Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207350



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zu werden, Gott verzeih’ mir die Sünde, ein Hajdamak, der die Edelhöfe anzündet und die Edelleute wie Raubvögel mit Händen und Füßen an die Scheunen nagelt. Mein Gewissen wollte aber nicht stille werden und eine Stimme sprach zu mir wo ich ging und stand: »Was willst du, Bauer, eines Bauern Sohn? Was hast du mit der Flinte zu schaffen? Willst du allein Krieg führen mit den Menschen? – Ich wurde dann still und blieb endlich im Dorfe, aber das beschloß ich: Nur meine Schuldigkeit zu thun und nichts zu dulden gegen mein Recht

      So. Nun gut. Da traf ich den Kolanko, der rutschte euch im Schnee, wie ein angeschossener Hund. Meine Katharina hatte ihn prügeln lassen, weil er sie nicht gegrüßt hatte, ehrerbietig, wie sie’s verlangte und da redete er zu mir und erzählte –«

      »Denkt euch,« fiel der Greis eifrig ein, »die regierte da wie eine gnädige Frau und noch mehr. Wir wissen, wie so ein Herr damals seine Frau hielt. Zwei Lehrer ließ der Gutsherr für sie aus der Stadt kommen, einer von ihnen war ein Franzose. Die lernte euch Alles, was nur ein Schreiber lernt, oder gar ein Geistlicher; jede Woche kam ein Pack Bücher für sie mit der Post, Alles las sie, auch Zeitungen, die schwere Menge; so ein ganzer Kasten von feinem Holze stand in ihrem Zimmer; da lernte sie euch eine ganze Musik spielen; die Leute standen unter den Fenstern Abends und hörten zu.«

      Mongol lachte spitzbübisch und stierte mit einem Scheite im Feuer herum.

      »Daß solche Leute nicht an Gottes Gerechtigkeit denken,« murmelte er.

      Der Alte hustete heftig und knurrte tief aus der Brust wie ein zorniger Kater.

      Der Capitulant blickte mit düsteren Augen vor sich hin; sein Gesicht blieb bei Allem theilnahmlos starr, öde, trostlos.

      Der Bube sah den Vetter Mongol an, so unverschämt erstaunt.

      »Nun, was siehst du mich so an?« fragte dieser mißtrauisch und zog sein gelbes Gesicht mit der gelben geschlitzten Nase in tiefe Falten.

      »Wie fängst du das an, Vetter Mongol,« sagte der Junge, »daß es dir nicht in deine Nase hineinregnet?«

      Der ganze Kreis lachte. Mongol aber erwischte den Buben beim Ohr, zog ihn langsam an sich und ließ ihn dann ebenso sachte los.

      »War es Euch leid um Eure Geliebte?« fragte ich den verabschiedeten Soldaten. »Hat es Euch damals viel Schmerz bereitet?«

      »Nicht daß ich sagen könnte,« antwortete er, an seiner Pfeife schmauchend. »Ich dachte auch nicht an Rache gegen sie, aber wenn ich mit den Herrenleuten zu thun hatte, kam mir jedesmal der Zorn. Ich wollte etwas Besseres vorstellen, lernte euch lesen und schreiben und auch rechnen. Ich war doch zu groß, um in die Schule zu gehen, so lernte ich vom Diak, dem ich dafür ein Hühnchen brachte, oder ein fettes Gänschen, oder Tabak, geschwärzten von Szigeth. Steckte dann meine Nase überall hinein, las die heilige Schrift, die Legende der Heiligen, die Geschichte vom Czaren Iwan dem Schrecklichen, die Patente von der Kaiserin Maria Theresia, von Kaiser Joseph und von Kaiser Frantischek, las auch manche Gesetze und machte dann den Bauern die Klagen, mit denen sie zum Kreisamte gingen. Da war euch Keiner in der ganzen Gegend weit und breit, der euch das Volk so zu hetzen verstand gegen den Adel, diese Herren, diese Polen, als ich. Im ganzen Galizien gab es nicht so viel Processe, als allenfalls in unserem Dorf, und das Alles schrieb ich.

      Wenn der Herr Starosta eine Bereisung machte, da standen schon die Leute am Wege mit Beschwerden, ich hatte überall meine Hand. Wo ich dem Dominium, dem Grundherrn etwas anthun konnte, that ich es. Mein Herz lachte euch dabei fröhlich wie eine Taube. Sie nannten mich freilich einen Winkelschreiber und drohten mir, aber die Furcht war allgemein und Keiner wagte was gegen mich.«

      »Er prügelte die herrlichen Kosaken,« schrie Mongol lachend heraus. »Ohne jeden Grund prügelte er sie, in der Schenke oder unterwegs, wo er sie gerade fand. »Weil ihr solch elende Herrenseelen seid,« rief er dabei.

