!«

      »Aber wenn die Fürstin tot geblieben wäre?«

      »Nun, so hätten wir sie beweint,« entgegnete der leichtfertige Gardelieutenant, »und das Heiratslexikon von neuem zu Rate gezogen. Aber sie ist vor der Hand nicht