Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207350



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Alle herzlich. Mein Jude sah mich ganz besonders gekränkt an, zog seine Rockärmel herab, putzte seine Knie mit der flachen Hand, ging gegen seine Gewohnheit stürmisch zu seinen Pferden und riß diese hin und her, so daß sie ihn mitleidig ansahen.

      »Ist das so?« fragte Kolanko ernst den Capitulanten, indem er ihn mit dem Ellenbogen berührte.

      »Ist es wahr, daß du sie nicht vergessen kannst?« bemerkte zögernd der Pappendeckelmann.

      Der Capitulant schwieg.

      Er zeigte uns ruhig sein sanftes ehrliches trauriges Antlitz. Seine Augen hatten wieder jenen feuchten erkenntnißvollen Blick, der Einem so wehe that. Mir wurde so seltsam dabei, das tiefe Schweigen der Natur pflanzte sich in meine Seele fort und wie das einsame Feuer seinen Rauch ruhig aufwärts trieb, so zog langsam eine wehmüthige Erinnerung vor mir herauf. Ein wunderbar schönes bleiches Haupt von dunklen Locken bacchantisch umwallt, mit halb geschlossenen, zärtlich scheuen Augen stieg aus der Asche.

      »Eine Dummheit! Eine solche Dummheit!« schrie Mongol und Alles versank und den Schatten, der übrig blieb, verschlang die gierig leckende Flamme.

      »Ausspeien sollst du vor der sauberen gnädigen Frau von Zawale,« schrie der Pappendeckelmann.

      »So ein Mann, und so eine Bestie zu lieben,« fiel wieder Kolanko ein.

      »Nun, ereifert Euch nur nicht so,« sagte der Capitulant kalt, er war sichtlich bleich geworden und seine Brauen hatten sich finster zusammengezogen. »Seht, es war natürlich. Das arme Mädchen mußte sich plagen und dann konnte es eine gnädige Frau sein. Es war ein schöner stattlicher Mann, unser Grundherr, etwa nicht? Ich war gut genug, so lange kein Besserer da war. Es ist gerade so, würde ich einem kleinen Fürsten dienen, wenn ich dem Kaiser dienen kann? Man muß das nicht mit dem Herzen nehmen. Das Herz hat zwischen Mann und Weib das Wenigste zu sagen. Denken wir so verständig darüber nach.

      Liebst du mit dem Herzen Kamerad, wenn du ein Weib im Bette haben willst? Willst du nur, daß sie dich liebe, oder willst du, daß sie die Deine sei? Was ist dir lieber, wenn sie mit Sträuben deine Frau ist, oder wenn ihr Herz dir gehört, sie selbst aber einem Andern? – Ich habe auf das Alles gedacht, ich habe Zeit genug dazu gehabt. Da ist immer nur von dem die Rede, was der Mensch mit dem Thier gemein hat. Oder nicht? Geht mir!

      Und dann sage ich euch, es handelt sich zwischen Mann und Weib wie überall nur um das nackte Leben. Begreift ihr?«

      »Nein.«

      Ich fing an zu begreifen, wo er hinaus wollte und staunte den Mann an. Er war im Flusse, seine Augen brannten und jetzt sprach er wirklich gut, mit jener natürlichen Beredsamkeit unseres Volkes.

      »Seht Ihr, das Einzige, was ich als Soldat gelernt habe, ist den Tod zu verachten. Besser wäre es noch ihn wünschen, ihn lieben zu lernen. Aus der Liebe zum Leben kommt alles Unglück und auch unser Unglück mit dem Weibe. So elend dieses Leben ist, nun, so thut doch jeder Alles, nur um zu leben. Wenn ich ein falsches Wort spreche, erschießt mich. Gut. Und das Weib lebt von der Liebe, ich will sagen von der Liebe des Mannes. Begreift Ihr?«

      Kolanko nickte eifrig. Alle horchten auf das Aeußerste gespannt zu, der Hund sogar hob seinen feinen Fuchskopf zu dem Capitulanten.

      »Ich glaube, er spricht die Wahrheit,« sagte ich. »Alles beugt sich der Nothwendigkeit, jedes Lebendige fühlt wie traurig das Dasein und doch kämpft Jedes verzweiflungsvoll darum und der Mensch kämpft mit der Natur, mit dem Menschen und der Mann mit dem Weibe und ihre Liebe ist auch nur ein Kampf um das Dasein. Beide wollen fortleben in ihrem Kinde, Jedes will seine Züge, sein Auge, im Auge seine Seele wieder finden, und Jedes will ein besseres, vollkommneres Wesen werden durch das Andere, dessen Vorzüge es an sich zu reißen sucht.

      Das Weib will noch außerdem um ihretwillen und ihres Kindes willen leben durch den Mann. – Ich weiß nicht, ob ich mich gut ausgedrückt habe.«

      »Vollkommen,« rief der ganze Kreis zuvorkommend.

