Название | Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park |
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Автор произведения | Georg Liebusch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066112677 |
Der Baum der Bäume ist der heilige Eichbaum. In stiller Majestät überragt er den Wald. Unversiegbar ist des Riesen Mark. Er trotzet den Stürmen und Wettern in seiner Kraft, und nur des Himmels Blitz vermag ihn zu stürzen. Zu dem reinen, freien Aether hebt er sein Haupt empor, und geheimnißvoll rauscht und flüstert es in seinen Zweigen. In heiligen Eichenhainen verehrten die Germanen ihre Gottheiten. Dort weissagten ihre Priester; dort war es prophetischen Seelen vergönnt, der Zukunft Nahen zu vernehmen. Bekannt sind die Weissagungen der Velleda, die sie, eine Jungfrau, in den brukterischen Eichenwäldern empfangen, als sie die Seele des batavischen Freiheitskrieges wurde wie Civilis der Arm desselben; bekannt sind die Worte, welche der Dichter der Johanna d’Arc in den Mund legt: „Hätt’ es nie in deinen Zweigen, heil’ge Eiche! mir gerauscht!“, und Vieles, was die Zukunft barg, trat Seelen näher in dem mystischen Dunkel der heiligen Eichen Deutschlands. Auch auf hiesiger Flur giebt es viele, alte Eichen. Der Fürst hat diese Fürsten unter den Bäumen in Ehrfurcht geschützet. Sie stehen wie uralte, grüne Monumente einer fernen Vergangenheit, in welcher die Töne der deutschen Sprache hier noch selten gehört wurden. Den Sorbenwenden hatten die Eichen besonders für das Familienleben eine weissagungsvolle Bedeutung. —
Dort stehen zwei mächtige Eichen an des Hügels Rande. Freundlich grüßen sie zwei andere, und also grüßet sich Paar um Paar auf der Flur. Aber wer hat euch gepflanzt, Gefährten eines tausendjährigen Alters? — „Die Liebe hat uns gepflanzet, die einst wie jetzt Menschenherzen mächtig vereinte und von der Zukunft ersehntes Glück hoffte!“ Dämmerte der Morgen des Hochzeittages, dann in der heiligen, festlichen Frühe gingen die Braut und der Bräutigam hinaus auf die Flur. Niemand begleitete sie als der Genuß einer heiligen, wonnereichen Stunde. Und voll süßen Grauens und freudiger Hoffnung pflanzten sie zwei junge Eichbäume neben einander, ein Bild, eine Weissagung ihres eigenen, eng verketteten Daseins zu sein. Sie übergaben sie den schützenden Mächten des Himmels. — Wuchsen sie fröhlich empor, so sollte des Bundes Glück gedeihen; breiteten sich ihre Aeste und Zweige aus, so sollte des Hauses Segen sich mehren; standen sie fest in Stürmen und Wettern, so sollte die Treue und Liebe nicht wanken. Doch welkte die eine dahin, so war der trennende Tod nicht fern. An der verwaist und einsam grünenden trauerte dann oft der Zurückgebliebene, gedachte er des entschwundenen Glückes, und der Erinnerung war das Genommene nicht fern. Wuchsen aber jene bedeutungsvollen Eichen kräftig empor, dann in dem Sinken der Sonne, wenn das Tagewerk auf der Flur vollbracht war, schlugen dort wie unter dem Bogen eines Tempels Herzen im Danke gegen die Gottheit für das Glück, das sie so reich gespendet, blühten dort gleich Frühlingsblumen die seligen Gefühle auf, welche einst die Seele erfüllten, als die Bäume gepflanzt wurden, und wie einst in der Hoffnung, war man glücklich in der Erfüllung derselben an den weissagenden Eichen.
Längst sind diejenigen, welche jene Eichbäume hie und da paarweise gepflanzet und sich ihrer gefreut haben, Staub und Asche geworden. Geschlechter sind gekommen und gegangen; noch immer grünen in frischer Pracht die uralten Doppeleichen der Gegend. Ihre Wurzeln sind in dem Boden in einander verschlungen, ihre Aeste in einander gewachsen; ihr Rauschen tönt zusammen wie Akkorde gleichgestimmter Seelen. Sie sind, wie einst Weissagungen, so jetzt mächtige, erhabene Zeugen, daß was einst in Liebe und Hoffnung begonnen ward, gekommen ist — das Glück derer, die sie pflanzten, und mit demselben ihr uraltes, Alles überdauerndes, eigenes Daseinsglück. —
Und wiederum stehen dort im Park und auf der Flur mächtige Eichen nebeneinander wie Brüder und Schwestern, nicht merklich verschieden in ihrem Alter. Auch diese pflanzte die Sitte, der Glaube, in welchem man von ihnen auf des Lebens Freuden und Leiden schloß. Begrüßte die Mutter zum ersten Male das Neugeborene, war die Stunde gekommen, wo sich sein Leben vor der Eltern Blicken zu entwickeln begann; dann ging der Vater auf seine Flur, die bedeutungsvolle, weissagende Eiche zu pflanzen. Das Leben des Baumes trat in Beziehung zu dem des Kindes; zwischen beiden war Sympathie. Und um die Wette gediehen beide, die Pflanze an der Brust der Natur, das Kind an dem Herzen der Mutter. In erhöhter Hoffnung blickten die Eltern von dem Bäumchen auf ihren Liebling, wenn es ergrünte, in Bangen, wenn sein Wachsthum gehemmt ward. Doch die Kräfte des Lebens entwickelten beide. — Und abermals an einem Tage hoher Freude pflanzte der Vater einen jungen Eichbaum, ein Bruder zu sein des neben ihm grünenden; denn wiederum war die Familie um einen Sprößling reicher geworden. Fester war seine Hoffnung; denn des Eichbaums grünende Weissagung erfüllte sich an dem Erstgeborenen. Und also reihte sich schwesterlich und brüderlich Baum an Baum. — Aber in jener Baumgruppe ist eine Lücke, und kaum erreichen die Aeste einander! Der bedeutungsvolle Eichbaum ging ein, und der Tod entriß den Bruder dem Kreise der Geschwister. Wehen die Abendwinde durch der Bäume Zweige, dann ist ihr Rauschen wie die Todtenklage um den Gefallenen; sinken in den Tagen des Herbstes die Blätter, dann sind sie wie Todtenkränze, welche verwelken. Doch der Lenz bringt neue Eichenreiser, und treu ehren die verschwisterten Pflanzen das Andenken der früh gesunkenen.