      »Aber bedenk’ doch –«

      »Bedenkt ihr denn die Sache? Seid ihr vom Hofe oder nicht?«

      »Aber –«

      »Wollt ihr’s läugnen?«

      »Nein.«

      »Also verdient Ihr –«

      »Ja, aber wenn Jeder, der Schläge verdient, sie bekäme, Lieber,« riefen die Kosaken, »da gäbe es über’s Jahr keinen Haselstrauch im Reiche, so viel Stöcke möchtest du brauchen, und woher so viel Bänke?«

      Der Capitulant lächelte.

      »Endlich ließ mich der Mandatar doch zu sich einladen,« fuhr er fort, »schimpfte mich einen Bauernhetzer, Winkelschreiber, Rebellen, Hajdamaken.«

      »Auf die Bank mit ihm,« schrie er, daß ihm das Gesicht von Blut schwoll, und zog sich hinter die Leute.

      »Was haben wir davon,« sprachen die Kosaken, »er schlägt Einen von uns allenfalls dafür todt. Und Keiner wagte es, Hand an mich zu legen.

      Da fährt der Mandatar auf mich los, schnaubend, mit fliegenden Haaren, seine Augen ganz weiß und hebt selbst den Stock. Ich erwische ihn noch gut und drehe ihm die Hand sachte um, das knirscht wie ein Pfeifenkopf, wenn man ihn herumdreht und den Tabaksaft herauslassen will.

      Nehme ihm stille den Stock, stelle ihn in die Ecke, Alles artig, das versteht sich, er war ja doch eine Obrigkeit.

      Da hatte ich nun vollkommen Ruhe bis ich weiß der Teufel, meiner gnädigen Frau Mentressa auf der Straße begegnen mußte. Ihr Wagen stak im Kothe, der Kutscher saß am Bocke und hieb die Pferde zusammen ohne Nutzen. Als sie mich sah, zog sie sich wie eine Katze in der Ecke zusammen, zitterte euch. Ich sah zu.

      »Komm Bursche, hilf,« rief der Kutscher.

      Ich half also, hob den kleinen Wagen aus dem Dreck und stieß ihn vorwärts, nahm dann dem Burschen die Peitsche und zog ihm einige hinüber dafür, daß er die »gnädige Frau« so schlecht gefahren.

      Von diesem Tage an hatte sie keine Ruhe, ich weiß es, und so ließ sie mich assentiren.«

      »Sie hat sich geschämt, ihn so vor Augen zu haben,« bekräftigte Kolanko, »so gab sie ihn zum Soldaten.«

      »Zu jener Zeit stellte das Dominium die Recruten, »berichtete der Capitulant. Die Kosaken schleppten mich in den Hof, da stand ein hölzerner Pflock, man zog mich nackt aus, maß mich ab, der Arzt klopfte mir auf die Brust, sah mir mit halben Augen in den Mund, dann schrieben sie mich ein, es war um mich geschehen; meine Mutter lag vor dem Mandatar auf den Knieen, meinem Vater rannen leise die Thränen herab und sie stand oben am Fenster und sah mich da stehen, elend, wie mich Gott erschaffen hat, ohne Erbarmen. Ich weinte vor Wuth. Was half das? Groschen waren keine da. Man ließ mich auf der Stelle schwören und setzte mir eine kaiserliche Mütze auf. Ich war Soldat. Wie wir fortzogen, da weinten uns Alle nach und die Recruten weinten auch; jeder trug ein Kreuz auf der Brust und ein kleines Säckchen, gefüllt mit Erde, die er unter der Schwelle seines Hauses ausgegraben hatte. Die Trommel wirbelte, der Herr Corporal commandirte Marsch, wir gingen wie die Hunde an der Koppel; sie sangen ein Lied alle zusammen, ach! so ein trauriges Lied. Ich ging still und als wir immer weiter kamen und das Dorf versank, und der Wald, die Kirche, ich nichts mehr sah von den Meinen, da hatte ich mir es überlegt und dachte: Gut, du dienst dem Kaiser; du weißt doch, zu wem du gehörst.«

      »Und wie ging es Euch als Soldat?« fragte ich gespannt.

      »Gut, Herr,« entgegnete der Capitulant und seine Augen blickten mich wunderbar gutmüthig an. »Gut. Man verlangte ja nichts von mir, als was meine Schuldigkeit war, nichts mehr, nichts weniger, und das that ich gerne. Ich wußte doch jetzt, daß ich ein Mensch bin. Zuerst kam ich nach Kolomea, lernte exerciren, zuerst allein, dann mit den Anderen. Wie ich erst mit dem Gewehr umgehen konnte, da war ich euch stolz und dachte, wenn es nur einen Krieg gäbe.

      Und da sah ich auch in der Kreisstadt, daß es eine Ordnung in der Welt gibt; man hielt uns streng, aber gerecht. Da gab es keine unverdiente Strafe und keinen unverdienten Lohn und die Leute in der Stadt sahen den Soldaten gleichsam mit Respekt an. Und wenn ich Wache stand vor dem Kreisamte und hörte die Bauern, wie sie zusammen redeten und wie sie da Recht