      »Wenn der Herr erlaubt,« nahm der Capitulant das Wort, »will ich sagen, was ich davon denke, so nach meiner Art, wie ich es verstehe.«

      »Mich laßt reden,« schrie der Alte und hob drohend seinen Polster. »Ihr sprecht immer fort. Laßt mich zuerst reden.«

      »Sprich also.«

      »Ja, was wollte ich sagen?«

      »Jetzt weiß er nicht, was er sagen will!«

      »Also –« der Alte stak wieder.

      Wir lachten.

      »Lacht nur. Jetzt hab’ ich es,« sprach er ganz aufgeräumt. »So ist es. Ein Weib muß doch auch sein Leben fristen wie ein Mann. Wie aber? – Sie leidet Manches, was der Mann nicht leidet. Wie soll sie allenfalls arbeiten, wenn sie ein Kind hat? und dann, wenn sie es aufziehen muß? Und das wiederholt sich vielleicht jedes Jahr. Sie kann nicht arbeiten wie der Mann. Auch so nicht. Sie hat von Natur keine Ausdauer, gewiß, und lernt dazu nichts Rechtes, kein Handwerk, so natürlich sucht sie zu leben vom Manne, oder gar ihr Glück zu machen. Was muß ein Mann thun, um emporzusteigen – und so ein hübsches Ding zeigt sein Gesichtchen her und allenfalls noch was dazu und wird aus der Kuhmagd eine Dame. Hab’ ich Recht oder nicht?«

      »Recht hast du, Alter!«

      »Erlaubt also,« redete wieder der Capitulant. »Ich habe es aufgegeben, so um das nackte Leben zu kämpfen und zu sündigen wie die Andern, ich bin einmal unterlegen, genug damit.

      Es ist besser, wenn ich mir sagen kann, mein Auge verlöscht für immer und eine arme Seele kommt zur Ruhe. Ich denke, es ist für den Mann besser ohne Weib. Nicht das Weib sucht den Mann, sondern der Mann das Weib. Darin liegt der ganze Vortheil und so kann ein Weib ruhig seine Rechnung machen mit dem Manne. Was sollte auch ein Weib Anderes denken, als Vortheil zu ziehen aus dieser jammervoll lächerlichen Lage des Mannes?

      Wenn Einer bis an den Hals im Wasser steht, mit den Füßen im Schlamme steckt und ertrinken muß, ihr aber könnt ihn retten und er hat einen Beutel mit Gold bei sich, er wird ihn euch gern an das Ufer werfen.

      Ein kluges Weib ist aber mit einem Beutel Goldes nicht zufrieden, sie schleppt den Mann vor den Geistlichen.

      Versteht ihr mich nun? Darum ist auch so große Feindschaft zwischen den Weibern, wie zwischen Schneidern oder Korbflechtern. Jede sucht ihr Körbchen so gut als möglich an den Mann zu bringen. Und hat sie Unrecht?

      Wird nicht die Frau nach dem Manne geschätzt? Ist eine Dirne vom Dorfe, wenn sie einen Grafen zum Manne hat, nicht eine Gräfin? Und umgekehrt? Des Mannes Ehre ist ihre Ehre und deßhalb ist ein Weib immer stolzer auf seine Titulaturen, sein Vermögen als der Mann selbst. Begreift ihr?«

      »Da begreife ich noch immer nicht,« erwiederte Mrak ärgerlich, »wie du die gnädige Frau von Zawale, deine saubere Katharina, lieben kannst, die dich so elendlich verrathen hat.«

      »Das wirst du nie begreifen,« sagte der Capitulant trocken.

      »Und doch ist kein Weib werth, was ein Mann um sie leidet,« sagte ich leise.

      »Gewiß, Herr,« antwortete der Capitulant, »kein Weib ist das werth, was ein Mann für sie fühlt, außer einer Mutter. Um aber von meiner gnädigen Herrin zu reden. Was hat sie mir eigentlich gethan? Ich bin in keiner glücklichen Stunde geboren. Und dann – ich habe dem Leben lange genug zugesehen – Der und Jener hat ja auch geliebt und auch geküßt und glücklich geheirathet und jetzt hebt sein Weib die Röcke gegen ihn auf. »Da – küsse mich.« Seht Ihr. Wenn sie mein Weib geworden wäre, hätte ich sie vielleicht in kurzer Zeit geprügelt. Es ist ganz Alles eins, so oder so, ganz Alles eins.

      Die Liebe hört dann beim Manne bald auf und ich sage, das Weib hat Recht sich bei Zeiten vorzusehen, so lange es jung und hübsch ist und so lange dem Manne der Kopf brennt; wie bald ist so ein Feuerchen gelöscht und wie rasch wird so ein Weibchen alt.«

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Was befremdet Sie, Herr!«

      »Daß Ihr nur von dieser natürlichen Liebe sprecht