Herrliche Eichengruppen der Gegend, tröstende Bilder erfüllter Weissagungen, verwirklichter Hoffnungen! Wohl seid ihr ehrwürdig in eurem hohen Alter, mehr noch aber deshalb, weil Menschenherzen an euch in Dank und Freude geschlagen haben. — Der Fürst hat viele dieser Eichengruppen in den Bereich seines Parks gezogen. In ihrer Beziehung zu einander liegt schon von selbst die reinste Harmonie und das schönste Ebenmaß; denn sie pflanzte ja einst die Hoffnung und Liebe. Jene Eichengruppen sind wie uralte, heilige Familienbilder der Vorzeit, wie Patriarchen der Fluren.
Anmerk. Ueber Civilis und Velleda s. Wolfg. Menzel Gesch. d. Deutschen. S. 60. Die Worte der Joh. d’Arc stehen Act. 4. Auft. 1. — Eine Blume oder einen Kranz zu tragen und sich so in beständigem Rapport mit der Natur zu erhalten, ist die Sitte vieler Nationen, besonders der slavischen. Den Bräutigam schmückt bei den Wenden der Rosmarin, die Braut die Raute. In der Eigenthümlichkeit der Pflanze, in ihrem Wachsen, Blühen und Welken sah man eine Wiederspiegelung eigener Zustände. Diese Auffassung der Vegetation hat bei den Slaven den Orakelzusammenhang mit den Pflanzen vermittelt. Hierzu gehört die Weissagung der Eichen. Ueber Aehnliches s. Bratranek, Aesthetik der Pflanzenwelt. S. 106. 86. f. —
IV. Die Wehklage.
Die beiden Neißeufer im Park sind vor Kurzem da, wo der Eichbusch ist, durch eine Brücke, welche sich kühn und leicht über den Fluß schlägt, verbunden worden — ein Werk des jetzigen Protectors und Mehrers des grünen Reiches des Fürsten. Sonst war dort ein alter, hölzerner, schwankender Steg. Mancher hat an demselben, wenn die Neiße voller ging, seinen Tod in den Wellen gefunden; aber vor dem Unglücke warnte die Wehklage, obwohl nur von Wenigen, Hellsehenden, bemerkt. Unterhalb der Brücke bildet die Neiße eine kleine Insel. Dichter schlangen sich da einst die Aeste alter Weiden und Erlen in einander, und üppiger wucherte der Nachwuchs empor. Kaum vermochte der Sonnenstrahl das geheimnißvolle, grüne Dunkel zu durchbrechen, und schaute man die zusammengestürzten alten Bäume und Stämme der romantischen Wildniß, so bekam man eine Ahnung, wie es einst in hiesiger Gegend, in dem Neißethale, ausgesehen haben mochte. In jenem Gebüsche hat der Sage nach die Wehklage oft ihre Stimme erhoben vor einem Unglücke. —
Die Sage von der Wehklage — bože sedleško — oder Gottesklage — boža losč — in beiden Lausitzen heimisch, ist ein Ueberrest alt slavischer Religions-Vorstellungen. Die Wehklage ist ein Sendbote guter Gottheiten, ein Schutzengel. Bald hat sie sich gezeigt als eine weißgefiederte Henne, bald als liebliches Kind, bald als eine Frau von Anmuth und Wehmuth in weißem Kleide; denn das Weiß ist bei den Wenden nicht blos die Farbe der Unschuld, sondern auch der Trauer. — War ein Unglück im Anzuge, so ertönten die Klagelaute des Geistes; sollte ein Familienglied sterben, dann setzte sich die Wehklage im Dunkel des Abends vor das Gehöfte, den Todesfall vornweg zu betrauern und zu beweinen. In dem Heulen des Sturmes, in dem Rauschen der Wellen, in dem geheimnißvollen Weben des Nachtwindes vernahm man ihre Stimme, und gar oft zeigte sich der mitleidige, warnende Schutzgeist